§. 40. Die Pflichten u. Beschränkungen der Reichsbeamten.
3) Die selbstständige Prüfung des beauftragten Beamten er- streckt sich endlich darauf, ob die Stelle, welche ihm den Befehl ertheilt hat, dazu kompetent war. Dieser Rechtssatz beruht darauf, daß Behörden und Beamte durch ihre Verfügungen nicht im Stande sind, ihre eigene Kompetenz zn erweitern und daß deshalb Anord- nungen, welche außerhalb dieser Kompetenz liegen, rechtlich nicht als amtliche gelten können. Die Pflicht der Beamten, den Ver- fügungen der ihnen vorgesetzten Behörden Folge zu leisten, wird in vielen Gesetzen darauf beschränkt, daß die Behörde den Befehl innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit erlassen hat 1), und auch in der Literatur wird diese Schranke öfters erwähnt. Soweit aber ein Beamter, einem Befehle nachzukommen, nicht verpflichtet ist, handelt er auf eigene Gefahr, wenn er ihm dennoch nachkömmt; man darf daher nicht blos negativ von einer Beschränkung der Gehorsamspflicht reden, sondern der Beamte trägt positiv die Ver- antwortlichkeit, daß der von ihm zur Ausführung gebrachte Befehl ihm von der zuständigen Behörde ertheilt worden ist.
Auch hier handelt es sich aber nur um die Prüfung der for- mellen oder abstrakten Zuständigkeit. Ein Erk. des Preuß. Ober- Tribunals v. 19. Januar 1872 führt aus 2):
"In dem Merkmal der Rechtmäßigkeit ist das Postulat ent- halten, daß der Befehl um dessen Vollstreckung es sich handelt, an den untergeordneten Beamten von der örtlich und sachlich zu- ständigen Behörde erlassen, daß Behörde oder Beamter, von dem er ausgegangen, bei dessen Erlaß im Allgemeinen (in abstracto) innerhalb des Kreises ihrer Befugnisse sich gehalten. Ob dies der Fall sei, hat der untergebene Beamte zu prüfen; dagegen hat er nicht zu untersuchen, ob die vorgesetzte Behörde im einzelnen Fall von ihren Amtsbefugnissen einen angemessenen Gebrauch gemacht."
Ebenso gilt hier das oben Bemerkte, wenn eine richterliche Instanz zur rechtlichen Entscheidung der Zuständigkeit vorhanden ist 3).
das ersuchte Gericht angehört, im geordneten Instanzenzuge herbeigeführt werden kann.
1) Vgl. die von Zachariä a. a. O. angegebenen Gesetze.
2) Vgl. Goltdammer's Archiv Bd. XX. S. 94. Kanngießer S. 48.
3) Uebereinstimmend hiermit verordnet das Rechtshülfe-Gesetz §. 1,
§. 40. Die Pflichten u. Beſchränkungen der Reichsbeamten.
3) Die ſelbſtſtändige Prüfung des beauftragten Beamten er- ſtreckt ſich endlich darauf, ob die Stelle, welche ihm den Befehl ertheilt hat, dazu kompetent war. Dieſer Rechtsſatz beruht darauf, daß Behörden und Beamte durch ihre Verfügungen nicht im Stande ſind, ihre eigene Kompetenz zn erweitern und daß deshalb Anord- nungen, welche außerhalb dieſer Kompetenz liegen, rechtlich nicht als amtliche gelten können. Die Pflicht der Beamten, den Ver- fügungen der ihnen vorgeſetzten Behörden Folge zu leiſten, wird in vielen Geſetzen darauf beſchränkt, daß die Behörde den Befehl innerhalb der Grenzen ihrer Zuſtändigkeit erlaſſen hat 1), und auch in der Literatur wird dieſe Schranke öfters erwähnt. Soweit aber ein Beamter, einem Befehle nachzukommen, nicht verpflichtet iſt, handelt er auf eigene Gefahr, wenn er ihm dennoch nachkömmt; man darf daher nicht blos negativ von einer Beſchränkung der Gehorſamspflicht reden, ſondern der Beamte trägt poſitiv die Ver- antwortlichkeit, daß der von ihm zur Ausführung gebrachte Befehl ihm von der zuſtändigen Behörde ertheilt worden iſt.
Auch hier handelt es ſich aber nur um die Prüfung der for- mellen oder abſtrakten Zuſtändigkeit. Ein Erk. des Preuß. Ober- Tribunals v. 19. Januar 1872 führt aus 2):
„In dem Merkmal der Rechtmäßigkeit iſt das Poſtulat ent- halten, daß der Befehl um deſſen Vollſtreckung es ſich handelt, an den untergeordneten Beamten von der örtlich und ſachlich zu- ſtändigen Behörde erlaſſen, daß Behörde oder Beamter, von dem er ausgegangen, bei deſſen Erlaß im Allgemeinen (in abstracto) innerhalb des Kreiſes ihrer Befugniſſe ſich gehalten. Ob dies der Fall ſei, hat der untergebene Beamte zu prüfen; dagegen hat er nicht zu unterſuchen, ob die vorgeſetzte Behörde im einzelnen Fall von ihren Amtsbefugniſſen einen angemeſſenen Gebrauch gemacht.“
Ebenſo gilt hier das oben Bemerkte, wenn eine richterliche Inſtanz zur rechtlichen Entſcheidung der Zuſtändigkeit vorhanden iſt 3).
das erſuchte Gericht angehört, im geordneten Inſtanzenzuge herbeigeführt werden kann.
1) Vgl. die von Zachariä a. a. O. angegebenen Geſetze.
2) Vgl. Goltdammer’s Archiv Bd. XX. S. 94. Kanngießer S. 48.
3) Uebereinſtimmend hiermit verordnet das Rechtshülfe-Geſetz §. 1,
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§. 40. Die Pflichten u. Beſchränkungen der Reichsbeamten.
3) Die ſelbſtſtändige Prüfung des beauftragten Beamten er-
ſtreckt ſich endlich darauf, ob die Stelle, welche ihm den Befehl
ertheilt hat, dazu kompetent war. Dieſer Rechtsſatz beruht darauf,
daß Behörden und Beamte durch ihre Verfügungen nicht im Stande
ſind, ihre eigene Kompetenz zn erweitern und daß deshalb Anord-
nungen, welche außerhalb dieſer Kompetenz liegen, rechtlich nicht
als amtliche gelten können. Die Pflicht der Beamten, den Ver-
fügungen der ihnen vorgeſetzten Behörden Folge zu leiſten, wird
in vielen Geſetzen darauf beſchränkt, daß die Behörde den Befehl
innerhalb der Grenzen ihrer Zuſtändigkeit erlaſſen hat 1), und auch
in der Literatur wird dieſe Schranke öfters erwähnt. Soweit aber
ein Beamter, einem Befehle nachzukommen, nicht verpflichtet iſt,
handelt er auf eigene Gefahr, wenn er ihm dennoch nachkömmt;
man darf daher nicht blos negativ von einer Beſchränkung der
Gehorſamspflicht reden, ſondern der Beamte trägt poſitiv die Ver-
antwortlichkeit, daß der von ihm zur Ausführung gebrachte Befehl
ihm von der zuſtändigen Behörde ertheilt worden iſt.
Auch hier handelt es ſich aber nur um die Prüfung der for-
mellen oder abſtrakten Zuſtändigkeit. Ein Erk. des Preuß. Ober-
Tribunals v. 19. Januar 1872 führt aus 2):
„In dem Merkmal der Rechtmäßigkeit iſt das Poſtulat ent-
halten, daß der Befehl um deſſen Vollſtreckung es ſich handelt,
an den untergeordneten Beamten von der örtlich und ſachlich zu-
ſtändigen Behörde erlaſſen, daß Behörde oder Beamter, von dem
er ausgegangen, bei deſſen Erlaß im Allgemeinen (in abstracto)
innerhalb des Kreiſes ihrer Befugniſſe ſich gehalten. Ob dies der
Fall ſei, hat der untergebene Beamte zu prüfen; dagegen hat er
nicht zu unterſuchen, ob die vorgeſetzte Behörde im einzelnen Fall
von ihren Amtsbefugniſſen einen angemeſſenen Gebrauch gemacht.“
Ebenſo gilt hier das oben Bemerkte, wenn eine richterliche
Inſtanz zur rechtlichen Entſcheidung der Zuſtändigkeit vorhanden
iſt 3).
1)
1) Vgl. die von Zachariä a. a. O. angegebenen Geſetze.
2) Vgl. Goltdammer’s Archiv Bd. XX. S. 94. Kanngießer
S. 48.
3) Uebereinſtimmend hiermit verordnet das Rechtshülfe-Geſetz §. 1,
1) das erſuchte Gericht angehört, im geordneten Inſtanzenzuge herbeigeführt
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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