Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 45. Die Beendigung des Dienstverhältnisses. 2) Der Staat hat dagegen der Regel nach nicht das Recht, Von diesem Vorbehalt wird nach einer aus der Preußischen 1) Es bedarf keiner Wiederholung derselben, da die Frage für das Reichs- recht entschieden ist. In älterer Zeit ist sie Gegenstand der vielseitigsten Er- örterungen geworden. Eine Uebersicht der Literatur und der in derselben auf- gestellten Ansichten giebt Zachariä II. §. 143 ff; kürzer auch Schulze I. S. 349. Vgl. ferner Welcker's Artikel "Staatsdienst" in seinem Staats- lexikon und L. v. Stein Verwaltungslehre I. 1. S. 241 fg. 246. 2) Auch bei den Beamten der Einzelstaaten spricht eine Rechtsvermuthung für die Lebenslänglichkeit der Anstellung, vgl. Pfeiffer Prakt. Ausf. Bd. V. S. 259 Nro. 9. 3) Regierungs-Instrukt. v. 23. Oktob. 1817 §. 12. Vgl. von Rönne Preuß. Staatsr. II. 1 S. 410. (§. 330 IV.) 4) Stenogr. Berichte des Reichstags 1872. I. S. 133. 134. 5) Der Reichskanzler hat dem Reichstage 1872 das Verzeichniß dieser
Beamten vorgelegt. Drucksachen des Reichstages Nro. 144. §. 45. Die Beendigung des Dienſtverhältniſſes. 2) Der Staat hat dagegen der Regel nach nicht das Recht, Von dieſem Vorbehalt wird nach einer aus der Preußiſchen 1) Es bedarf keiner Wiederholung derſelben, da die Frage für das Reichs- recht entſchieden iſt. In älterer Zeit iſt ſie Gegenſtand der vielſeitigſten Er- örterungen geworden. Eine Ueberſicht der Literatur und der in derſelben auf- geſtellten Anſichten giebt Zachariä II. §. 143 ff; kürzer auch Schulze I. S. 349. Vgl. ferner Welcker’s Artikel „Staatsdienſt“ in ſeinem Staats- lexikon und L. v. Stein Verwaltungslehre I. 1. S. 241 fg. 246. 2) Auch bei den Beamten der Einzelſtaaten ſpricht eine Rechtsvermuthung für die Lebenslänglichkeit der Anſtellung, vgl. Pfeiffer Prakt. Ausf. Bd. V. S. 259 Nro. 9. 3) Regierungs-Inſtrukt. v. 23. Oktob. 1817 §. 12. Vgl. von Rönne Preuß. Staatsr. II. 1 S. 410. (§. 330 IV.) 4) Stenogr. Berichte des Reichstags 1872. I. S. 133. 134. 5) Der Reichskanzler hat dem Reichstage 1872 das Verzeichniß dieſer
Beamten vorgelegt. Druckſachen des Reichstages Nro. 144. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0509" n="489"/> <fw place="top" type="header">§. 45. Die Beendigung des Dienſtverhältniſſes.</fw><lb/> <p>2) Der Staat hat dagegen der Regel nach nicht das Recht,<lb/> das Dienſtverhältniß einſeitig zu löſen. Zahlreiche <hi rendition="#g">praktiſche</hi><lb/> Gründe ſprechen gegen dieſes Recht <note place="foot" n="1)">Es bedarf keiner Wiederholung derſelben, da die Frage für das Reichs-<lb/> recht entſchieden iſt. In älterer Zeit iſt ſie Gegenſtand der vielſeitigſten Er-<lb/> örterungen geworden. Eine Ueberſicht der Literatur und der in derſelben auf-<lb/> geſtellten Anſichten giebt <hi rendition="#g">Zachariä</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 143 ff; kürzer auch <hi rendition="#g">Schulze</hi> <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> S. 349. Vgl. ferner <hi rendition="#g">Welcker’s</hi> Artikel „Staatsdienſt“ in ſeinem Staats-<lb/> lexikon und L. v. <hi rendition="#g">Stein</hi> Verwaltungslehre <hi rendition="#aq">I.</hi> 1. S. 241 fg. 246.</note>. <hi rendition="#g">Juriſtiſch</hi> iſt die Folge-<lb/> rung nicht begründet, daß, weil der Beamte jederzeit aus dem<lb/> Dienſte zu ſcheiden berechtigt iſt, auch der Staat befugt ſein müſſe,<lb/> ihn jederzeit zu entlaſſen; denn durch den Anſtellungsvertrag ent-<lb/> ſtehen durchaus ungleiche Rechte und Pflichten für Staat und<lb/> Beamten. Der Staat hat im Weſentlichen keine andere Leiſtung<lb/> als die Zahlung des Gehaltes zu gewähren, der Beamte ſetzt ſeine<lb/> Perſönlichkeit und in der Mehrzahl der Fälle ſeine ganze Lebens-<lb/> thätigkeit ein; das Intereſſe des Staates iſt überdies gewahrt<lb/> durch das Recht, einſeitig das Dienſtverhältniß im Wege des<lb/> Disciplinarverfahrens aufzuheben. Das Reichsbeamten-Geſetz hat<lb/> daher im §. 2 die Beſtimmung getroffen, daß die Reichsbeamten<lb/> als <hi rendition="#g">auf Lebenszeit</hi> angeſtellt gelten, ſoweit die Anſtellung der<lb/> Reichsbeamten nicht unter dem <hi rendition="#g">ausdrücklichen Vorbehalt</hi><lb/> des Widerrufs oder der Kündigung erfolgt <note place="foot" n="2)">Auch bei den Beamten der Einzelſtaaten ſpricht eine Rechtsvermuthung<lb/> für die Lebenslänglichkeit der Anſtellung, vgl. <hi rendition="#g">Pfeiffer</hi> Prakt. Ausf. Bd. <hi rendition="#aq">V.</hi><lb/> S. 259 Nro. 9.</note>.</p><lb/> <p>Von dieſem Vorbehalt wird nach einer aus der Preußiſchen<lb/> Verwaltungspraxis <note place="foot" n="3)">Regierungs-Inſtrukt. v. 23. Oktob. 1817 §. 12. Vgl. <hi rendition="#g">von Rönne</hi><lb/> Preuß. Staatsr. <hi rendition="#aq">II.</hi> 1 S. 410. (§. 330 <hi rendition="#aq">IV.</hi>)</note> herübergenommenen Regel Gebrauch gemacht<lb/> bei denjenigen Unterbeamten, deren Dienſt keine Ausbildung er-<lb/> fordert, ſondern größtentheils nur mechaniſch iſt <note place="foot" n="4)">Stenogr. Berichte des Reichstags 1872. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 133. 134.</note>. Außerdem<lb/> giebt es einige Kategorien von Beamten im Reſſort des Auswärtigen<lb/> Amtes, der Marine- und Militär-Verwaltung, der Poſt- und Tele-<lb/> graphen-Verwaltung und der Verwaltung der Reichseiſenbahnen,<lb/> welche auf Probe, Kündigung oder Widerruf angeſtellt werden <note place="foot" n="5)">Der Reichskanzler hat dem Reichstage 1872 das Verzeichniß dieſer<lb/> Beamten vorgelegt. Druckſachen des Reichstages Nro. 144.</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [489/0509]
§. 45. Die Beendigung des Dienſtverhältniſſes.
2) Der Staat hat dagegen der Regel nach nicht das Recht,
das Dienſtverhältniß einſeitig zu löſen. Zahlreiche praktiſche
Gründe ſprechen gegen dieſes Recht 1). Juriſtiſch iſt die Folge-
rung nicht begründet, daß, weil der Beamte jederzeit aus dem
Dienſte zu ſcheiden berechtigt iſt, auch der Staat befugt ſein müſſe,
ihn jederzeit zu entlaſſen; denn durch den Anſtellungsvertrag ent-
ſtehen durchaus ungleiche Rechte und Pflichten für Staat und
Beamten. Der Staat hat im Weſentlichen keine andere Leiſtung
als die Zahlung des Gehaltes zu gewähren, der Beamte ſetzt ſeine
Perſönlichkeit und in der Mehrzahl der Fälle ſeine ganze Lebens-
thätigkeit ein; das Intereſſe des Staates iſt überdies gewahrt
durch das Recht, einſeitig das Dienſtverhältniß im Wege des
Disciplinarverfahrens aufzuheben. Das Reichsbeamten-Geſetz hat
daher im §. 2 die Beſtimmung getroffen, daß die Reichsbeamten
als auf Lebenszeit angeſtellt gelten, ſoweit die Anſtellung der
Reichsbeamten nicht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt
des Widerrufs oder der Kündigung erfolgt 2).
Von dieſem Vorbehalt wird nach einer aus der Preußiſchen
Verwaltungspraxis 3) herübergenommenen Regel Gebrauch gemacht
bei denjenigen Unterbeamten, deren Dienſt keine Ausbildung er-
fordert, ſondern größtentheils nur mechaniſch iſt 4). Außerdem
giebt es einige Kategorien von Beamten im Reſſort des Auswärtigen
Amtes, der Marine- und Militär-Verwaltung, der Poſt- und Tele-
graphen-Verwaltung und der Verwaltung der Reichseiſenbahnen,
welche auf Probe, Kündigung oder Widerruf angeſtellt werden 5).
1) Es bedarf keiner Wiederholung derſelben, da die Frage für das Reichs-
recht entſchieden iſt. In älterer Zeit iſt ſie Gegenſtand der vielſeitigſten Er-
örterungen geworden. Eine Ueberſicht der Literatur und der in derſelben auf-
geſtellten Anſichten giebt Zachariä II. §. 143 ff; kürzer auch Schulze I.
S. 349. Vgl. ferner Welcker’s Artikel „Staatsdienſt“ in ſeinem Staats-
lexikon und L. v. Stein Verwaltungslehre I. 1. S. 241 fg. 246.
2) Auch bei den Beamten der Einzelſtaaten ſpricht eine Rechtsvermuthung
für die Lebenslänglichkeit der Anſtellung, vgl. Pfeiffer Prakt. Ausf. Bd. V.
S. 259 Nro. 9.
3) Regierungs-Inſtrukt. v. 23. Oktob. 1817 §. 12. Vgl. von Rönne
Preuß. Staatsr. II. 1 S. 410. (§. 330 IV.)
4) Stenogr. Berichte des Reichstags 1872. I. S. 133. 134.
5) Der Reichskanzler hat dem Reichstage 1872 das Verzeichniß dieſer
Beamten vorgelegt. Druckſachen des Reichstages Nro. 144.
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