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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 48. Die Zuständigkeit des Reichstages.
R.-V. Art. 69. Dadurch hat der Reichstag nicht nur Gelegenheit,
die Finanzwirthschaft des Reiches mit zu beherrschen, und in Aus-
sicht genommene Regierungshandlungen oder Einrichtungen durch Be-
willigung oder Versagung der dazu erforderlichen Geldmittel zu ge-
nehmigen oder zu verhindern, sondern auch die gesammte Verwaltung,
die Organisation und Thätigkeit aller Behörden und alle hervortre-
tenden Bedürfnisse bei der Berathung über die einzelnen Ansätze des
Etats seiner Controle und Kritik zu unterziehen. Die Vorschrift, daß
der Reichshaushalts-Etat mit Genehmigung des Reichstages fest-
gestellt werden soll, ermöglicht dem Reichstage indirekt eine Ein-
wirkung auf alle diejenigen Akte der Reichsregierung, für welche
an sich die Form des Gesetzes nicht vorgeschrieben ist. Das Nähere
wird bei der Lehre vom Finanzrecht dargestellt werden.

2) Die Aufnahme einer Anleihe, sowie die Uebernahme einer
Garantie zu Lasten des Reiches kann nur erfolgen "im Wege der
Reichsgesetzgebung." R.-V. Art. 73.

3) Das Gesetz vom 4. Dez. 1871 §. 8 (R.-G.-Bl. S. 414)
bestimmte: "Die Verwendung der von Frankreich gezahlten Kriegs-
entschädigung wird durch Reichsgesetz geregelt." In Folge dessen
sind die Gesetze v. 15. Juni und 8. Juli 1872 ergangen. Das
letztere reservirt 1 1/2 Milliarden und ordnet im Art. VI. (R.-G.-Bl.
S. 292) an, daß über diesen Betrag "im Wege der Reichsgesetz-
gebung Bestimmung getroffen wird," und enthält im Art. VII.
(R.-G.-Bl. S. 292) die Bestimmung, daß über die dem ehemaligen
Norddeutschen Bunde in Gemäßheit dieses Gesetzes zufallende Ein-
nahme "im Wege des Reichsgesetzes" verfügt wird.

In einer Reihe von Gesetzen ist auf Grund dieser Bestimmun-
gen dann sowohl die Verwendung des reservirten Restbetrages von
1 1/2 Milliarden 1), als die Verwendung und Vertheilung des auf
den Norddeutschen Bund entfallenden Antheils 2) geregelt oder ge-
setzliche Anordnung vorbehalten worden 3). Diese ganze Gesetz-
gebung ist ihrem Inhalte nach theils eine Auseinandersetzung der
an der Kriegskosten-Entschädigung betheiligten Interessenten, (iu-

1) Ges. v. 29. März, 23. Mai, 30. Mai, 12. Juni, 18. Juni und 8. Juli
1873. Ges. v. 25. Januar, 9. Februar, 10. Februar 1875.
2) Ges. v. 2. Juli 1873 (R.-G.-Bl. S. 185.) Ges. v. 23. Febr. 1874
§. 4. Ges. v. 16. Febr. 1875.
3) Ges. v. 2. Juli 1873 Art. 2 §. 4. 5. Ges. v. 10. Febr. 1875 §. 2 u.
v- 16. Febr. 1875 §. 3.

§. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages.
R.-V. Art. 69. Dadurch hat der Reichstag nicht nur Gelegenheit,
die Finanzwirthſchaft des Reiches mit zu beherrſchen, und in Aus-
ſicht genommene Regierungshandlungen oder Einrichtungen durch Be-
willigung oder Verſagung der dazu erforderlichen Geldmittel zu ge-
nehmigen oder zu verhindern, ſondern auch die geſammte Verwaltung,
die Organiſation und Thätigkeit aller Behörden und alle hervortre-
tenden Bedürfniſſe bei der Berathung über die einzelnen Anſätze des
Etats ſeiner Controle und Kritik zu unterziehen. Die Vorſchrift, daß
der Reichshaushalts-Etat mit Genehmigung des Reichstages feſt-
geſtellt werden ſoll, ermöglicht dem Reichstage indirekt eine Ein-
wirkung auf alle diejenigen Akte der Reichsregierung, für welche
an ſich die Form des Geſetzes nicht vorgeſchrieben iſt. Das Nähere
wird bei der Lehre vom Finanzrecht dargeſtellt werden.

2) Die Aufnahme einer Anleihe, ſowie die Uebernahme einer
Garantie zu Laſten des Reiches kann nur erfolgen „im Wege der
Reichsgeſetzgebung.“ R.-V. Art. 73.

3) Das Geſetz vom 4. Dez. 1871 §. 8 (R.-G.-Bl. S. 414)
beſtimmte: „Die Verwendung der von Frankreich gezahlten Kriegs-
entſchädigung wird durch Reichsgeſetz geregelt.“ In Folge deſſen
ſind die Geſetze v. 15. Juni und 8. Juli 1872 ergangen. Das
letztere reſervirt 1 ½ Milliarden und ordnet im Art. VI. (R.-G.-Bl.
S. 292) an, daß über dieſen Betrag „im Wege der Reichsgeſetz-
gebung Beſtimmung getroffen wird,“ und enthält im Art. VII.
(R.-G.-Bl. S. 292) die Beſtimmung, daß über die dem ehemaligen
Norddeutſchen Bunde in Gemäßheit dieſes Geſetzes zufallende Ein-
nahme „im Wege des Reichsgeſetzes“ verfügt wird.

In einer Reihe von Geſetzen iſt auf Grund dieſer Beſtimmun-
gen dann ſowohl die Verwendung des reſervirten Reſtbetrages von
1 ½ Milliarden 1), als die Verwendung und Vertheilung des auf
den Norddeutſchen Bund entfallenden Antheils 2) geregelt oder ge-
ſetzliche Anordnung vorbehalten worden 3). Dieſe ganze Geſetz-
gebung iſt ihrem Inhalte nach theils eine Auseinanderſetzung der
an der Kriegskoſten-Entſchädigung betheiligten Intereſſenten, (iu-

1) Geſ. v. 29. März, 23. Mai, 30. Mai, 12. Juni, 18. Juni und 8. Juli
1873. Geſ. v. 25. Januar, 9. Februar, 10. Februar 1875.
2) Geſ. v. 2. Juli 1873 (R.-G.-Bl. S. 185.) Geſ. v. 23. Febr. 1874
§. 4. Geſ. v. 16. Febr. 1875.
3) Geſ. v. 2. Juli 1873 Art. 2 §. 4. 5. Geſ. v. 10. Febr. 1875 §. 2 u.
v- 16. Febr. 1875 §. 3.
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[507/0527] §. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages. R.-V. Art. 69. Dadurch hat der Reichstag nicht nur Gelegenheit, die Finanzwirthſchaft des Reiches mit zu beherrſchen, und in Aus- ſicht genommene Regierungshandlungen oder Einrichtungen durch Be- willigung oder Verſagung der dazu erforderlichen Geldmittel zu ge- nehmigen oder zu verhindern, ſondern auch die geſammte Verwaltung, die Organiſation und Thätigkeit aller Behörden und alle hervortre- tenden Bedürfniſſe bei der Berathung über die einzelnen Anſätze des Etats ſeiner Controle und Kritik zu unterziehen. Die Vorſchrift, daß der Reichshaushalts-Etat mit Genehmigung des Reichstages feſt- geſtellt werden ſoll, ermöglicht dem Reichstage indirekt eine Ein- wirkung auf alle diejenigen Akte der Reichsregierung, für welche an ſich die Form des Geſetzes nicht vorgeſchrieben iſt. Das Nähere wird bei der Lehre vom Finanzrecht dargeſtellt werden. 2) Die Aufnahme einer Anleihe, ſowie die Uebernahme einer Garantie zu Laſten des Reiches kann nur erfolgen „im Wege der Reichsgeſetzgebung.“ R.-V. Art. 73. 3) Das Geſetz vom 4. Dez. 1871 §. 8 (R.-G.-Bl. S. 414) beſtimmte: „Die Verwendung der von Frankreich gezahlten Kriegs- entſchädigung wird durch Reichsgeſetz geregelt.“ In Folge deſſen ſind die Geſetze v. 15. Juni und 8. Juli 1872 ergangen. Das letztere reſervirt 1 ½ Milliarden und ordnet im Art. VI. (R.-G.-Bl. S. 292) an, daß über dieſen Betrag „im Wege der Reichsgeſetz- gebung Beſtimmung getroffen wird,“ und enthält im Art. VII. (R.-G.-Bl. S. 292) die Beſtimmung, daß über die dem ehemaligen Norddeutſchen Bunde in Gemäßheit dieſes Geſetzes zufallende Ein- nahme „im Wege des Reichsgeſetzes“ verfügt wird. In einer Reihe von Geſetzen iſt auf Grund dieſer Beſtimmun- gen dann ſowohl die Verwendung des reſervirten Reſtbetrages von 1 ½ Milliarden 1), als die Verwendung und Vertheilung des auf den Norddeutſchen Bund entfallenden Antheils 2) geregelt oder ge- ſetzliche Anordnung vorbehalten worden 3). Dieſe ganze Geſetz- gebung iſt ihrem Inhalte nach theils eine Auseinanderſetzung der an der Kriegskoſten-Entſchädigung betheiligten Intereſſenten, (iu- 1) Geſ. v. 29. März, 23. Mai, 30. Mai, 12. Juni, 18. Juni und 8. Juli 1873. Geſ. v. 25. Januar, 9. Februar, 10. Februar 1875. 2) Geſ. v. 2. Juli 1873 (R.-G.-Bl. S. 185.) Geſ. v. 23. Febr. 1874 §. 4. Geſ. v. 16. Febr. 1875. 3) Geſ. v. 2. Juli 1873 Art. 2 §. 4. 5. Geſ. v. 10. Febr. 1875 §. 2 u. v- 16. Febr. 1875 §. 3.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/527>, abgerufen am 22.11.2024.