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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 48. Die Zuständigkeit des Reichstages.
2) durch eine Geschäfts-Ordnung seinen Geschäftsgang und
seine Disciplin zu regeln.
3) seinen Präsidenten, seine Vicepräsidenten und Schriftführer
zu wählen.
4) Hierzu kömmt noch das im Ges. v. 31. März 1873 §. 156
(R.-G.-Bl. S. 90) anerkannte Recht, daß der Reichstags-Präsident
die Reichstags-Beamten anstellt und die vorgesetzte Behörde der-
selben bildet.

VI. In der staatsrechtlichen Literatur werden fast allgemein
den Volksvertretungen noch einige andere Rechte zugeschrieben,
welche bei näherer Betrachtung keine Rechte sind, weil sie keinen
rechtlichen Inhalt und keine rechtliche Wirkung haben. Auch in
den meisten Darstellungen des Reichsrechts haben solche Pseudo-
rechte des Reichstages einen Platz gefunden 1). Es sind nament-
lich folgende zwei:

1) Das Recht, Interpellationen an die Reichsregierung zu
richten 2). Wäre die Regierung verpflichtet, eine Antwort zu er-
theilen, wäre also der Reichstag befugt, durch solenne Fragestellung
die Regierung zur Ertheilung einer Auskunft, zur Ablegung einer
Rechenschaft zu zwingen, so wäre das Interpellationsrecht in der
That ein Recht von weitreichender staatsrechtlicher Bedeutung 3).
Allein da unzweifelhaft die Reichsregierung diese Verpflichtung
nicht hat, so ist das Interpellationsrecht des Reichstages, oder
richtiger der Reichstagsmitglieder, weiter nichts als die allgemeine,
recht vielen Menschen zukommende Fähigkeit, an die Regierung
Fragen zu stellen, welche dieselbe ja nach ihrem Belieben einer Ant-
wort würdigen oder unbeantwortet lassen kann 4). Politisch mag
eine im Reichstage gestellte Interpellation von der höchsten Wichtig-
keit sein; staatsrechtlich ist sie vollständig wirkungslos und ohne alle
Bedeutung.


1) Vgl. zu dem Folgenden die Verhandlungen des verfassungberathenden
Reichstages v. 29. März 1867. Stenogr. Ber. S. 443 ff.
2) Thudichum S. 213 fg. Riedel S. 36 unter 6c. v. Rönne S. 172.
v. Mohl S. 336. Meyer Erörterungen S. 50.
3) Viele Verfassungen haben ein solches Recht anerkannt, insbesondere
auch die Preußische Art. 81 Abs. 3 in Beziehung auf Beschwerden, welche
beim Landtage eingehen.
4) Seydel S. 152, der dieses Sachverhältniß richtig erkennt, nennt das
"Recht der Interpellation" ein "natürliches".
§. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages.
2) durch eine Geſchäfts-Ordnung ſeinen Geſchäftsgang und
ſeine Disciplin zu regeln.
3) ſeinen Präſidenten, ſeine Vicepräſidenten und Schriftführer
zu wählen.
4) Hierzu kömmt noch das im Geſ. v. 31. März 1873 §. 156
(R.-G.-Bl. S. 90) anerkannte Recht, daß der Reichstags-Präſident
die Reichstags-Beamten anſtellt und die vorgeſetzte Behörde der-
ſelben bildet.

VI. In der ſtaatsrechtlichen Literatur werden faſt allgemein
den Volksvertretungen noch einige andere Rechte zugeſchrieben,
welche bei näherer Betrachtung keine Rechte ſind, weil ſie keinen
rechtlichen Inhalt und keine rechtliche Wirkung haben. Auch in
den meiſten Darſtellungen des Reichsrechts haben ſolche Pſeudo-
rechte des Reichstages einen Platz gefunden 1). Es ſind nament-
lich folgende zwei:

1) Das Recht, Interpellationen an die Reichsregierung zu
richten 2). Wäre die Regierung verpflichtet, eine Antwort zu er-
theilen, wäre alſo der Reichstag befugt, durch ſolenne Frageſtellung
die Regierung zur Ertheilung einer Auskunft, zur Ablegung einer
Rechenſchaft zu zwingen, ſo wäre das Interpellationsrecht in der
That ein Recht von weitreichender ſtaatsrechtlicher Bedeutung 3).
Allein da unzweifelhaft die Reichsregierung dieſe Verpflichtung
nicht hat, ſo iſt das Interpellationsrecht des Reichstages, oder
richtiger der Reichstagsmitglieder, weiter nichts als die allgemeine,
recht vielen Menſchen zukommende Fähigkeit, an die Regierung
Fragen zu ſtellen, welche dieſelbe ja nach ihrem Belieben einer Ant-
wort würdigen oder unbeantwortet laſſen kann 4). Politiſch mag
eine im Reichstage geſtellte Interpellation von der höchſten Wichtig-
keit ſein; ſtaatsrechtlich iſt ſie vollſtändig wirkungslos und ohne alle
Bedeutung.


1) Vgl. zu dem Folgenden die Verhandlungen des verfaſſungberathenden
Reichstages v. 29. März 1867. Stenogr. Ber. S. 443 ff.
2) Thudichum S. 213 fg. Riedel S. 36 unter 6c. v. Rönne S. 172.
v. Mohl S. 336. Meyer Erörterungen S. 50.
3) Viele Verfaſſungen haben ein ſolches Recht anerkannt, insbeſondere
auch die Preußiſche Art. 81 Abſ. 3 in Beziehung auf Beſchwerden, welche
beim Landtage eingehen.
4) Seydel S. 152, der dieſes Sachverhältniß richtig erkennt, nennt das
„Recht der Interpellation“ ein „natürliches“.
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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/541>, abgerufen am 22.11.2024.