Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 50. Bedingungen der Thätigkeit des Reichstages. wie beim Bundesrathe, ordentliche und außerordentliche Sitzungs-perioden. 2) Der Reichstag darf nicht gegen den Willen des Kaisers Über den rechtlichen Unterschied der Vertagung und Schließung Im Falle der Schließung tritt dagegen das Prinzip der Dis- ordn. v. 26. Febr. und 5. Oktober; im Jahre 1874 ebenfalls zweimal durch Verordn. v. 20. Januar und v. 20. Oktober. 1) Vrgl. darüber v. Rönne Preuß. Staatsr. §. 122 (I. 2 S. 405. ff.) 2) Die Gesch.-Ordn. §. 67 scheint ihn bestätigen zu wollen, indem sie be-
stimmt, daß Gesetzes-Vorlagen, Anträge und Petitionen mit dem Ablaufe der Sitzungs-Periode, in welcher sie eingebracht und noch nicht zur Beschlußnahme gediehen sind, für erledigt (!?) zu erachten sind. §. 50. Bedingungen der Thätigkeit des Reichstages. wie beim Bundesrathe, ordentliche und außerordentliche Sitzungs-perioden. 2) Der Reichstag darf nicht gegen den Willen des Kaiſers Über den rechtlichen Unterſchied der Vertagung und Schließung Im Falle der Schließung tritt dagegen das Prinzip der Dis- ordn. v. 26. Febr. und 5. Oktober; im Jahre 1874 ebenfalls zweimal durch Verordn. v. 20. Januar und v. 20. Oktober. 1) Vrgl. darüber v. Rönne Preuß. Staatsr. §. 122 (I. 2 S. 405. ff.) 2) Die Geſch.-Ordn. §. 67 ſcheint ihn beſtätigen zu wollen, indem ſie be-
ſtimmt, daß Geſetzes-Vorlagen, Anträge und Petitionen mit dem Ablaufe der Sitzungs-Periode, in welcher ſie eingebracht und noch nicht zur Beſchlußnahme gediehen ſind, für erledigt (!?) zu erachten ſind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0577" n="557"/><fw place="top" type="header">§. 50. Bedingungen der Thätigkeit des Reichstages.</fw><lb/> wie beim Bundesrathe, ordentliche und außerordentliche Sitzungs-<lb/> perioden.</p><lb/> <p>2) Der Reichstag darf nicht gegen den Willen des Kaiſers<lb/><hi rendition="#g">verſammelt bleiben</hi> und ſeine Thätigkeit <hi rendition="#g">fortſetzen</hi>. Dem<lb/> Kaiſer ſteht es vielmehr zu, den Reichstag zu <hi rendition="#g">vertagen</hi> und zu<lb/><hi rendition="#g">ſchließen</hi>. R.-V. Art. 12. Dieſes Recht iſt jedoch in ſo weit<lb/> eingeſchränkt, daß ohne Zuſtimmung des Reichstages die Vertagung<lb/> deſſelben die Friſt von 30 Tagen nicht überſteigen und während<lb/> derſelben Seſſion nicht wiederholt werden darf. R.-V. Art. 26.</p><lb/> <p>Über den rechtlichen Unterſchied der Vertagung und Schließung<lb/> enthält die Reichsverfaſſung zwar Nichts; nach dem feſtſtehenden<lb/> parlamentariſchen Sprachgebrauch und der conſtitutionellen Praxis<lb/> beſteht derſelbe aber darin, daß die Vertagung die Continuität<lb/> der Reichstagsgeſchäfte nicht unterbricht, wohl aber die Schließung <note place="foot" n="1)">Vrgl. darüber v. <hi rendition="#g">Rönne</hi> Preuß. Staatsr. §. 122 (<hi rendition="#aq">I.</hi> 2 S. 405. ff.)</note>.<lb/> Im Falle einer Vertagung bedarf es daher keiner wiederholten<lb/> Einberufung und Eröffnung, keiner neuen Conſtituirung des Reichs-<lb/> tages, keiner neuen Einbringung der unerledigt gebliebenen Vor-<lb/> lagen und Anträge. Die Geſchäfte werden vielmehr während der<lb/> Vertagungsfriſt nur ſuspendirt, bei dem Wiederzuſammentritt des<lb/> Reichstages daher an dem Punkte aufgenommen und fortgeſetzt,<lb/> an welchem ſie liegen geblieben ſind.</p><lb/> <p>Im Falle der Schließung tritt dagegen das Prinzip der Dis-<lb/> continuität ein; die neue Sitzung iſt keine Fortſetzung der vorher-<lb/> gehenden; alle in der letzteren nicht zum Abſchluß gekommenen<lb/> Reichstagsgeſchäfte müſſen von Anfang an wieder begonnen werden.<lb/> Daher können auch Reichstags-Kommiſſionen nach Schluß der<lb/> Sitzungsperiode ihre vorberathende Thätigkeit nicht fortſetzen. Ob-<lb/> wohl dieſer Satz reichsgeſetzlich nicht direct ausgeſprochen iſt, ſo<lb/> ſteht er doch in ſo unbezweifelter Geltung <note place="foot" n="2)">Die Geſch.-Ordn. §. 67 ſcheint ihn beſtätigen zu wollen, indem ſie be-<lb/> ſtimmt, daß Geſetzes-Vorlagen, Anträge und Petitionen mit dem Ablaufe der<lb/> Sitzungs-Periode, in welcher ſie eingebracht und noch nicht zur Beſchlußnahme<lb/> gediehen ſind, für erledigt (!?) zu erachten ſind.</note>, daß eine Abweichung<lb/> von demſelben nur auf Grund eines beſonderen Reichsgeſetzes zu-<lb/> läſſig erſcheint. Eine ſolche Ausnahme iſt durch das Geſetz v.<lb/><note xml:id="seg2pn_65_2" prev="#seg2pn_65_1" place="foot" n="2)">ordn. v. 26. Febr. und 5. Oktober; im Jahre 1874 ebenfalls zweimal durch<lb/> Verordn. v. 20. Januar und v. 20. Oktober.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [557/0577]
§. 50. Bedingungen der Thätigkeit des Reichstages.
wie beim Bundesrathe, ordentliche und außerordentliche Sitzungs-
perioden.
2) Der Reichstag darf nicht gegen den Willen des Kaiſers
verſammelt bleiben und ſeine Thätigkeit fortſetzen. Dem
Kaiſer ſteht es vielmehr zu, den Reichstag zu vertagen und zu
ſchließen. R.-V. Art. 12. Dieſes Recht iſt jedoch in ſo weit
eingeſchränkt, daß ohne Zuſtimmung des Reichstages die Vertagung
deſſelben die Friſt von 30 Tagen nicht überſteigen und während
derſelben Seſſion nicht wiederholt werden darf. R.-V. Art. 26.
Über den rechtlichen Unterſchied der Vertagung und Schließung
enthält die Reichsverfaſſung zwar Nichts; nach dem feſtſtehenden
parlamentariſchen Sprachgebrauch und der conſtitutionellen Praxis
beſteht derſelbe aber darin, daß die Vertagung die Continuität
der Reichstagsgeſchäfte nicht unterbricht, wohl aber die Schließung 1).
Im Falle einer Vertagung bedarf es daher keiner wiederholten
Einberufung und Eröffnung, keiner neuen Conſtituirung des Reichs-
tages, keiner neuen Einbringung der unerledigt gebliebenen Vor-
lagen und Anträge. Die Geſchäfte werden vielmehr während der
Vertagungsfriſt nur ſuspendirt, bei dem Wiederzuſammentritt des
Reichstages daher an dem Punkte aufgenommen und fortgeſetzt,
an welchem ſie liegen geblieben ſind.
Im Falle der Schließung tritt dagegen das Prinzip der Dis-
continuität ein; die neue Sitzung iſt keine Fortſetzung der vorher-
gehenden; alle in der letzteren nicht zum Abſchluß gekommenen
Reichstagsgeſchäfte müſſen von Anfang an wieder begonnen werden.
Daher können auch Reichstags-Kommiſſionen nach Schluß der
Sitzungsperiode ihre vorberathende Thätigkeit nicht fortſetzen. Ob-
wohl dieſer Satz reichsgeſetzlich nicht direct ausgeſprochen iſt, ſo
ſteht er doch in ſo unbezweifelter Geltung 2), daß eine Abweichung
von demſelben nur auf Grund eines beſonderen Reichsgeſetzes zu-
läſſig erſcheint. Eine ſolche Ausnahme iſt durch das Geſetz v.
2)
1) Vrgl. darüber v. Rönne Preuß. Staatsr. §. 122 (I. 2 S. 405. ff.)
2) Die Geſch.-Ordn. §. 67 ſcheint ihn beſtätigen zu wollen, indem ſie be-
ſtimmt, daß Geſetzes-Vorlagen, Anträge und Petitionen mit dem Ablaufe der
Sitzungs-Periode, in welcher ſie eingebracht und noch nicht zur Beſchlußnahme
gediehen ſind, für erledigt (!?) zu erachten ſind.
2) ordn. v. 26. Febr. und 5. Oktober; im Jahre 1874 ebenfalls zweimal durch
Verordn. v. 20. Januar und v. 20. Oktober.
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