Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 55. Der Landesfiskus von Elsaß-Lothringen. kommen gleich behandelt 1). Es beruht dies darauf, daß es sichin den hier in Betracht kommenden Beziehungen nicht um staat- liche Hoheitsrechte und staatliche Aufgaben, sondern um ver- mögensrechtliche Ansprüche und Leistungen handelt. Jeder Staat ist zwar nothwendig auch vermögensrechtliches Subject, aber nicht umgekehrt jeder öffentlich rechtliche Verband mit selbstständi- ger privatrechtlicher Persönlichkeit ein Wesen staatlicher Natur. Grade weil jede Provinz, jeder Bezirk eben so gut wie der Staat ein selbstständiges Vermögenssubject sein kann, ist es möglich, das Reichsland in allen die Finanzwirthschaft betreffenden Angelegen- heiten vollkommen wie ein Bundesglied zu behandeln 2). Es wird demgemäß die Landeskasse von dem Reichsfis- 1) Vgl. meine Erörterungen hierüber in Hirth's Annalen 1873 S. 562 ff. Daselbst bin ich jedoch noch der herrschenden Theorie vom Bundesstaate, welche das Wesen derselben in einer Theilung der Staatsgewalt findet, gefolgt. Gerade bei der Finanzwirthschaft tritt die Unrichtigkeit dieser Theorie am we- nigsten zu Tage, weil die Souveränetät keine wesentliche Voraussetzung für eine eigene Finanzwirthschaft ist. 2) Vgl. Löning a. a. O. S. 187. 3) Die elsaß-lothringischen Eisenbahnen sind Reichseigenthum; da- gegen ermächtigt das Ges. v. 11. Nov. 1872 (G.-Bl. S. 773) den Reichskanzler die Tabackfabrik in Straßburg für Rechnung der Landesver- waltung zu veräußern. 4) Ges. v. 10. Juni 1872 über die Entschädigung der Inhaber verkäuf-
licher Stellen im Justizdienste. (G.-Bl. S. 171 fg.). §. 20: "Die Entschä- digung wird in Obligationen gegeben, welche auf die Landeskasse von Elsaß- Lothringen gestellt sind." Löning a. a. O. S. 188. §. 55. Der Landesfiskus von Elſaß-Lothringen. kommen gleich behandelt 1). Es beruht dies darauf, daß es ſichin den hier in Betracht kommenden Beziehungen nicht um ſtaat- liche Hoheitsrechte und ſtaatliche Aufgaben, ſondern um ver- mögensrechtliche Anſprüche und Leiſtungen handelt. Jeder Staat iſt zwar nothwendig auch vermögensrechtliches Subject, aber nicht umgekehrt jeder öffentlich rechtliche Verband mit ſelbſtſtändi- ger privatrechtlicher Perſönlichkeit ein Weſen ſtaatlicher Natur. Grade weil jede Provinz, jeder Bezirk eben ſo gut wie der Staat ein ſelbſtſtändiges Vermögensſubject ſein kann, iſt es möglich, das Reichsland in allen die Finanzwirthſchaft betreffenden Angelegen- heiten vollkommen wie ein Bundesglied zu behandeln 2). Es wird demgemäß die Landeskaſſe von dem Reichsfis- 1) Vgl. meine Erörterungen hierüber in Hirth’s Annalen 1873 S. 562 ff. Daſelbſt bin ich jedoch noch der herrſchenden Theorie vom Bundesſtaate, welche das Weſen derſelben in einer Theilung der Staatsgewalt findet, gefolgt. Gerade bei der Finanzwirthſchaft tritt die Unrichtigkeit dieſer Theorie am we- nigſten zu Tage, weil die Souveränetät keine weſentliche Vorausſetzung für eine eigene Finanzwirthſchaft iſt. 2) Vgl. Löning a. a. O. S. 187. 3) Die elſaß-lothringiſchen Eiſenbahnen ſind Reichseigenthum; da- gegen ermächtigt das Geſ. v. 11. Nov. 1872 (G.-Bl. S. 773) den Reichskanzler die Tabackfabrik in Straßburg für Rechnung der Landesver- waltung zu veräußern. 4) Geſ. v. 10. Juni 1872 über die Entſchädigung der Inhaber verkäuf-
licher Stellen im Juſtizdienſte. (G.-Bl. S. 171 fg.). §. 20: „Die Entſchä- digung wird in Obligationen gegeben, welche auf die Landeskaſſe von Elſaß- Lothringen geſtellt ſind.“ Löning a. a. O. S. 188. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0625" n="605"/><fw place="top" type="header">§. 55. Der Landesfiskus von Elſaß-Lothringen.</fw><lb/> kommen gleich behandelt <note place="foot" n="1)">Vgl. meine Erörterungen hierüber in Hirth’s Annalen 1873 S. 562 ff.<lb/> Daſelbſt bin ich jedoch noch der herrſchenden Theorie vom Bundesſtaate, welche<lb/> das Weſen derſelben in einer <hi rendition="#g">Theilung</hi> der Staatsgewalt findet, gefolgt.<lb/> Gerade bei der Finanzwirthſchaft tritt die Unrichtigkeit dieſer Theorie am we-<lb/> nigſten zu Tage, weil die Souveränetät keine weſentliche Vorausſetzung für<lb/> eine eigene Finanzwirthſchaft iſt.</note>. Es beruht dies darauf, daß es ſich<lb/> in den hier in Betracht kommenden Beziehungen nicht um <hi rendition="#g">ſtaat-<lb/> liche Hoheits</hi>rechte und ſtaatliche Aufgaben, ſondern um <hi rendition="#g">ver-<lb/> mögensrechtliche</hi> Anſprüche und Leiſtungen handelt. Jeder<lb/> Staat iſt zwar nothwendig auch vermögensrechtliches Subject, aber<lb/> nicht umgekehrt jeder öffentlich rechtliche Verband mit ſelbſtſtändi-<lb/> ger privatrechtlicher Perſönlichkeit ein Weſen ſtaatlicher Natur.<lb/> Grade weil jede Provinz, jeder Bezirk eben ſo gut wie der Staat<lb/> ein ſelbſtſtändiges Vermögensſubject ſein kann, iſt es möglich, das<lb/> Reichsland in allen die Finanzwirthſchaft betreffenden Angelegen-<lb/> heiten vollkommen wie ein Bundesglied zu behandeln <note place="foot" n="2)">Vgl. <hi rendition="#g">Löning</hi> a. a. O. S. 187.</note>.</p><lb/> <p>Es wird demgemäß die <hi rendition="#g">Landeskaſſe</hi> von dem Reichsfis-<lb/> kus unterſchieden und ebenſo das Landesvermögen von dem im<lb/> Reichslande befindlichen Reichsvermögen <note place="foot" n="3)">Die elſaß-lothringiſchen <hi rendition="#g">Eiſenbahnen</hi> ſind Reichseigenthum; da-<lb/> gegen ermächtigt das Geſ. v. 11. Nov. 1872 (G.-Bl. S. 773) den Reichskanzler<lb/> die <hi rendition="#g">Tabackfabrik</hi> in Straßburg <hi rendition="#g">für Rechnung der Landesver-<lb/> waltung</hi> zu veräußern.</note>. Das Reichs-Geſ. v.<lb/> 25. Mai 1873 über die Rechts-Verhältniſſe der zum dienſtlichen<lb/> Gebrauch einer Reichsverwaltung beſtimmten Gegenſtände iſt durch<lb/> Geſ. v. 8. Dezember 1873 (G.-Bl. S. 387) im Reichslande ein-<lb/> geführt worden und dadurch nicht nur hinſichtlich des Finanzver-<lb/> mögens, ſondern auch hinſichtlich des Verwaltungsvermögens das<lb/> Reichsland in völlig dieſelbe Lage gebracht worden, in welcher die<lb/> Bundesſtaaten in dieſer Beziehung ſich befinden. Dem activen<lb/> Landes-Vermögen entſprechend giebt es auch Landes-Schulden <note place="foot" n="4)">Geſ. v. 10. Juni 1872 über die Entſchädigung der Inhaber verkäuf-<lb/> licher Stellen im Juſtizdienſte. (G.-Bl. S. 171 fg.). §. 20: „Die Entſchä-<lb/> digung wird in Obligationen gegeben, welche auf die Landeskaſſe von Elſaß-<lb/> Lothringen geſtellt ſind.“ <hi rendition="#g">Löning</hi> a. a. O. S. 188.</note>,<lb/> welche einerſeits von Schulden der Bezirke oder Kreiſe, andererſeits<lb/> von Schulden des Reiches verſchieden ſind. Das Subject dieſer<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [605/0625]
§. 55. Der Landesfiskus von Elſaß-Lothringen.
kommen gleich behandelt 1). Es beruht dies darauf, daß es ſich
in den hier in Betracht kommenden Beziehungen nicht um ſtaat-
liche Hoheitsrechte und ſtaatliche Aufgaben, ſondern um ver-
mögensrechtliche Anſprüche und Leiſtungen handelt. Jeder
Staat iſt zwar nothwendig auch vermögensrechtliches Subject, aber
nicht umgekehrt jeder öffentlich rechtliche Verband mit ſelbſtſtändi-
ger privatrechtlicher Perſönlichkeit ein Weſen ſtaatlicher Natur.
Grade weil jede Provinz, jeder Bezirk eben ſo gut wie der Staat
ein ſelbſtſtändiges Vermögensſubject ſein kann, iſt es möglich, das
Reichsland in allen die Finanzwirthſchaft betreffenden Angelegen-
heiten vollkommen wie ein Bundesglied zu behandeln 2).
Es wird demgemäß die Landeskaſſe von dem Reichsfis-
kus unterſchieden und ebenſo das Landesvermögen von dem im
Reichslande befindlichen Reichsvermögen 3). Das Reichs-Geſ. v.
25. Mai 1873 über die Rechts-Verhältniſſe der zum dienſtlichen
Gebrauch einer Reichsverwaltung beſtimmten Gegenſtände iſt durch
Geſ. v. 8. Dezember 1873 (G.-Bl. S. 387) im Reichslande ein-
geführt worden und dadurch nicht nur hinſichtlich des Finanzver-
mögens, ſondern auch hinſichtlich des Verwaltungsvermögens das
Reichsland in völlig dieſelbe Lage gebracht worden, in welcher die
Bundesſtaaten in dieſer Beziehung ſich befinden. Dem activen
Landes-Vermögen entſprechend giebt es auch Landes-Schulden 4),
welche einerſeits von Schulden der Bezirke oder Kreiſe, andererſeits
von Schulden des Reiches verſchieden ſind. Das Subject dieſer
1) Vgl. meine Erörterungen hierüber in Hirth’s Annalen 1873 S. 562 ff.
Daſelbſt bin ich jedoch noch der herrſchenden Theorie vom Bundesſtaate, welche
das Weſen derſelben in einer Theilung der Staatsgewalt findet, gefolgt.
Gerade bei der Finanzwirthſchaft tritt die Unrichtigkeit dieſer Theorie am we-
nigſten zu Tage, weil die Souveränetät keine weſentliche Vorausſetzung für
eine eigene Finanzwirthſchaft iſt.
2) Vgl. Löning a. a. O. S. 187.
3) Die elſaß-lothringiſchen Eiſenbahnen ſind Reichseigenthum; da-
gegen ermächtigt das Geſ. v. 11. Nov. 1872 (G.-Bl. S. 773) den Reichskanzler
die Tabackfabrik in Straßburg für Rechnung der Landesver-
waltung zu veräußern.
4) Geſ. v. 10. Juni 1872 über die Entſchädigung der Inhaber verkäuf-
licher Stellen im Juſtizdienſte. (G.-Bl. S. 171 fg.). §. 20: „Die Entſchä-
digung wird in Obligationen gegeben, welche auf die Landeskaſſe von Elſaß-
Lothringen geſtellt ſind.“ Löning a. a. O. S. 188.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |