Dagegen hat das Einführungsgesetz selbst die Bestimmung getroffen, daß dem in Art. 1 bezeichneten Bundesgebiete das Ge- biet des Reichslandes Elsaß-Lothringen hinzutritt, daß in Elsaß- Lothringen 15 Abgeordnete zum Reichstage gewählt werden, daß bis auf Weiteres die in Art. 35 erwähnte Besteuerung des in- ländischen Bieres der inneren Gesetzgebung vorbehalten bleibt und daß bis auf Weiteres die durch Art. 40 aufrecht erhaltenen Be- schränkungen, welchen die Erhebung von Kommunal-Abgaben nach Art. 5 des Zollvereinsvertrages unterliegt, auf die in Elsaß-Loth- ringen bestehenden Bestimmungen über das Octroi keine Anwen- dung finden.
Schon das Reichsgesetz vom 9. Juni 1871 § 3 hat die An- ordnung getroffen, daß nach Einführung der Reichsverfassung bis zu anderweitiger Regelung durch Reichsgesetz das Recht der Gesetz- gebung auch in den der Reichsgesetzgebung in den Bundesstaaten nicht unterliegenden Angelegenheiten in Elsaß-Lothringen dem Reiche zusteht. Diese Bestimmung ist am 1. Januar 1874 in Geltung getreten mit der Modifikation, daß der Kaiser unter Zustimmung des Bundesrathes, während der Reichstag nicht versammelt ist, Verordnungen mit gesetzlicher Kraft erlassen kann, welche Nichts enthalten dürfen, was der Verfassung oder den in Elsaß-Lothrin- gen geltenden Reichsgesetzen zuwider ist. Solche Verordnungen sind dem Reichstage bei dessen nächstem Zusammentritt zur Genehmi- gung vorzulegen und sie treten außer Kraft, sobald die Geneh- migung versagt wird 1).
Trotzdem die Reichsverfassung durch diese Gesetzgebungs-Acte in Elsaß und Lothringen zur vollen und uneingeschränkten for- mellen Geltung gekommen ist, ergiebt sich dennoch bei näherer Betrachtung für das Reichsland eine rechtliche Stellung im Reiche, welche von derjenigen der Bundesstaaten in den wesentlichsten Beziehungen durchaus verschieden ist.
durch das Ges. v. 8. Febr. 1875 (Gesetzbl. f. Els.-Lothr. S. 9) ist das Verse- hen beseitigt worden.
1) Ges. v. 25. Juni 1873 § 8.
§. 6. Die Erwerbung von Elſaß-Lothringen.
Dagegen hat das Einführungsgeſetz ſelbſt die Beſtimmung getroffen, daß dem in Art. 1 bezeichneten Bundesgebiete das Ge- biet des Reichslandes Elſaß-Lothringen hinzutritt, daß in Elſaß- Lothringen 15 Abgeordnete zum Reichstage gewählt werden, daß bis auf Weiteres die in Art. 35 erwähnte Beſteuerung des in- ländiſchen Bieres der inneren Geſetzgebung vorbehalten bleibt und daß bis auf Weiteres die durch Art. 40 aufrecht erhaltenen Be- ſchränkungen, welchen die Erhebung von Kommunal-Abgaben nach Art. 5 des Zollvereinsvertrages unterliegt, auf die in Elſaß-Loth- ringen beſtehenden Beſtimmungen über das Octroi keine Anwen- dung finden.
Schon das Reichsgeſetz vom 9. Juni 1871 § 3 hat die An- ordnung getroffen, daß nach Einführung der Reichsverfaſſung bis zu anderweitiger Regelung durch Reichsgeſetz das Recht der Geſetz- gebung auch in den der Reichsgeſetzgebung in den Bundesſtaaten nicht unterliegenden Angelegenheiten in Elſaß-Lothringen dem Reiche zuſteht. Dieſe Beſtimmung iſt am 1. Januar 1874 in Geltung getreten mit der Modifikation, daß der Kaiſer unter Zuſtimmung des Bundesrathes, während der Reichstag nicht verſammelt iſt, Verordnungen mit geſetzlicher Kraft erlaſſen kann, welche Nichts enthalten dürfen, was der Verfaſſung oder den in Elſaß-Lothrin- gen geltenden Reichsgeſetzen zuwider iſt. Solche Verordnungen ſind dem Reichstage bei deſſen nächſtem Zuſammentritt zur Genehmi- gung vorzulegen und ſie treten außer Kraft, ſobald die Geneh- migung verſagt wird 1).
Trotzdem die Reichsverfaſſung durch dieſe Geſetzgebungs-Acte in Elſaß und Lothringen zur vollen und uneingeſchränkten for- mellen Geltung gekommen iſt, ergiebt ſich dennoch bei näherer Betrachtung für das Reichsland eine rechtliche Stellung im Reiche, welche von derjenigen der Bundesſtaaten in den weſentlichſten Beziehungen durchaus verſchieden iſt.
durch das Geſ. v. 8. Febr. 1875 (Geſetzbl. f. Elſ.-Lothr. S. 9) iſt das Verſe- hen beſeitigt worden.
1) Geſ. v. 25. Juni 1873 § 8.
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[55/0075]
§. 6. Die Erwerbung von Elſaß-Lothringen.
Dagegen hat das Einführungsgeſetz ſelbſt die Beſtimmung
getroffen, daß dem in Art. 1 bezeichneten Bundesgebiete das Ge-
biet des Reichslandes Elſaß-Lothringen hinzutritt, daß in Elſaß-
Lothringen 15 Abgeordnete zum Reichstage gewählt werden, daß
bis auf Weiteres die in Art. 35 erwähnte Beſteuerung des in-
ländiſchen Bieres der inneren Geſetzgebung vorbehalten bleibt und
daß bis auf Weiteres die durch Art. 40 aufrecht erhaltenen Be-
ſchränkungen, welchen die Erhebung von Kommunal-Abgaben nach
Art. 5 des Zollvereinsvertrages unterliegt, auf die in Elſaß-Loth-
ringen beſtehenden Beſtimmungen über das Octroi keine Anwen-
dung finden.
Schon das Reichsgeſetz vom 9. Juni 1871 § 3 hat die An-
ordnung getroffen, daß nach Einführung der Reichsverfaſſung bis
zu anderweitiger Regelung durch Reichsgeſetz das Recht der Geſetz-
gebung auch in den der Reichsgeſetzgebung in den Bundesſtaaten
nicht unterliegenden Angelegenheiten in Elſaß-Lothringen dem Reiche
zuſteht. Dieſe Beſtimmung iſt am 1. Januar 1874 in Geltung
getreten mit der Modifikation, daß der Kaiſer unter Zuſtimmung
des Bundesrathes, während der Reichstag nicht verſammelt iſt,
Verordnungen mit geſetzlicher Kraft erlaſſen kann, welche Nichts
enthalten dürfen, was der Verfaſſung oder den in Elſaß-Lothrin-
gen geltenden Reichsgeſetzen zuwider iſt. Solche Verordnungen ſind
dem Reichstage bei deſſen nächſtem Zuſammentritt zur Genehmi-
gung vorzulegen und ſie treten außer Kraft, ſobald die Geneh-
migung verſagt wird 1).
Trotzdem die Reichsverfaſſung durch dieſe Geſetzgebungs-Acte
in Elſaß und Lothringen zur vollen und uneingeſchränkten for-
mellen Geltung gekommen iſt, ergiebt ſich dennoch bei näherer
Betrachtung für das Reichsland eine rechtliche Stellung im Reiche,
welche von derjenigen der Bundesſtaaten in den weſentlichſten
Beziehungen durchaus verſchieden iſt.
7)
1) Geſ. v. 25. Juni 1873 § 8.
7) durch das Geſ. v. 8. Febr. 1875 (Geſetzbl. f. Elſ.-Lothr. S. 9) iſt das Verſe-
hen beſeitigt worden.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/75>, abgerufen am 21.11.2024.
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