Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 62. Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen. auch solche Ortschaften, die nicht mit Deutschen Truppen belegtwaren, die sich aber im Machtbereich der letzteren befanden, waren der Herrschaft der französischen Staatsgewalt entrückt. Die Fest- stellung des Zeitpunktes, in welchem ein District aus der thatsäch- lichen Beherrschung durch die Französische Macht in die der Deut- schen Macht überging, ist eine quaestio facti. Die während des Krieges erlassenen französischen Gesetze konnten demnach in einem Theile Elsaß-Lothringens noch rechtliche Wirksamkeit erlangen, wäh- rend in einem anderen Theile dies nicht mehr möglich war. Man darf hieraus aber nicht den Schluß ziehen, daß dies in b) Die occupirten Gebiete waren während des Krieges dem 1) Vgl. v. Richthofen in Hirth's Annalen 1874 S. 534 ff.
§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen. auch ſolche Ortſchaften, die nicht mit Deutſchen Truppen belegtwaren, die ſich aber im Machtbereich der letzteren befanden, waren der Herrſchaft der franzöſiſchen Staatsgewalt entrückt. Die Feſt- ſtellung des Zeitpunktes, in welchem ein Diſtrict aus der thatſäch- lichen Beherrſchung durch die Franzöſiſche Macht in die der Deut- ſchen Macht überging, iſt eine quaestio facti. Die während des Krieges erlaſſenen franzöſiſchen Geſetze konnten demnach in einem Theile Elſaß-Lothringens noch rechtliche Wirkſamkeit erlangen, wäh- rend in einem anderen Theile dies nicht mehr möglich war. Man darf hieraus aber nicht den Schluß ziehen, daß dies in b) Die occupirten Gebiete waren während des Krieges dem 1) Vgl. v. Richthofen in Hirth’s Annalen 1874 S. 534 ff.
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§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
auch ſolche Ortſchaften, die nicht mit Deutſchen Truppen belegt
waren, die ſich aber im Machtbereich der letzteren befanden, waren
der Herrſchaft der franzöſiſchen Staatsgewalt entrückt. Die Feſt-
ſtellung des Zeitpunktes, in welchem ein Diſtrict aus der thatſäch-
lichen Beherrſchung durch die Franzöſiſche Macht in die der Deut-
ſchen Macht überging, iſt eine quaestio facti. Die während des
Krieges erlaſſenen franzöſiſchen Geſetze konnten demnach in einem
Theile Elſaß-Lothringens noch rechtliche Wirkſamkeit erlangen, wäh-
rend in einem anderen Theile dies nicht mehr möglich war.
Man darf hieraus aber nicht den Schluß ziehen, daß dies in
Wirklichkeit überall da eingetreten iſt, wo die Beſetzung durch
Deutſche Truppen noch nicht vollzogen war. Es mußten vielmehr
auch da, wo Geſetzgebungsakte Frankreichs noch an ſich möglich
waren, diejenigen Bedingungen erfüllt werden, welche das franzö-
ſiſche Recht ſelbſt für die Rechtswirkſamkeit von Geſetzen vorſchreibt,
und dahin gehört das im Code civ. Art. 1 enthaltene, oben S. 101
bereits erörterte Erforderniß der Publikation in dem Sinne, daß
die Promulgation des Geſetzes authentiſch d. h. durch Verbreitung
des Geſetzblattes bekannt werden kann. In den von den Deutſchen
Truppen cernirten Feſtungen konnte es daher einen Zeitraum geben,
in welchem die Deutſche Heeresleitung zur Ausübung der Geſetz-
gebungsbeſugniß noch nicht gelangt war, weil ſie ſich dieſe Orte
thatſächlich noch nicht unterworfen hatte, während zugleich die fran-
zöſiſchen Geſetze nicht mehr zu rechtlicher Geltung kamen, weil
die Verbindung mit dem in franzöſiſcher Gewalt verbliebenen Ge-
biete unterbrochen und dadurch die Verbreitung des authentiſchen
Geſetzes-Abdruckes in dieſen Orten verhindert war 1).
b) Die occupirten Gebiete waren während des Krieges dem
Deutſchen Staatsweſen, das erſt mit dem 1. Januar 1871
errichtet wurde, nicht unterworfen, ſondern ſie befanden ſich nur
in der militäriſchen Gewalt der verbündeten Deutſchen Heere. Der
König von Preußen als Oberbefehlshaber der Deutſchen Streit-
kräfte hatte daher in den beſetzten Gebieten nicht ſtaatsrechtliche,
ſondern völkerrechtliche Befugniſſe; er übte, ſo weit es ſich um die
Regierung der franzöſiſchen Gebiete handelte, nicht die deutſche,
ſondern die franzöſiſche Staatsgewalt aus. Daher ſind auch die
1) Vgl. v. Richthofen in Hirth’s Annalen 1874 S. 534 ff.
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