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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 64. Der Abschluß von Staatsverträgen.
giebt sich, daß diese Vertragsform niemals anwendbar ist, wenn
die in der Erklärung abgegebenen Versprechungen mit den Gesetzen
oder den Verordnungen des Kaisers, des Bundesrathes oder einer
höheren Verwaltungsinstanz im Widerspruch sich befinden oder
wenn sie Geldmittel erfordern, welche noch nicht im Staatshaus-
halts-Gesetz bewilligt sind. Da die auswärtige Regierung darüber
nur schwer eine formelle Gewißheit sich verschaffen kann, so wird
auch sie nur bei geringfügigen Gegenständen, deren Erledigung
zweifellos den Verwaltungsbehörden obliegt, auf diese Form ein-
gehen 1). Wenn diese Form aber unter dem Einverständniß beider
Staaten gewählt worden ist und wenn materiell die Minister, Ge-
sandten, Behörden u. s. w., welche die Urkunden unterzeichnet haben,
innerhalb ihrer Kompetenz gehandelt haben, so ist die Ueberein-
kunft im juristischen Sinn ein gültiger Staatsvertrag mit voller
völkerrechtlicher Wirksamkeit.

2. Die solenne Vertragsform ist die übliche. Die
Minister oder Gesandten sind zwar beauftragt, die Verhandlungen
zu führen und einen Vertragsentwurf zu vereinbaren und definitiv
festzustellen, aber sie sind regelmäßig nicht bevollmächtigt, in Ver-
tretung des Souverains Namens des Staates ein internationales
Rechtsgeschäft abzuschließen. Der Abschluß erfolgt vielmehr durch
die Ausstellung einer Urkunde, welche vom Souverain selbst unter-
schrieben, mit dem Staatssiegel versehen und von dem Minister
contrasignirt ist 2). Man nennt die Auswechslung dieser Urkunden

schlußfassung des Bundesrathes gemacht worden. Vgl. z. B. Protokolle 1874
§. 34. 1875 §. 185. §. 200. 237.
1) Wenn bei dem Austausch der Erklärungen oder bei den zwischen den
Verwaltungsbehörden getroffenen Vereinbarungen die Ratifikation des
Kaisers vorbehalten wird, so ist die Vertragsschließung eine solenne. Vgl.
z. B. die Vereinbarungen zwischen dem Generalpostamt des Nordd.
Bundes mit der Postverwaltung von Nordamerika v. 21. Okt. 1867 (B.-G.-Bl.
1868 S. 26) und mit dem Generalpostamt von England v. 25. April 1870
(B.-G.-Bl. 1870 S. 565). Eine in nicht solenner Form geschlossene Ueberein-
kunft kann in einen formellen Staatsvertrag umgewandelt werden. Ein Bei-
spiel liefert der Vertrag mit den Niederlanden v. 12. Okt. 1876, der das
Protokoll v. 17. Mai 1876 bestätigt, R.-G.-Bl. 1877 S. 539.
2) Daß auch Staatsverträge des Reiches vom Reichskanzler contrasignirt
werden müssen, entspricht ebensowohl dem völkerrechtlichen Gebrauch als den allge-
meinen Principien des constitutionellen Staatsrechts. Die Reichsverfassung
Art. 17 stellt das Erforderniß der Gegenzeichnung allerdings nur "für Anord-

§. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen.
giebt ſich, daß dieſe Vertragsform niemals anwendbar iſt, wenn
die in der Erklärung abgegebenen Verſprechungen mit den Geſetzen
oder den Verordnungen des Kaiſers, des Bundesrathes oder einer
höheren Verwaltungsinſtanz im Widerſpruch ſich befinden oder
wenn ſie Geldmittel erfordern, welche noch nicht im Staatshaus-
halts-Geſetz bewilligt ſind. Da die auswärtige Regierung darüber
nur ſchwer eine formelle Gewißheit ſich verſchaffen kann, ſo wird
auch ſie nur bei geringfügigen Gegenſtänden, deren Erledigung
zweifellos den Verwaltungsbehörden obliegt, auf dieſe Form ein-
gehen 1). Wenn dieſe Form aber unter dem Einverſtändniß beider
Staaten gewählt worden iſt und wenn materiell die Miniſter, Ge-
ſandten, Behörden u. ſ. w., welche die Urkunden unterzeichnet haben,
innerhalb ihrer Kompetenz gehandelt haben, ſo iſt die Ueberein-
kunft im juriſtiſchen Sinn ein gültiger Staatsvertrag mit voller
völkerrechtlicher Wirkſamkeit.

2. Die ſolenne Vertragsform iſt die übliche. Die
Miniſter oder Geſandten ſind zwar beauftragt, die Verhandlungen
zu führen und einen Vertragsentwurf zu vereinbaren und definitiv
feſtzuſtellen, aber ſie ſind regelmäßig nicht bevollmächtigt, in Ver-
tretung des Souverains Namens des Staates ein internationales
Rechtsgeſchäft abzuſchließen. Der Abſchluß erfolgt vielmehr durch
die Ausſtellung einer Urkunde, welche vom Souverain ſelbſt unter-
ſchrieben, mit dem Staatsſiegel verſehen und von dem Miniſter
contraſignirt iſt 2). Man nennt die Auswechslung dieſer Urkunden

ſchlußfaſſung des Bundesrathes gemacht worden. Vgl. z. B. Protokolle 1874
§. 34. 1875 §. 185. §. 200. 237.
1) Wenn bei dem Austauſch der Erklärungen oder bei den zwiſchen den
Verwaltungsbehörden getroffenen Vereinbarungen die Ratifikation des
Kaiſers vorbehalten wird, ſo iſt die Vertragsſchließung eine ſolenne. Vgl.
z. B. die Vereinbarungen zwiſchen dem Generalpoſtamt des Nordd.
Bundes mit der Poſtverwaltung von Nordamerika v. 21. Okt. 1867 (B.-G.-Bl.
1868 S. 26) und mit dem Generalpoſtamt von England v. 25. April 1870
(B.-G.-Bl. 1870 S. 565). Eine in nicht ſolenner Form geſchloſſene Ueberein-
kunft kann in einen formellen Staatsvertrag umgewandelt werden. Ein Bei-
ſpiel liefert der Vertrag mit den Niederlanden v. 12. Okt. 1876, der das
Protokoll v. 17. Mai 1876 beſtätigt, R.-G.-Bl. 1877 S. 539.
2) Daß auch Staatsverträge des Reiches vom Reichskanzler contraſignirt
werden müſſen, entſpricht ebenſowohl dem völkerrechtlichen Gebrauch als den allge-
meinen Principien des conſtitutionellen Staatsrechts. Die Reichsverfaſſung
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[183/0197] §. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen. giebt ſich, daß dieſe Vertragsform niemals anwendbar iſt, wenn die in der Erklärung abgegebenen Verſprechungen mit den Geſetzen oder den Verordnungen des Kaiſers, des Bundesrathes oder einer höheren Verwaltungsinſtanz im Widerſpruch ſich befinden oder wenn ſie Geldmittel erfordern, welche noch nicht im Staatshaus- halts-Geſetz bewilligt ſind. Da die auswärtige Regierung darüber nur ſchwer eine formelle Gewißheit ſich verſchaffen kann, ſo wird auch ſie nur bei geringfügigen Gegenſtänden, deren Erledigung zweifellos den Verwaltungsbehörden obliegt, auf dieſe Form ein- gehen 1). Wenn dieſe Form aber unter dem Einverſtändniß beider Staaten gewählt worden iſt und wenn materiell die Miniſter, Ge- ſandten, Behörden u. ſ. w., welche die Urkunden unterzeichnet haben, innerhalb ihrer Kompetenz gehandelt haben, ſo iſt die Ueberein- kunft im juriſtiſchen Sinn ein gültiger Staatsvertrag mit voller völkerrechtlicher Wirkſamkeit. 2. Die ſolenne Vertragsform iſt die übliche. Die Miniſter oder Geſandten ſind zwar beauftragt, die Verhandlungen zu führen und einen Vertragsentwurf zu vereinbaren und definitiv feſtzuſtellen, aber ſie ſind regelmäßig nicht bevollmächtigt, in Ver- tretung des Souverains Namens des Staates ein internationales Rechtsgeſchäft abzuſchließen. Der Abſchluß erfolgt vielmehr durch die Ausſtellung einer Urkunde, welche vom Souverain ſelbſt unter- ſchrieben, mit dem Staatsſiegel verſehen und von dem Miniſter contraſignirt iſt 2). Man nennt die Auswechslung dieſer Urkunden 3) 1) Wenn bei dem Austauſch der Erklärungen oder bei den zwiſchen den Verwaltungsbehörden getroffenen Vereinbarungen die Ratifikation des Kaiſers vorbehalten wird, ſo iſt die Vertragsſchließung eine ſolenne. Vgl. z. B. die Vereinbarungen zwiſchen dem Generalpoſtamt des Nordd. Bundes mit der Poſtverwaltung von Nordamerika v. 21. Okt. 1867 (B.-G.-Bl. 1868 S. 26) und mit dem Generalpoſtamt von England v. 25. April 1870 (B.-G.-Bl. 1870 S. 565). Eine in nicht ſolenner Form geſchloſſene Ueberein- kunft kann in einen formellen Staatsvertrag umgewandelt werden. Ein Bei- ſpiel liefert der Vertrag mit den Niederlanden v. 12. Okt. 1876, der das Protokoll v. 17. Mai 1876 beſtätigt, R.-G.-Bl. 1877 S. 539. 2) Daß auch Staatsverträge des Reiches vom Reichskanzler contraſignirt werden müſſen, entſpricht ebenſowohl dem völkerrechtlichen Gebrauch als den allge- meinen Principien des conſtitutionellen Staatsrechts. Die Reichsverfaſſung Art. 17 ſtellt das Erforderniß der Gegenzeichnung allerdings nur „für Anord- 3) ſchlußfaſſung des Bundesrathes gemacht worden. Vgl. z. B. Protokolle 1874 §. 34. 1875 §. 185. §. 200. 237.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/197>, abgerufen am 23.11.2024.