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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 71. Die Verwaltung der Post und Telegraphie.
sendung innerhalb des Reichsgebietes (Reichspostgebiet, Bayern,
Würtemberg) ausgeführt wird, aber das Gebiet von mindestens
zwei Verwaltungen berührt. Jedoch werden auch die Oesterreichisch-
Ungarische Monarchie 1) und das Großherzogthum Luxemburg 2)
als Gebiete des Wechselverkehrs angesehen; auch hinsichtlich der
Telegraphie besteht mit den erwähnten Staaten eine engere Ver-
einigung 3).

c) Der Durchgangsverkehr, umfaßt die Postsendungen,
welche zwischen den Gebieten des Wechselverkehrs und fremden
Staaten oder im Verkehr fremder Staaten unter sich vorkommen,
insofern die Sendungen mindestens zwei Gebiete des Wechsel-
verkehrs berühren. Durch Errichtung des "allgemeinen Postvereines"
ist hinsichtlich der im Art. 2 des Berner Vertrages v. 9 Oktob.
1874 aufgeführten Sendungen der Unterschied zwischen dem Durch-
gangsverkehr und dem Wechselverkehr außerordentlich vermindert
worden 4).

II. Allgemeine Gesichtspunkte.

Der Betrieb der Post und Telegraphie Seitens des Reiches
enthält an und für sich keine Bethätigung eines staatlichen Hoheits-
rechtes d. h. einer Herrschaft über Land und Leute. Es giebt
Staaten, in welchen gewisse Zweige der Geschäftsthätigkeit, die in
Deutschland die Post betreibt, von der öffentlichen Post ganz aus-
geschlossen sind, z. B. die Beförderung von Personen und von
Packeten. Begrifflich könnte der Staat auch die Beförderung von
Briefen und Zeitungen der Privatindustrie überlassen, d. h. auf
den Betrieb des Postgewerbes ganz verzichten, ohne daß er da-
durch ein staatliches Hoheitsrecht aufopferte 5). Damit soll nicht

1) Oesterr.-Ungar. Postvertrag v. 7. Mai 1872 Art. 1.
2) Postvertrag mit Luxemburg v. 12. Juni 1872 Art. 1 (R.-G.-Bl. 1872
S. 339).
3) Berner Telegraphen-Vertrag mit Oesterreich-Ungarn und mit
den Niederlanden vom 5. Oktober 1871 (Telegr.-Amtsbl. 1872 S. 27 ff.
S. 30 ff.) und Telegraphen-Vertrag mit Luxemburg v. 20. Juni 1872
(ebend. S. 93).
4) Der internationale Telegraphen-Verkehr ist durch den auf der Tele-
graphen-Conferenz zu Rom vereinbarten Vertrag vom 14. Januar 1872 und
den Petersburger Vertrag von 10./22. Juli 1875 geregelt.
5) Dasselbe gilt von der Telegraphie. So ist z. B. in England erst durch

§. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie.
ſendung innerhalb des Reichsgebietes (Reichspoſtgebiet, Bayern,
Würtemberg) ausgeführt wird, aber das Gebiet von mindeſtens
zwei Verwaltungen berührt. Jedoch werden auch die Oeſterreichiſch-
Ungariſche Monarchie 1) und das Großherzogthum Luxemburg 2)
als Gebiete des Wechſelverkehrs angeſehen; auch hinſichtlich der
Telegraphie beſteht mit den erwähnten Staaten eine engere Ver-
einigung 3).

c) Der Durchgangsverkehr, umfaßt die Poſtſendungen,
welche zwiſchen den Gebieten des Wechſelverkehrs und fremden
Staaten oder im Verkehr fremder Staaten unter ſich vorkommen,
inſofern die Sendungen mindeſtens zwei Gebiete des Wechſel-
verkehrs berühren. Durch Errichtung des „allgemeinen Poſtvereines“
iſt hinſichtlich der im Art. 2 des Berner Vertrages v. 9 Oktob.
1874 aufgeführten Sendungen der Unterſchied zwiſchen dem Durch-
gangsverkehr und dem Wechſelverkehr außerordentlich vermindert
worden 4).

II. Allgemeine Geſichtspunkte.

Der Betrieb der Poſt und Telegraphie Seitens des Reiches
enthält an und für ſich keine Bethätigung eines ſtaatlichen Hoheits-
rechtes d. h. einer Herrſchaft über Land und Leute. Es giebt
Staaten, in welchen gewiſſe Zweige der Geſchäftsthätigkeit, die in
Deutſchland die Poſt betreibt, von der öffentlichen Poſt ganz aus-
geſchloſſen ſind, z. B. die Beförderung von Perſonen und von
Packeten. Begrifflich könnte der Staat auch die Beförderung von
Briefen und Zeitungen der Privatinduſtrie überlaſſen, d. h. auf
den Betrieb des Poſtgewerbes ganz verzichten, ohne daß er da-
durch ein ſtaatliches Hoheitsrecht aufopferte 5). Damit ſoll nicht

1) Oeſterr.-Ungar. Poſtvertrag v. 7. Mai 1872 Art. 1.
2) Poſtvertrag mit Luxemburg v. 12. Juni 1872 Art. 1 (R.-G.-Bl. 1872
S. 339).
3) Berner Telegraphen-Vertrag mit Oeſterreich-Ungarn und mit
den Niederlanden vom 5. Oktober 1871 (Telegr.-Amtsbl. 1872 S. 27 ff.
S. 30 ff.) und Telegraphen-Vertrag mit Luxemburg v. 20. Juni 1872
(ebend. S. 93).
4) Der internationale Telegraphen-Verkehr iſt durch den auf der Tele-
graphen-Conferenz zu Rom vereinbarten Vertrag vom 14. Januar 1872 und
den Petersburger Vertrag von 10./22. Juli 1875 geregelt.
5) Daſſelbe gilt von der Telegraphie. So iſt z. B. in England erſt durch
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[294/0308] §. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie. ſendung innerhalb des Reichsgebietes (Reichspoſtgebiet, Bayern, Würtemberg) ausgeführt wird, aber das Gebiet von mindeſtens zwei Verwaltungen berührt. Jedoch werden auch die Oeſterreichiſch- Ungariſche Monarchie 1) und das Großherzogthum Luxemburg 2) als Gebiete des Wechſelverkehrs angeſehen; auch hinſichtlich der Telegraphie beſteht mit den erwähnten Staaten eine engere Ver- einigung 3). c) Der Durchgangsverkehr, umfaßt die Poſtſendungen, welche zwiſchen den Gebieten des Wechſelverkehrs und fremden Staaten oder im Verkehr fremder Staaten unter ſich vorkommen, inſofern die Sendungen mindeſtens zwei Gebiete des Wechſel- verkehrs berühren. Durch Errichtung des „allgemeinen Poſtvereines“ iſt hinſichtlich der im Art. 2 des Berner Vertrages v. 9 Oktob. 1874 aufgeführten Sendungen der Unterſchied zwiſchen dem Durch- gangsverkehr und dem Wechſelverkehr außerordentlich vermindert worden 4). II. Allgemeine Geſichtspunkte. Der Betrieb der Poſt und Telegraphie Seitens des Reiches enthält an und für ſich keine Bethätigung eines ſtaatlichen Hoheits- rechtes d. h. einer Herrſchaft über Land und Leute. Es giebt Staaten, in welchen gewiſſe Zweige der Geſchäftsthätigkeit, die in Deutſchland die Poſt betreibt, von der öffentlichen Poſt ganz aus- geſchloſſen ſind, z. B. die Beförderung von Perſonen und von Packeten. Begrifflich könnte der Staat auch die Beförderung von Briefen und Zeitungen der Privatinduſtrie überlaſſen, d. h. auf den Betrieb des Poſtgewerbes ganz verzichten, ohne daß er da- durch ein ſtaatliches Hoheitsrecht aufopferte 5). Damit ſoll nicht 1) Oeſterr.-Ungar. Poſtvertrag v. 7. Mai 1872 Art. 1. 2) Poſtvertrag mit Luxemburg v. 12. Juni 1872 Art. 1 (R.-G.-Bl. 1872 S. 339). 3) Berner Telegraphen-Vertrag mit Oeſterreich-Ungarn und mit den Niederlanden vom 5. Oktober 1871 (Telegr.-Amtsbl. 1872 S. 27 ff. S. 30 ff.) und Telegraphen-Vertrag mit Luxemburg v. 20. Juni 1872 (ebend. S. 93). 4) Der internationale Telegraphen-Verkehr iſt durch den auf der Tele- graphen-Conferenz zu Rom vereinbarten Vertrag vom 14. Januar 1872 und den Petersburger Vertrag von 10./22. Juli 1875 geregelt. 5) Daſſelbe gilt von der Telegraphie. So iſt z. B. in England erſt durch

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/308>, abgerufen am 23.11.2024.