Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 74. Die Verwaltung des Münzwesens. Werthobjecten braucht er nur anzunehmen, wenn er will. DieEigenschaft einer Sache als Geld ist eine rein juristische und beruht deshalb auch ausschließlich auf einer Rechtsregel (Ge- setz oder Gewohnheitsrecht). Der wirthschaftliche Werth, die so- genannte Kaufkraft oder der Tauschwerth, kommt bei dem Rechts- begriff des Geldes gar nicht in Betracht. Der Gesetzgeber kann ihn gar nicht normiren; er kann ihn bei keiner Sache erhöhen oder ver- mindern, auch nicht bei dem Edelmetall durch Aufdrücken des Präge- stempels; denn dieser Werth wird durch thatsächliche Verhält- nisse, nicht durch Rechtssätze bestimmt 1). Der Gesetzgeber kann und will vielmehr nur den Zahlungswerth im Inlande fest- setzen. Die Eigenschaft eines Zahlungsmittels kann der Gesetzgeber aber andererseits an jedes beliebige Substrat anknüpfen; er kann zum Gelde erklären, was er will; wenn in den Kulturstaaten regel- mäßig nur edle Metalle mit dieser rechtlichen Eigenschaft ausgestattet werden, so beruht dies nicht auf dem juristischen Begriffe des Geldes, sondern auf volkswirthschaftlichen und technischen Gründen. Zum Begriffe des Geldes gehört deshalb ebensowenig die Ganz und gar nicht entscheidend ist ferner die thatsäch- 1) Der Tauschwerth des inländischen Geldes kommt zur Erscheinung theils durch den Kurs desselben im Auslande, theils durch den Preis der Waaren, zu welchen auch ausländische Münzen gehören, im Inlande. Die Vorstellung, als könnte der Staat den Tauschwerth irgend einer Sache durch seinen Willen fixiren, ihn z. B. einem Stücke Gold beilegen, ist eine sehr naive, trotzdem aber in der Literatur über das Geldwesen noch immer sehr ver- breitete. Sie trägt ganz besonders die Schuld an der Verwirrung dieser Theorie. 2) d. h. gestattete Abweichungung vom Normalgewichte. 3) Ob ein Thaler seinem Normalgewichte genau entspricht oder ob er 10
Promille mehr oder weniger wiegt -- sein Geldwerth, d. h. gesetzlicher Zah- lungswerth ist derselbe. §. 74. Die Verwaltung des Münzweſens. Werthobjecten braucht er nur anzunehmen, wenn er will. DieEigenſchaft einer Sache als Geld iſt eine rein juriſtiſche und beruht deshalb auch ausſchließlich auf einer Rechtsregel (Ge- ſetz oder Gewohnheitsrecht). Der wirthſchaftliche Werth, die ſo- genannte Kaufkraft oder der Tauſchwerth, kommt bei dem Rechts- begriff des Geldes gar nicht in Betracht. Der Geſetzgeber kann ihn gar nicht normiren; er kann ihn bei keiner Sache erhöhen oder ver- mindern, auch nicht bei dem Edelmetall durch Aufdrücken des Präge- ſtempels; denn dieſer Werth wird durch thatſächliche Verhält- niſſe, nicht durch Rechtsſätze beſtimmt 1). Der Geſetzgeber kann und will vielmehr nur den Zahlungswerth im Inlande feſt- ſetzen. Die Eigenſchaft eines Zahlungsmittels kann der Geſetzgeber aber andererſeits an jedes beliebige Subſtrat anknüpfen; er kann zum Gelde erklären, was er will; wenn in den Kulturſtaaten regel- mäßig nur edle Metalle mit dieſer rechtlichen Eigenſchaft ausgeſtattet werden, ſo beruht dies nicht auf dem juriſtiſchen Begriffe des Geldes, ſondern auf volkswirthſchaftlichen und techniſchen Gründen. Zum Begriffe des Geldes gehört deshalb ebenſowenig die Ganz und gar nicht entſcheidend iſt ferner die thatſäch- 1) Der Tauſchwerth des inländiſchen Geldes kommt zur Erſcheinung theils durch den Kurs deſſelben im Auslande, theils durch den Preis der Waaren, zu welchen auch ausländiſche Münzen gehören, im Inlande. Die Vorſtellung, als könnte der Staat den Tauſchwerth irgend einer Sache durch ſeinen Willen fixiren, ihn z. B. einem Stücke Gold beilegen, iſt eine ſehr naive, trotzdem aber in der Literatur über das Geldweſen noch immer ſehr ver- breitete. Sie trägt ganz beſonders die Schuld an der Verwirrung dieſer Theorie. 2) d. h. geſtattete Abweichungung vom Normalgewichte. 3) Ob ein Thaler ſeinem Normalgewichte genau entſpricht oder ob er 10
Promille mehr oder weniger wiegt — ſein Geldwerth, d. h. geſetzlicher Zah- lungswerth iſt derſelbe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0427" n="413"/><fw place="top" type="header">§. 74. Die Verwaltung des Münzweſens.</fw><lb/> Werthobjecten braucht er nur anzunehmen, wenn er <hi rendition="#g">will</hi>. Die<lb/> Eigenſchaft einer Sache als Geld iſt eine <hi rendition="#g">rein juriſtiſche</hi> und<lb/> beruht deshalb auch <hi rendition="#g">ausſchließlich</hi> auf einer Rechtsregel (Ge-<lb/> ſetz oder Gewohnheitsrecht). Der wirthſchaftliche Werth, die ſo-<lb/> genannte Kaufkraft oder der Tauſchwerth, kommt bei dem Rechts-<lb/> begriff des Geldes gar nicht in Betracht. Der Geſetzgeber <hi rendition="#g">kann</hi><lb/> ihn gar nicht normiren; er kann ihn bei keiner Sache erhöhen oder ver-<lb/> mindern, auch nicht bei dem Edelmetall durch Aufdrücken des Präge-<lb/> ſtempels; denn dieſer Werth wird durch <hi rendition="#g">thatſächliche</hi> Verhält-<lb/> niſſe, nicht durch Rechtsſätze beſtimmt <note place="foot" n="1)">Der <hi rendition="#g">Tauſchwerth</hi> des inländiſchen Geldes kommt zur Erſcheinung<lb/> theils durch den <hi rendition="#g">Kurs</hi> deſſelben im Auslande, theils durch den <hi rendition="#g">Preis der<lb/> Waaren</hi>, zu welchen auch ausländiſche Münzen gehören, im Inlande. Die<lb/> Vorſtellung, als könnte der Staat den Tauſchwerth irgend einer Sache durch<lb/> ſeinen Willen fixiren, ihn z. B. einem Stücke Gold beilegen, iſt eine ſehr<lb/> naive, trotzdem aber in der Literatur über das Geldweſen noch immer ſehr ver-<lb/> breitete. Sie trägt ganz beſonders die Schuld an der Verwirrung dieſer Theorie.</note>. Der Geſetzgeber <hi rendition="#g">kann</hi> und<lb/><hi rendition="#g">will</hi> vielmehr nur den <hi rendition="#g">Zahlungswerth im Inlande</hi> feſt-<lb/> ſetzen. Die Eigenſchaft eines Zahlungsmittels kann der Geſetzgeber<lb/> aber andererſeits an jedes beliebige Subſtrat anknüpfen; er kann<lb/> zum Gelde erklären, was er will; wenn in den Kulturſtaaten regel-<lb/> mäßig nur edle Metalle mit dieſer rechtlichen Eigenſchaft ausgeſtattet<lb/> werden, ſo beruht dies nicht auf dem juriſtiſchen Begriffe des Geldes,<lb/> ſondern auf volkswirthſchaftlichen und techniſchen Gründen.</p><lb/> <p>Zum Begriffe des Geldes gehört deshalb ebenſowenig die<lb/> ſtaatliche <hi rendition="#g">Beglaubigung</hi> des Metallgehaltes eines Stückes. Ein<lb/> geeichter Goldbarren iſt kein Geld und andererſeits ſind Münzen<lb/> mit ſehr ausgedehnter Toleranz <note place="foot" n="2)">d. h. geſtattete Abweichungung vom Normalgewichte.</note>, bei denen der Metallgehalt der<lb/> einzelnen Stücke ein ſehr verſchiedener ſein kann, dennoch Geld,<lb/> wofern ſie nur geſetzliches Zahlungsmittel ſind <note place="foot" n="3)">Ob ein Thaler ſeinem Normalgewichte genau entſpricht oder ob er 10<lb/> Promille mehr oder weniger wiegt — ſein Geldwerth, d. h. geſetzlicher Zah-<lb/> lungswerth iſt derſelbe.</note>.</p><lb/> <p>Ganz und gar nicht entſcheidend iſt ferner die <hi rendition="#g">thatſäch-<lb/> liche</hi> Cirkulation und Verwendung zu Zahlungen. Die Goldkro-<lb/> nen waren Geld, obgleich ſie nicht cirkulirten, und ausländiſche<lb/> Münzen ſind im Inlande kein Geld, wenngleich ſie thatſächlich<lb/> vielfach als Zahlungsmittel Verwendung finden. Nicht das, was<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [413/0427]
§. 74. Die Verwaltung des Münzweſens.
Werthobjecten braucht er nur anzunehmen, wenn er will. Die
Eigenſchaft einer Sache als Geld iſt eine rein juriſtiſche und
beruht deshalb auch ausſchließlich auf einer Rechtsregel (Ge-
ſetz oder Gewohnheitsrecht). Der wirthſchaftliche Werth, die ſo-
genannte Kaufkraft oder der Tauſchwerth, kommt bei dem Rechts-
begriff des Geldes gar nicht in Betracht. Der Geſetzgeber kann
ihn gar nicht normiren; er kann ihn bei keiner Sache erhöhen oder ver-
mindern, auch nicht bei dem Edelmetall durch Aufdrücken des Präge-
ſtempels; denn dieſer Werth wird durch thatſächliche Verhält-
niſſe, nicht durch Rechtsſätze beſtimmt 1). Der Geſetzgeber kann und
will vielmehr nur den Zahlungswerth im Inlande feſt-
ſetzen. Die Eigenſchaft eines Zahlungsmittels kann der Geſetzgeber
aber andererſeits an jedes beliebige Subſtrat anknüpfen; er kann
zum Gelde erklären, was er will; wenn in den Kulturſtaaten regel-
mäßig nur edle Metalle mit dieſer rechtlichen Eigenſchaft ausgeſtattet
werden, ſo beruht dies nicht auf dem juriſtiſchen Begriffe des Geldes,
ſondern auf volkswirthſchaftlichen und techniſchen Gründen.
Zum Begriffe des Geldes gehört deshalb ebenſowenig die
ſtaatliche Beglaubigung des Metallgehaltes eines Stückes. Ein
geeichter Goldbarren iſt kein Geld und andererſeits ſind Münzen
mit ſehr ausgedehnter Toleranz 2), bei denen der Metallgehalt der
einzelnen Stücke ein ſehr verſchiedener ſein kann, dennoch Geld,
wofern ſie nur geſetzliches Zahlungsmittel ſind 3).
Ganz und gar nicht entſcheidend iſt ferner die thatſäch-
liche Cirkulation und Verwendung zu Zahlungen. Die Goldkro-
nen waren Geld, obgleich ſie nicht cirkulirten, und ausländiſche
Münzen ſind im Inlande kein Geld, wenngleich ſie thatſächlich
vielfach als Zahlungsmittel Verwendung finden. Nicht das, was
1) Der Tauſchwerth des inländiſchen Geldes kommt zur Erſcheinung
theils durch den Kurs deſſelben im Auslande, theils durch den Preis der
Waaren, zu welchen auch ausländiſche Münzen gehören, im Inlande. Die
Vorſtellung, als könnte der Staat den Tauſchwerth irgend einer Sache durch
ſeinen Willen fixiren, ihn z. B. einem Stücke Gold beilegen, iſt eine ſehr
naive, trotzdem aber in der Literatur über das Geldweſen noch immer ſehr ver-
breitete. Sie trägt ganz beſonders die Schuld an der Verwirrung dieſer Theorie.
2) d. h. geſtattete Abweichungung vom Normalgewichte.
3) Ob ein Thaler ſeinem Normalgewichte genau entſpricht oder ob er 10
Promille mehr oder weniger wiegt — ſein Geldwerth, d. h. geſetzlicher Zah-
lungswerth iſt derſelbe.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |