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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 74. Die Verwaltung des Münzwesens.
Staatskasse zu erzielen, tritt das wahre Verhältniß trotz aller an
hergebrachten scholastischen Begriffen hängenden Theorien zu Tage.

Der Staat kann auf die Herstellung vou Münzen ver-
zichten, ohne ein Hoheitsrecht Preis zu geben und ohne irgend
eine seiner Aufgaben unerfüllt zu lassen. Der Staat kann sich
darauf beschränken, fremde Münzen zum gesetzlichen Zahlungs-
mittel, also zum Gelde, zu erklären, was in Deutschland vielfach
geschehen ist, besonders durch Gewohnheitsrecht. Es hat ferner in
Deutschland zahlreiche Staaten gegeben, welche keine Münzfabriken
hatten, sondern welche entweder zeitweise gar nicht ausmünzen
ließen, oder welche die Herstellung von Münzen bei auswärtigen
Prägeanstalten gegen Bezahlung bestellten. Dagegen hat es keinen
deutschen Staat gegeben ohne Münzsystem, d. h. ohne Regelung
der Währung u. s. w. durch Rechtssätze. Der Staat könnte es
der Privat-Industrie überlassen Münzen herzustellen, wie er es
ihr überläßt, Maaße und Gewichte herzustellen, und sich auf eine
Eichung der Münzen oder auf eine Controle der Münzfabriken
beschränken.

Der Staat kann andererseits im Auftrage von Privatpersonen
und gegen Bezahlung die Herstellung von Münzen übernehmen,
wie er für sie Güter befördert oder ihre Wechsel diskontirt; wäh-
rend er seine Hoheitsrechte doch nur im öffentlichen und staatlichen
Interesse, nicht auf Bestellung von Privatpersonen gegen Vergü-
tung auszuüben vermag.

3. Auf dem Gegensatz der beiden einander gegenüberstehenden
Begriffe beruht die staatsrechtliche Gestaltung des heutigen
deutschen Münzwesens und ihre Eigenartigkeit; auf ihm die Ab-
gränzung der Kompetenz zwischen Reich und Einzelstaaten. Man
kann das oberste Prinzip in dem einen Satz zusammenfassen: Das
Reich hat die ausschließliche Befugniß zur Rege-
lung des Münzsystems (Münzhoheit), die Einzel-
staaten haben dagegen die Befugniß zur Prä-
gung von Reichsmünzen (Münzmonopol)
.

Diese Trennung von Münzhoheit und Münzmonopol ist für
die Münzverfassung des deutschen Reiches charakteristisch und findet
vielleicht in keinem andern Staate ihres Gleichen. Auf ihr beruht
es, daß es in Deutschland im juristischen Sinne keine Landes-
münzen, sondern nur Reichsmünzen giebt, daß Deutschland ein

§. 74. Die Verwaltung des Münzweſens.
Staatskaſſe zu erzielen, tritt das wahre Verhältniß trotz aller an
hergebrachten ſcholaſtiſchen Begriffen hängenden Theorien zu Tage.

Der Staat kann auf die Herſtellung vou Münzen ver-
zichten, ohne ein Hoheitsrecht Preis zu geben und ohne irgend
eine ſeiner Aufgaben unerfüllt zu laſſen. Der Staat kann ſich
darauf beſchränken, fremde Münzen zum geſetzlichen Zahlungs-
mittel, alſo zum Gelde, zu erklären, was in Deutſchland vielfach
geſchehen iſt, beſonders durch Gewohnheitsrecht. Es hat ferner in
Deutſchland zahlreiche Staaten gegeben, welche keine Münzfabriken
hatten, ſondern welche entweder zeitweiſe gar nicht ausmünzen
ließen, oder welche die Herſtellung von Münzen bei auswärtigen
Prägeanſtalten gegen Bezahlung beſtellten. Dagegen hat es keinen
deutſchen Staat gegeben ohne Münzſyſtem, d. h. ohne Regelung
der Währung u. ſ. w. durch Rechtsſätze. Der Staat könnte es
der Privat-Induſtrie überlaſſen Münzen herzuſtellen, wie er es
ihr überläßt, Maaße und Gewichte herzuſtellen, und ſich auf eine
Eichung der Münzen oder auf eine Controle der Münzfabriken
beſchränken.

Der Staat kann andererſeits im Auftrage von Privatperſonen
und gegen Bezahlung die Herſtellung von Münzen übernehmen,
wie er für ſie Güter befördert oder ihre Wechſel diskontirt; wäh-
rend er ſeine Hoheitsrechte doch nur im öffentlichen und ſtaatlichen
Intereſſe, nicht auf Beſtellung von Privatperſonen gegen Vergü-
tung auszuüben vermag.

3. Auf dem Gegenſatz der beiden einander gegenüberſtehenden
Begriffe beruht die ſtaatsrechtliche Geſtaltung des heutigen
deutſchen Münzweſens und ihre Eigenartigkeit; auf ihm die Ab-
gränzung der Kompetenz zwiſchen Reich und Einzelſtaaten. Man
kann das oberſte Prinzip in dem einen Satz zuſammenfaſſen: Das
Reich hat die ausſchließliche Befugniß zur Rege-
lung des Münzſyſtems (Münzhoheit), die Einzel-
ſtaaten haben dagegen die Befugniß zur Prä-
gung von Reichsmünzen (Münzmonopol)
.

Dieſe Trennung von Münzhoheit und Münzmonopol iſt für
die Münzverfaſſung des deutſchen Reiches charakteriſtiſch und findet
vielleicht in keinem andern Staate ihres Gleichen. Auf ihr beruht
es, daß es in Deutſchland im juriſtiſchen Sinne keine Landes-
münzen, ſondern nur Reichsmünzen giebt, daß Deutſchland ein

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[415/0429] §. 74. Die Verwaltung des Münzweſens. Staatskaſſe zu erzielen, tritt das wahre Verhältniß trotz aller an hergebrachten ſcholaſtiſchen Begriffen hängenden Theorien zu Tage. Der Staat kann auf die Herſtellung vou Münzen ver- zichten, ohne ein Hoheitsrecht Preis zu geben und ohne irgend eine ſeiner Aufgaben unerfüllt zu laſſen. Der Staat kann ſich darauf beſchränken, fremde Münzen zum geſetzlichen Zahlungs- mittel, alſo zum Gelde, zu erklären, was in Deutſchland vielfach geſchehen iſt, beſonders durch Gewohnheitsrecht. Es hat ferner in Deutſchland zahlreiche Staaten gegeben, welche keine Münzfabriken hatten, ſondern welche entweder zeitweiſe gar nicht ausmünzen ließen, oder welche die Herſtellung von Münzen bei auswärtigen Prägeanſtalten gegen Bezahlung beſtellten. Dagegen hat es keinen deutſchen Staat gegeben ohne Münzſyſtem, d. h. ohne Regelung der Währung u. ſ. w. durch Rechtsſätze. Der Staat könnte es der Privat-Induſtrie überlaſſen Münzen herzuſtellen, wie er es ihr überläßt, Maaße und Gewichte herzuſtellen, und ſich auf eine Eichung der Münzen oder auf eine Controle der Münzfabriken beſchränken. Der Staat kann andererſeits im Auftrage von Privatperſonen und gegen Bezahlung die Herſtellung von Münzen übernehmen, wie er für ſie Güter befördert oder ihre Wechſel diskontirt; wäh- rend er ſeine Hoheitsrechte doch nur im öffentlichen und ſtaatlichen Intereſſe, nicht auf Beſtellung von Privatperſonen gegen Vergü- tung auszuüben vermag. 3. Auf dem Gegenſatz der beiden einander gegenüberſtehenden Begriffe beruht die ſtaatsrechtliche Geſtaltung des heutigen deutſchen Münzweſens und ihre Eigenartigkeit; auf ihm die Ab- gränzung der Kompetenz zwiſchen Reich und Einzelſtaaten. Man kann das oberſte Prinzip in dem einen Satz zuſammenfaſſen: Das Reich hat die ausſchließliche Befugniß zur Rege- lung des Münzſyſtems (Münzhoheit), die Einzel- ſtaaten haben dagegen die Befugniß zur Prä- gung von Reichsmünzen (Münzmonopol). Dieſe Trennung von Münzhoheit und Münzmonopol iſt für die Münzverfaſſung des deutſchen Reiches charakteriſtiſch und findet vielleicht in keinem andern Staate ihres Gleichen. Auf ihr beruht es, daß es in Deutſchland im juriſtiſchen Sinne keine Landes- münzen, ſondern nur Reichsmünzen giebt, daß Deutſchland ein

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/429>, abgerufen am 25.11.2024.