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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 76. Die Verwaltung des Gewerbewesens.
Der Reichskanzler bestellt für jedes Seeamt einen Kommis-
sar
, welcher Anträge an das Seeamt oder seinen Vorsitzenden zu
stellen, den Verhandlungen des Seeamtes beizuwohnen, Einsicht
von den Akten zu nehmen und für den Fall, daß der Vorsitzende
die Einleitung einer Untersuchung verweigert, Anträge auf Anord-
nung einer Untersuchung bei dem Reichskanzler zu stellen, berechtigt
ist. Dieselbe Person kann für mehrere Seeämter als Kommissar
bestellt werden 1). Auf Antrag des Reichskommissars kann, wenn
sich ergiebt, daß ein deutscher Schiffer oder Steuermann in Folge
des Mangels solcher Eigenschaften, welche zur Ausübung seines Ge-
werbes erforderlich sind, den Unfall oder dessen Folgen verschuldet
hat, demselben durch den Spruch des Seeamtes über die Ursachen
des Seeunfalles zugleich die Befugniß zur Ausübung seines Ge-
werbes entzogen werden. Einem Schiffer, dem die Befugniß ent-
zogen wird, kann nach Ermessen des Seeamtes auch die Ausübung
des Steuermannsgewerbes untersagt werden 2).

Gegen den Spruch des Seeamtes steht das Rechtsmittel der
Beschwerde an das Ober-Seeamt dem Schiffer oder Steuermann
zu, wenn der Spruch auf Entziehung der Befugniß zur Ausübung
des Gewerbes lautet; andererseits dem Reichskommissar, wenn das
Seeamt einem hierauf gerichteten Antrage desselben nicht Folge
gegeben hat 3).

Das Ober-Seeamt ist eine kollegiale Reichsbehörde. Es

Seeamtes enthält das Gesetz in den §§. 7--12. Auf das Verfahren finden
im Allgemeinen die Bestimmungen des Gerichtsverfassungs-Gesetzes und der
Strafproceß-Ordn. Anwendung. §. 19. Jedoch findet die Anordnung der
Haft zur Erzwingung eines Zeugnisses nicht statt. Vgl. Stenogr. Ber. a. a. O.
S. 878 fg.
1) a. a. O. §. 13.
2) a. a. O. §. 26. Wegen dieses Resultates, zu welchem die Untersuchung
des Seeamtes führen kann, ist dem Schiffer und dem Steuermann während
des Verfahrens eine Rolle zuertheilt, welche ihnen die Möglichkeit einer Ver-
theidigung gewährt und die deshalb mit der des Beschuldigten im Strafver-
fahren einige Aehnlichkeit hat. Insbesondere können sie Anträge stellen, über
welche das Seeamt zu befinden hat, an die zur Vernehmung erschienenen Per-
sonen unmittelbar Fragen richten, auch sich eines rechts- oder sachkundigen Bei-
standes bedienen. Ges. §. 22. Vgl. Kommissionsbericht S. 3 fg. 14 fg.
3) §§. 27. 28 des Gesetzes enthalten die näheren Vorschriften über Ein-
legung und Rechtfertigung der Beschwerde, welche der Regel nach eine auf-
schiebende Wirkung nicht hat.
Laband, Reichsstaatsrecht. II. 30

§. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens.
Der Reichskanzler beſtellt für jedes Seeamt einen Kommiſ-
ſar
, welcher Anträge an das Seeamt oder ſeinen Vorſitzenden zu
ſtellen, den Verhandlungen des Seeamtes beizuwohnen, Einſicht
von den Akten zu nehmen und für den Fall, daß der Vorſitzende
die Einleitung einer Unterſuchung verweigert, Anträge auf Anord-
nung einer Unterſuchung bei dem Reichskanzler zu ſtellen, berechtigt
iſt. Dieſelbe Perſon kann für mehrere Seeämter als Kommiſſar
beſtellt werden 1). Auf Antrag des Reichskommiſſars kann, wenn
ſich ergiebt, daß ein deutſcher Schiffer oder Steuermann in Folge
des Mangels ſolcher Eigenſchaften, welche zur Ausübung ſeines Ge-
werbes erforderlich ſind, den Unfall oder deſſen Folgen verſchuldet
hat, demſelben durch den Spruch des Seeamtes über die Urſachen
des Seeunfalles zugleich die Befugniß zur Ausübung ſeines Ge-
werbes entzogen werden. Einem Schiffer, dem die Befugniß ent-
zogen wird, kann nach Ermeſſen des Seeamtes auch die Ausübung
des Steuermannsgewerbes unterſagt werden 2).

Gegen den Spruch des Seeamtes ſteht das Rechtsmittel der
Beſchwerde an das Ober-Seeamt dem Schiffer oder Steuermann
zu, wenn der Spruch auf Entziehung der Befugniß zur Ausübung
des Gewerbes lautet; andererſeits dem Reichskommiſſar, wenn das
Seeamt einem hierauf gerichteten Antrage deſſelben nicht Folge
gegeben hat 3).

Das Ober-Seeamt iſt eine kollegiale Reichsbehörde. Es

Seeamtes enthält das Geſetz in den §§. 7—12. Auf das Verfahren finden
im Allgemeinen die Beſtimmungen des Gerichtsverfaſſungs-Geſetzes und der
Strafproceß-Ordn. Anwendung. §. 19. Jedoch findet die Anordnung der
Haft zur Erzwingung eines Zeugniſſes nicht ſtatt. Vgl. Stenogr. Ber. a. a. O.
S. 878 fg.
1) a. a. O. §. 13.
2) a. a. O. §. 26. Wegen dieſes Reſultates, zu welchem die Unterſuchung
des Seeamtes führen kann, iſt dem Schiffer und dem Steuermann während
des Verfahrens eine Rolle zuertheilt, welche ihnen die Möglichkeit einer Ver-
theidigung gewährt und die deshalb mit der des Beſchuldigten im Strafver-
fahren einige Aehnlichkeit hat. Insbeſondere können ſie Anträge ſtellen, über
welche das Seeamt zu befinden hat, an die zur Vernehmung erſchienenen Per-
ſonen unmittelbar Fragen richten, auch ſich eines rechts- oder ſachkundigen Bei-
ſtandes bedienen. Geſ. §. 22. Vgl. Kommiſſionsbericht S. 3 fg. 14 fg.
3) §§. 27. 28 des Geſetzes enthalten die näheren Vorſchriften über Ein-
legung und Rechtfertigung der Beſchwerde, welche der Regel nach eine auf-
ſchiebende Wirkung nicht hat.
Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 30
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[465/0479] §. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens. Der Reichskanzler beſtellt für jedes Seeamt einen Kommiſ- ſar, welcher Anträge an das Seeamt oder ſeinen Vorſitzenden zu ſtellen, den Verhandlungen des Seeamtes beizuwohnen, Einſicht von den Akten zu nehmen und für den Fall, daß der Vorſitzende die Einleitung einer Unterſuchung verweigert, Anträge auf Anord- nung einer Unterſuchung bei dem Reichskanzler zu ſtellen, berechtigt iſt. Dieſelbe Perſon kann für mehrere Seeämter als Kommiſſar beſtellt werden 1). Auf Antrag des Reichskommiſſars kann, wenn ſich ergiebt, daß ein deutſcher Schiffer oder Steuermann in Folge des Mangels ſolcher Eigenſchaften, welche zur Ausübung ſeines Ge- werbes erforderlich ſind, den Unfall oder deſſen Folgen verſchuldet hat, demſelben durch den Spruch des Seeamtes über die Urſachen des Seeunfalles zugleich die Befugniß zur Ausübung ſeines Ge- werbes entzogen werden. Einem Schiffer, dem die Befugniß ent- zogen wird, kann nach Ermeſſen des Seeamtes auch die Ausübung des Steuermannsgewerbes unterſagt werden 2). Gegen den Spruch des Seeamtes ſteht das Rechtsmittel der Beſchwerde an das Ober-Seeamt dem Schiffer oder Steuermann zu, wenn der Spruch auf Entziehung der Befugniß zur Ausübung des Gewerbes lautet; andererſeits dem Reichskommiſſar, wenn das Seeamt einem hierauf gerichteten Antrage deſſelben nicht Folge gegeben hat 3). Das Ober-Seeamt iſt eine kollegiale Reichsbehörde. Es 8) 1) a. a. O. §. 13. 2) a. a. O. §. 26. Wegen dieſes Reſultates, zu welchem die Unterſuchung des Seeamtes führen kann, iſt dem Schiffer und dem Steuermann während des Verfahrens eine Rolle zuertheilt, welche ihnen die Möglichkeit einer Ver- theidigung gewährt und die deshalb mit der des Beſchuldigten im Strafver- fahren einige Aehnlichkeit hat. Insbeſondere können ſie Anträge ſtellen, über welche das Seeamt zu befinden hat, an die zur Vernehmung erſchienenen Per- ſonen unmittelbar Fragen richten, auch ſich eines rechts- oder ſachkundigen Bei- ſtandes bedienen. Geſ. §. 22. Vgl. Kommiſſionsbericht S. 3 fg. 14 fg. 3) §§. 27. 28 des Geſetzes enthalten die näheren Vorſchriften über Ein- legung und Rechtfertigung der Beſchwerde, welche der Regel nach eine auf- ſchiebende Wirkung nicht hat. 8) Seeamtes enthält das Geſetz in den §§. 7—12. Auf das Verfahren finden im Allgemeinen die Beſtimmungen des Gerichtsverfaſſungs-Geſetzes und der Strafproceß-Ordn. Anwendung. §. 19. Jedoch findet die Anordnung der Haft zur Erzwingung eines Zeugniſſes nicht ſtatt. Vgl. Stenogr. Ber. a. a. O. S. 878 fg. Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 30

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/479>, abgerufen am 23.11.2024.