Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 59. Die Verordnungen des Reichs. Beschluß des Bundesrathes zuläßt, und namentlich in dem Ein-führungs-Gesetz zur Civilproceß-Ordn. §. 6, woselbst eine mit Zustimmung des Bundesrathes erlassene Kaiserl. Verordnung erfordert wird 1). Es ergiebt sich demnach folgendes Resultat: Eine allgemeine, Fehlt es an einer solchen Delegation und ist ein Reichsgesetz 1) Ueber die ähnliche Anordnung im §. 8 des Ges. v. 25. Juni 1873 für Elsaß-Lothringen vergleiche unten §. 62. 2) im Gegensatz zu Verwaltungs-Vorschriften. 3) Dem entsprechend wird in jeder Verordnung in den Eingangsworten die Gesetzes-Bestimmung angegeben, auf Grund deren sie erlassen ist. Als eine wesentliche Form, deren Nichtbeobachtung die Ungültigkeit der Ver- ordnung zur Folge hat, kann dies zwar nicht erachtet werden, da die Reichs- gesetzgebung die Formen, in denen Verordnungen zu erlassen sind, überhaupt nicht geregelt hat. Materiell hängt aber die Gültigkeit einer Verordnung von dem Vorhandensein einer gesetzl. Delegation ab und es ist demgemäß die Praxis, diese Gesetzesbestimmung in der Verordnung in Bezug zu nehmen, durchaus sachgemäß. 4) Ein Beispiel für ein zeitweilig unausführbar gewesenes Gesetz ist das
Anleihegesetz v. 9. Nov. 1867 (B.-G.-Bl. S. 157), welches erst durch das Ges. v. 19. Juni 1868 (B.-G.-Bl. S. 339) ausführbar gemacht wurde. Auch §. 35 des Ges. über die Kriegsleistungen v. 13. Juni 1873 (R.-G.-Bl. S. 137) kann hier angeführt werden. §. 59. Die Verordnungen des Reichs. Beſchluß des Bundesrathes zuläßt, und namentlich in dem Ein-führungs-Geſetz zur Civilproceß-Ordn. §. 6, woſelbſt eine mit Zuſtimmung des Bundesrathes erlaſſene Kaiſerl. Verordnung erfordert wird 1). Es ergiebt ſich demnach folgendes Reſultat: Eine allgemeine, Fehlt es an einer ſolchen Delegation und iſt ein Reichsgeſetz 1) Ueber die ähnliche Anordnung im §. 8 des Geſ. v. 25. Juni 1873 für Elſaß-Lothringen vergleiche unten §. 62. 2) im Gegenſatz zu Verwaltungs-Vorſchriften. 3) Dem entſprechend wird in jeder Verordnung in den Eingangsworten die Geſetzes-Beſtimmung angegeben, auf Grund deren ſie erlaſſen iſt. Als eine weſentliche Form, deren Nichtbeobachtung die Ungültigkeit der Ver- ordnung zur Folge hat, kann dies zwar nicht erachtet werden, da die Reichs- geſetzgebung die Formen, in denen Verordnungen zu erlaſſen ſind, überhaupt nicht geregelt hat. Materiell hängt aber die Gültigkeit einer Verordnung von dem Vorhandenſein einer geſetzl. Delegation ab und es iſt demgemäß die Praxis, dieſe Geſetzesbeſtimmung in der Verordnung in Bezug zu nehmen, durchaus ſachgemäß. 4) Ein Beiſpiel für ein zeitweilig unausführbar geweſenes Geſetz iſt das
Anleihegeſetz v. 9. Nov. 1867 (B.-G.-Bl. S. 157), welches erſt durch das Geſ. v. 19. Juni 1868 (B.-G.-Bl. S. 339) ausführbar gemacht wurde. Auch §. 35 des Geſ. über die Kriegsleiſtungen v. 13. Juni 1873 (R.-G.-Bl. S. 137) kann hier angeführt werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0091" n="77"/><fw place="top" type="header">§. 59. Die Verordnungen des Reichs.</fw><lb/> Beſchluß des Bundesrathes zuläßt, und namentlich in dem <hi rendition="#g">Ein-<lb/> führungs-Geſetz</hi> zur Civilproceß-Ordn. §. 6, woſelbſt eine<lb/> mit Zuſtimmung des Bundesrathes erlaſſene Kaiſerl. Verordnung<lb/> erfordert wird <note place="foot" n="1)">Ueber die ähnliche Anordnung im §. 8 des Geſ. v. 25. Juni 1873<lb/> für <hi rendition="#g">Elſaß-Lothringen</hi> vergleiche unten §. 62.</note>.</p><lb/> <p>Es ergiebt ſich demnach folgendes Reſultat: Eine allgemeine,<lb/> durch die Reichsverfaſſung ſelbſt begründete Befugniß zum Erlaß<lb/> von Rechts-Verordnungen <note place="foot" n="2)">im Gegenſatz zu Verwaltungs-Vorſchriften.</note> beſteht nicht, wohl aber kann dieſelbe<lb/> in jedem einzelnen Falle durch ausdrückliche Anordnung eines<lb/> Reichsgeſetzes conſtituirt werden. Oder mit andern Worten: <hi rendition="#g">Jede<lb/> Verordnung, welche Rechtsvorſchriften enthält, kann<lb/> nur gültig erlaſſen werden auf Grund einer ſpe-<lb/> ziellen, reichsgeſetzlichen Delegation</hi> <note place="foot" n="3)">Dem entſprechend wird in jeder Verordnung in den Eingangsworten<lb/> die Geſetzes-Beſtimmung angegeben, auf Grund deren ſie erlaſſen iſt. Als<lb/> eine <hi rendition="#g">weſentliche Form</hi>, deren Nichtbeobachtung die Ungültigkeit der Ver-<lb/> ordnung zur Folge hat, kann dies zwar nicht erachtet werden, da die Reichs-<lb/> geſetzgebung die Formen, in denen Verordnungen zu erlaſſen ſind, überhaupt<lb/> nicht geregelt hat. <hi rendition="#g">Materiell</hi> hängt aber die Gültigkeit einer Verordnung<lb/> von dem Vorhandenſein einer geſetzl. Delegation ab und es iſt demgemäß die<lb/> Praxis, dieſe Geſetzesbeſtimmung in der Verordnung in Bezug zu nehmen,<lb/> durchaus ſachgemäß.</note>.</p><lb/> <p>Fehlt es an einer ſolchen Delegation und iſt ein Reichsgeſetz<lb/> ſo unvollſtändig, daß es ohne den Erlaß von Ergänzungs-Vor-<lb/> ſchriften unausführbar iſt, ſo muß es unausgeführt bleiben bis<lb/> die erforderlichen Ergänzungs-Vorſchriften im Wege der Geſetz-<lb/> gebung erlaſſen werden <note place="foot" n="4)">Ein Beiſpiel für ein zeitweilig unausführbar geweſenes Geſetz iſt das<lb/> Anleihegeſetz v. 9. Nov. 1867 (B.-G.-Bl. S. 157), welches erſt durch das Geſ.<lb/> v. 19. Juni 1868 (B.-G.-Bl. S. 339) ausführbar gemacht wurde. Auch §. 35<lb/> des Geſ. über die Kriegsleiſtungen v. 13. Juni 1873 (R.-G.-Bl. S. 137) kann<lb/> hier angeführt werden.</note>. In allen anderen Fällen iſt die Hand-<lb/> habung und Auslegung der Reichsgeſetze, die Herleitung der aus<lb/> denſelben ſich ergebenden Conſequenzen, die Beſtimmung ihres Wir-<lb/> kungskreiſes und die Art ihrer Anwendung den Gerichten und an-<lb/> deren zur Rechtſprechung berufenen Behörden überlaſſen und die<lb/> Befolgung gleichheitlicher Grundſätze wird in dieſer Beziehung ledig-<lb/> lich durch den Inſtanzenzug geſichert.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0091]
§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
Beſchluß des Bundesrathes zuläßt, und namentlich in dem Ein-
führungs-Geſetz zur Civilproceß-Ordn. §. 6, woſelbſt eine
mit Zuſtimmung des Bundesrathes erlaſſene Kaiſerl. Verordnung
erfordert wird 1).
Es ergiebt ſich demnach folgendes Reſultat: Eine allgemeine,
durch die Reichsverfaſſung ſelbſt begründete Befugniß zum Erlaß
von Rechts-Verordnungen 2) beſteht nicht, wohl aber kann dieſelbe
in jedem einzelnen Falle durch ausdrückliche Anordnung eines
Reichsgeſetzes conſtituirt werden. Oder mit andern Worten: Jede
Verordnung, welche Rechtsvorſchriften enthält, kann
nur gültig erlaſſen werden auf Grund einer ſpe-
ziellen, reichsgeſetzlichen Delegation 3).
Fehlt es an einer ſolchen Delegation und iſt ein Reichsgeſetz
ſo unvollſtändig, daß es ohne den Erlaß von Ergänzungs-Vor-
ſchriften unausführbar iſt, ſo muß es unausgeführt bleiben bis
die erforderlichen Ergänzungs-Vorſchriften im Wege der Geſetz-
gebung erlaſſen werden 4). In allen anderen Fällen iſt die Hand-
habung und Auslegung der Reichsgeſetze, die Herleitung der aus
denſelben ſich ergebenden Conſequenzen, die Beſtimmung ihres Wir-
kungskreiſes und die Art ihrer Anwendung den Gerichten und an-
deren zur Rechtſprechung berufenen Behörden überlaſſen und die
Befolgung gleichheitlicher Grundſätze wird in dieſer Beziehung ledig-
lich durch den Inſtanzenzug geſichert.
1) Ueber die ähnliche Anordnung im §. 8 des Geſ. v. 25. Juni 1873
für Elſaß-Lothringen vergleiche unten §. 62.
2) im Gegenſatz zu Verwaltungs-Vorſchriften.
3) Dem entſprechend wird in jeder Verordnung in den Eingangsworten
die Geſetzes-Beſtimmung angegeben, auf Grund deren ſie erlaſſen iſt. Als
eine weſentliche Form, deren Nichtbeobachtung die Ungültigkeit der Ver-
ordnung zur Folge hat, kann dies zwar nicht erachtet werden, da die Reichs-
geſetzgebung die Formen, in denen Verordnungen zu erlaſſen ſind, überhaupt
nicht geregelt hat. Materiell hängt aber die Gültigkeit einer Verordnung
von dem Vorhandenſein einer geſetzl. Delegation ab und es iſt demgemäß die
Praxis, dieſe Geſetzesbeſtimmung in der Verordnung in Bezug zu nehmen,
durchaus ſachgemäß.
4) Ein Beiſpiel für ein zeitweilig unausführbar geweſenes Geſetz iſt das
Anleihegeſetz v. 9. Nov. 1867 (B.-G.-Bl. S. 157), welches erſt durch das Geſ.
v. 19. Juni 1868 (B.-G.-Bl. S. 339) ausführbar gemacht wurde. Auch §. 35
des Geſ. über die Kriegsleiſtungen v. 13. Juni 1873 (R.-G.-Bl. S. 137) kann
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