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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
fassung über dieselben erfolgt nach ganz denselben Regeln wie die
Beschlußfassung über Gesetze. Jedoch ist das sogenannte Veto der
Präsidialstimme in Angelegenheiten, welche das Militairwesen, die
Kriegsmarine und die im Art. 35 der R.-V. bezeichneten Abgaben
betreffen, auf "Gesetzesvorschläge" beschränkt. R.-V. Art. 5 Abs. 2.
Daß hier das Wort "Gesetzesvorschläge" nur Gesetze im engeren
oder formellen Sinne bezeichnet, ergiebt sich theils aus dem Zu-
sammenhange mit Abs. 1 desselben Artikels, welcher die Ausübung
der Reichsgesetzgebung durch den Bundesrath und Reichstag
behandelt, theils aus der Vergleichung mit Art. 37, welcher das
sogen. Veto des Präsidiums gegen Bundesraths-Verordnungen in
Angelegenheiten der Zoll- und Steuer-Verwaltung anerkennt.
Es genügt auch das Veto gegen Gesetzesvorschläge vollkommen, da
es das Mittel bietet, die Delegation des Verordnungsrechtes an
den Bundesrath, die ja nur durch Gesetz erfolgen kann, zu ver-
hindern.

2. Verordnungen des Kaisers. Der Ausdruck Ver-
ordnung wird vielfach auf Kaiserliche Anordnungen angewendet,
welche keine Rechtsvorschriften enthalten und sich in keiner Beziehung
unter den Gesichtspunkt der Gesetzgebung bringen lassen, sondern
ihrem Inhalte nach Anwendungen eines Rechtssatzes auf einen ein-
zelnen Fall, Regierungsakte, Verfügungen sind 1). Dahin gehört
z. B. der Kaiserliche Befehl, durch welchen die Reichstagswahlen
ausgeschrieben, der Bundesrath und der Reichstag berufen, ver-
tagt oder geschlossen werden, durch welchen auf Grund des Art. 65
der R.-V. die Anlage eines Festungswerkes angeordnet wird u. s. w.

1871 Art. 3 (R.-G.-Bl. S. 248); im Ges. v. 4. Dez. 1871 §. 3 (R.-G.-Bl.
S. 407), im Kriegsleistungsges. v. 13. Juni 1873 (S. 129) §. 16. 17 Abs. 4,
§. 20 Abs. 3, §. 33 und in dem Ges. vom 23. Febr. 1874 §. 5 (R.-G.-Bl.
S. 17); im Münzges. v. 9. Juli 1873 Art. 13 (R.-G.-Bl. S. 237) und im
Bankges. v. 14. März 1875 §. 6 Abs. 3, §. 12. 36. Andere Beispiele von
Wichtigkeit sind das Wahlges. v. 31. Mai 1869 § 15 (B.-G.-Bl. S. 148), die
Gewerbe-Ordnung §. 24. 29. 31. 64 Abs. 3, das Jesuitenges. v. 4. Juli 1872
§. 3. Soweit nach den angeführten Gesetzesbestimmungen nur solche Verord-
nungen vom Bundesrath erlassen werden sollen, welche die Verwaltungsthätig-
keit der Behörden regeln, ist die gesetzl. Ermächtigung dazu wegen der in der
Verfassung Art. 7 u. 37 enthaltenen Grundsätze überflüssig.
1) Vgl. Bd. I. S. 254 u. unten bei der Lehre von der Verwaltung.

§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
faſſung über dieſelben erfolgt nach ganz denſelben Regeln wie die
Beſchlußfaſſung über Geſetze. Jedoch iſt das ſogenannte Veto der
Präſidialſtimme in Angelegenheiten, welche das Militairweſen, die
Kriegsmarine und die im Art. 35 der R.-V. bezeichneten Abgaben
betreffen, auf „Geſetzesvorſchläge“ beſchränkt. R.-V. Art. 5 Abſ. 2.
Daß hier das Wort „Geſetzesvorſchläge“ nur Geſetze im engeren
oder formellen Sinne bezeichnet, ergiebt ſich theils aus dem Zu-
ſammenhange mit Abſ. 1 deſſelben Artikels, welcher die Ausübung
der Reichsgeſetzgebung durch den Bundesrath und Reichstag
behandelt, theils aus der Vergleichung mit Art. 37, welcher das
ſogen. Veto des Präſidiums gegen Bundesraths-Verordnungen in
Angelegenheiten der Zoll- und Steuer-Verwaltung anerkennt.
Es genügt auch das Veto gegen Geſetzesvorſchläge vollkommen, da
es das Mittel bietet, die Delegation des Verordnungsrechtes an
den Bundesrath, die ja nur durch Geſetz erfolgen kann, zu ver-
hindern.

2. Verordnungen des Kaiſers. Der Ausdruck Ver-
ordnung wird vielfach auf Kaiſerliche Anordnungen angewendet,
welche keine Rechtsvorſchriften enthalten und ſich in keiner Beziehung
unter den Geſichtspunkt der Geſetzgebung bringen laſſen, ſondern
ihrem Inhalte nach Anwendungen eines Rechtsſatzes auf einen ein-
zelnen Fall, Regierungsakte, Verfügungen ſind 1). Dahin gehört
z. B. der Kaiſerliche Befehl, durch welchen die Reichstagswahlen
ausgeſchrieben, der Bundesrath und der Reichstag berufen, ver-
tagt oder geſchloſſen werden, durch welchen auf Grund des Art. 65
der R.-V. die Anlage eines Feſtungswerkes angeordnet wird u. ſ. w.

1871 Art. 3 (R.-G.-Bl. S. 248); im Geſ. v. 4. Dez. 1871 §. 3 (R.-G.-Bl.
S. 407), im Kriegsleiſtungsgeſ. v. 13. Juni 1873 (S. 129) §. 16. 17 Abſ. 4,
§. 20 Abſ. 3, §. 33 und in dem Geſ. vom 23. Febr. 1874 §. 5 (R.-G.-Bl.
S. 17); im Münzgeſ. v. 9. Juli 1873 Art. 13 (R.-G.-Bl. S. 237) und im
Bankgeſ. v. 14. März 1875 §. 6 Abſ. 3, §. 12. 36. Andere Beiſpiele von
Wichtigkeit ſind das Wahlgeſ. v. 31. Mai 1869 § 15 (B.-G.-Bl. S. 148), die
Gewerbe-Ordnung §. 24. 29. 31. 64 Abſ. 3, das Jeſuitengeſ. v. 4. Juli 1872
§. 3. Soweit nach den angeführten Geſetzesbeſtimmungen nur ſolche Verord-
nungen vom Bundesrath erlaſſen werden ſollen, welche die Verwaltungsthätig-
keit der Behörden regeln, iſt die geſetzl. Ermächtigung dazu wegen der in der
Verfaſſung Art. 7 u. 37 enthaltenen Grundſätze überflüſſig.
1) Vgl. Bd. I. S. 254 u. unten bei der Lehre von der Verwaltung.
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[79/0093] §. 59. Die Verordnungen des Reichs. faſſung über dieſelben erfolgt nach ganz denſelben Regeln wie die Beſchlußfaſſung über Geſetze. Jedoch iſt das ſogenannte Veto der Präſidialſtimme in Angelegenheiten, welche das Militairweſen, die Kriegsmarine und die im Art. 35 der R.-V. bezeichneten Abgaben betreffen, auf „Geſetzesvorſchläge“ beſchränkt. R.-V. Art. 5 Abſ. 2. Daß hier das Wort „Geſetzesvorſchläge“ nur Geſetze im engeren oder formellen Sinne bezeichnet, ergiebt ſich theils aus dem Zu- ſammenhange mit Abſ. 1 deſſelben Artikels, welcher die Ausübung der Reichsgeſetzgebung durch den Bundesrath und Reichstag behandelt, theils aus der Vergleichung mit Art. 37, welcher das ſogen. Veto des Präſidiums gegen Bundesraths-Verordnungen in Angelegenheiten der Zoll- und Steuer-Verwaltung anerkennt. Es genügt auch das Veto gegen Geſetzesvorſchläge vollkommen, da es das Mittel bietet, die Delegation des Verordnungsrechtes an den Bundesrath, die ja nur durch Geſetz erfolgen kann, zu ver- hindern. 2. Verordnungen des Kaiſers. Der Ausdruck Ver- ordnung wird vielfach auf Kaiſerliche Anordnungen angewendet, welche keine Rechtsvorſchriften enthalten und ſich in keiner Beziehung unter den Geſichtspunkt der Geſetzgebung bringen laſſen, ſondern ihrem Inhalte nach Anwendungen eines Rechtsſatzes auf einen ein- zelnen Fall, Regierungsakte, Verfügungen ſind 1). Dahin gehört z. B. der Kaiſerliche Befehl, durch welchen die Reichstagswahlen ausgeſchrieben, der Bundesrath und der Reichstag berufen, ver- tagt oder geſchloſſen werden, durch welchen auf Grund des Art. 65 der R.-V. die Anlage eines Feſtungswerkes angeordnet wird u. ſ. w. 2) 1) Vgl. Bd. I. S. 254 u. unten bei der Lehre von der Verwaltung. 2) 1871 Art. 3 (R.-G.-Bl. S. 248); im Geſ. v. 4. Dez. 1871 §. 3 (R.-G.-Bl. S. 407), im Kriegsleiſtungsgeſ. v. 13. Juni 1873 (S. 129) §. 16. 17 Abſ. 4, §. 20 Abſ. 3, §. 33 und in dem Geſ. vom 23. Febr. 1874 §. 5 (R.-G.-Bl. S. 17); im Münzgeſ. v. 9. Juli 1873 Art. 13 (R.-G.-Bl. S. 237) und im Bankgeſ. v. 14. März 1875 §. 6 Abſ. 3, §. 12. 36. Andere Beiſpiele von Wichtigkeit ſind das Wahlgeſ. v. 31. Mai 1869 § 15 (B.-G.-Bl. S. 148), die Gewerbe-Ordnung §. 24. 29. 31. 64 Abſ. 3, das Jeſuitengeſ. v. 4. Juli 1872 §. 3. Soweit nach den angeführten Geſetzesbeſtimmungen nur ſolche Verord- nungen vom Bundesrath erlaſſen werden ſollen, welche die Verwaltungsthätig- keit der Behörden regeln, iſt die geſetzl. Ermächtigung dazu wegen der in der Verfaſſung Art. 7 u. 37 enthaltenen Grundſätze überflüſſig.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/93>, abgerufen am 04.12.2024.