Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienstpflicht. die allen wehrpflichtigen Unterthanen obliegenden, kann daher nurdurch einen Willensakt, durch ein Rechtsgeschäft, begründet werden 1); es ist ein Consens erforderlich zwischen demjenigen, welcher sich zum Dienst im Heere oder in der Flotte verbindlich macht, und dem Kontingentsherrn, welcher diese Dienste annimmt. Der durch diesen Consens zu Stande kommende Vertrag hat im heutigen Recht allerdings nicht die Natur eines obligatorischen Ver- trages des Privatrechts, einer gewöhnlichen Dienstmiethe, sondern er ist ein Dienstvertrag des öffentlichen Rechts in dem oben Bd. I §. 38 dargelegten Sinne; immerhin ist er aber ein Vertrag. Hierauf beruht der prinzipielle Gegensatz des berufsmäßigen Mili- tairdienstes gegenüber dem Militairdienst auf Grund der Wehr- pflicht; das juristische Fundament der Verpflichtung ist ein ver- schiedenes; dort ist es das Gesetz, hier der freie Wille des In- dividuums, das Rechtsgeschäft. Beide Rechtsgründe können allerdings theilweise zusammen- 1) Dies gilt auch von denjenigen Personen, welche auf einer Militair- Bildungsanstalt auf öffentliche Kosten ihre Ausbildung genossen haben und dafür verpflichtet sind, außer der gesetzlichen Dienstzeit eine gewisse Zeit im stehenden Heere oder in der Marine zu dienen. Sie übernehmen diese Ver- pflichtung freiwillig bei der Aufnahme in die Bildungs-Anstalt und stellen in der Regel darüber eine Urkunde aus. Vgl. oben §. 86. VIII. 2) Vgl. Kabin.Ordre v. 25. Febr. 1816; v. 29. Januar 1857; Verordn.
v. 4. Juli 1868 Anhang Ziff. 9. Kabin.Ordre v. 5. Dezemb. 1872 (abgedruckt bei v. Helldorff I, 4 S. 165 und II, 1 S. 36 fg.). Seit dem Erlaß der Heer-Ordnung sind jedoch von dieser Regel ausgenommen diejenigen Offiziere, welche verabschiedet oder mit schlichtem Abschied entlassen oder aus dem Offi- zierstande entfernt werden; dieselben sind von der ferneren Ableistung der Dienstpflicht entbunden. H.O. II §. 25. §. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht. die allen wehrpflichtigen Unterthanen obliegenden, kann daher nurdurch einen Willensakt, durch ein Rechtsgeſchäft, begründet werden 1); es iſt ein Conſens erforderlich zwiſchen demjenigen, welcher ſich zum Dienſt im Heere oder in der Flotte verbindlich macht, und dem Kontingentsherrn, welcher dieſe Dienſte annimmt. Der durch dieſen Conſens zu Stande kommende Vertrag hat im heutigen Recht allerdings nicht die Natur eines obligatoriſchen Ver- trages des Privatrechts, einer gewöhnlichen Dienſtmiethe, ſondern er iſt ein Dienſtvertrag des öffentlichen Rechts in dem oben Bd. I §. 38 dargelegten Sinne; immerhin iſt er aber ein Vertrag. Hierauf beruht der prinzipielle Gegenſatz des berufsmäßigen Mili- tairdienſtes gegenüber dem Militairdienſt auf Grund der Wehr- pflicht; das juriſtiſche Fundament der Verpflichtung iſt ein ver- ſchiedenes; dort iſt es das Geſetz, hier der freie Wille des In- dividuums, das Rechtsgeſchäft. Beide Rechtsgründe können allerdings theilweiſe zuſammen- 1) Dies gilt auch von denjenigen Perſonen, welche auf einer Militair- Bildungsanſtalt auf öffentliche Koſten ihre Ausbildung genoſſen haben und dafür verpflichtet ſind, außer der geſetzlichen Dienſtzeit eine gewiſſe Zeit im ſtehenden Heere oder in der Marine zu dienen. Sie übernehmen dieſe Ver- pflichtung freiwillig bei der Aufnahme in die Bildungs-Anſtalt und ſtellen in der Regel darüber eine Urkunde aus. Vgl. oben §. 86. VIII. 2) Vgl. Kabin.Ordre v. 25. Febr. 1816; v. 29. Januar 1857; Verordn.
v. 4. Juli 1868 Anhang Ziff. 9. Kabin.Ordre v. 5. Dezemb. 1872 (abgedruckt bei v. Helldorff I, 4 S. 165 und II, 1 S. 36 fg.). Seit dem Erlaß der Heer-Ordnung ſind jedoch von dieſer Regel ausgenommen diejenigen Offiziere, welche verabſchiedet oder mit ſchlichtem Abſchied entlaſſen oder aus dem Offi- zierſtande entfernt werden; dieſelben ſind von der ferneren Ableiſtung der Dienſtpflicht entbunden. H.O. II §. 25. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0220" n="210"/><fw place="top" type="header">§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht.</fw><lb/> die allen wehrpflichtigen Unterthanen obliegenden, kann daher nur<lb/> durch einen <hi rendition="#g">Willensakt</hi>, durch ein Rechtsgeſchäft, begründet<lb/> werden <note place="foot" n="1)">Dies gilt auch von denjenigen Perſonen, welche auf einer Militair-<lb/> Bildungsanſtalt auf öffentliche Koſten ihre Ausbildung genoſſen haben und<lb/> dafür verpflichtet ſind, außer der geſetzlichen Dienſtzeit eine gewiſſe Zeit im<lb/> ſtehenden Heere oder in der Marine zu dienen. Sie übernehmen dieſe Ver-<lb/> pflichtung freiwillig bei der Aufnahme in die Bildungs-Anſtalt und ſtellen in<lb/> der Regel darüber eine Urkunde aus. Vgl. oben §. 86. <hi rendition="#aq">VIII.</hi></note>; es iſt ein Conſens erforderlich zwiſchen demjenigen,<lb/> welcher ſich zum Dienſt im Heere oder in der Flotte verbindlich<lb/> macht, und dem Kontingentsherrn, welcher dieſe Dienſte annimmt.<lb/> Der durch dieſen Conſens zu Stande kommende Vertrag hat im<lb/> heutigen Recht allerdings nicht die Natur eines obligatoriſchen Ver-<lb/> trages des Privatrechts, einer gewöhnlichen Dienſtmiethe, ſondern<lb/> er iſt ein Dienſtvertrag des öffentlichen Rechts in dem oben Bd. <hi rendition="#aq">I</hi><lb/> §. 38 dargelegten Sinne; immerhin iſt er aber ein Vertrag.<lb/> Hierauf beruht der prinzipielle Gegenſatz des berufsmäßigen Mili-<lb/> tairdienſtes gegenüber dem Militairdienſt auf Grund der Wehr-<lb/> pflicht; das juriſtiſche Fundament der Verpflichtung iſt ein ver-<lb/> ſchiedenes; dort iſt es das <hi rendition="#g">Geſetz</hi>, hier der freie Wille des In-<lb/> dividuums, das <hi rendition="#g">Rechtsgeſchäft</hi>.</p><lb/> <p>Beide Rechtsgründe können allerdings theilweiſe zuſammen-<lb/> treffen. In dieſem Falle kömmt die Wehrpflicht formell nicht zur<lb/> Wirkſamkeit, denn die vertragsmäßige Dienſtpflicht iſt ſtets die<lb/> weiterreichende, die geſetzliche Verpflichtung überdeckende. Die ge-<lb/> ſetzliche Wehrpflicht beſteht aber virtuell fort und tritt wieder in<lb/> Wirkſamkeit, wenn die vertragsmäßige Dienſtpflicht aufgehoben<lb/> wird. So treten Offiziere des aktiven Dienſtſtandes, welche vor<lb/> Beendigung ihrer geſetzlichen Dienſtpflicht aus dem aktiven Dienſt<lb/> entlaſſen werden, nach der Jahresklaſſe, welcher ſie angehören, als<lb/> Offiziere des Beurlaubtenſtandes zur Reſerve oder Landwehr über <note place="foot" n="2)">Vgl. Kabin.Ordre v. 25. Febr. 1816; v. 29. Januar 1857; Verordn.<lb/> v. 4. Juli 1868 Anhang Ziff. 9. Kabin.Ordre v. 5. Dezemb. 1872 (abgedruckt<lb/> bei v. Helldorff <hi rendition="#aq">I</hi>, 4 S. 165 und <hi rendition="#aq">II</hi>, 1 S. 36 fg.). Seit dem Erlaß der<lb/> Heer-Ordnung ſind jedoch von dieſer Regel ausgenommen diejenigen Offiziere,<lb/> welche verabſchiedet oder mit ſchlichtem Abſchied entlaſſen oder aus dem Offi-<lb/> zierſtande entfernt werden; dieſelben ſind von der ferneren Ableiſtung der<lb/> Dienſtpflicht entbunden. H.O. <hi rendition="#aq">II</hi> §. 25.</note><lb/> und ebenſo haben Kapitulanten nach ihrer Entlaſſung der Reſerve-,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [210/0220]
§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht.
die allen wehrpflichtigen Unterthanen obliegenden, kann daher nur
durch einen Willensakt, durch ein Rechtsgeſchäft, begründet
werden 1); es iſt ein Conſens erforderlich zwiſchen demjenigen,
welcher ſich zum Dienſt im Heere oder in der Flotte verbindlich
macht, und dem Kontingentsherrn, welcher dieſe Dienſte annimmt.
Der durch dieſen Conſens zu Stande kommende Vertrag hat im
heutigen Recht allerdings nicht die Natur eines obligatoriſchen Ver-
trages des Privatrechts, einer gewöhnlichen Dienſtmiethe, ſondern
er iſt ein Dienſtvertrag des öffentlichen Rechts in dem oben Bd. I
§. 38 dargelegten Sinne; immerhin iſt er aber ein Vertrag.
Hierauf beruht der prinzipielle Gegenſatz des berufsmäßigen Mili-
tairdienſtes gegenüber dem Militairdienſt auf Grund der Wehr-
pflicht; das juriſtiſche Fundament der Verpflichtung iſt ein ver-
ſchiedenes; dort iſt es das Geſetz, hier der freie Wille des In-
dividuums, das Rechtsgeſchäft.
Beide Rechtsgründe können allerdings theilweiſe zuſammen-
treffen. In dieſem Falle kömmt die Wehrpflicht formell nicht zur
Wirkſamkeit, denn die vertragsmäßige Dienſtpflicht iſt ſtets die
weiterreichende, die geſetzliche Verpflichtung überdeckende. Die ge-
ſetzliche Wehrpflicht beſteht aber virtuell fort und tritt wieder in
Wirkſamkeit, wenn die vertragsmäßige Dienſtpflicht aufgehoben
wird. So treten Offiziere des aktiven Dienſtſtandes, welche vor
Beendigung ihrer geſetzlichen Dienſtpflicht aus dem aktiven Dienſt
entlaſſen werden, nach der Jahresklaſſe, welcher ſie angehören, als
Offiziere des Beurlaubtenſtandes zur Reſerve oder Landwehr über 2)
und ebenſo haben Kapitulanten nach ihrer Entlaſſung der Reſerve-,
1) Dies gilt auch von denjenigen Perſonen, welche auf einer Militair-
Bildungsanſtalt auf öffentliche Koſten ihre Ausbildung genoſſen haben und
dafür verpflichtet ſind, außer der geſetzlichen Dienſtzeit eine gewiſſe Zeit im
ſtehenden Heere oder in der Marine zu dienen. Sie übernehmen dieſe Ver-
pflichtung freiwillig bei der Aufnahme in die Bildungs-Anſtalt und ſtellen in
der Regel darüber eine Urkunde aus. Vgl. oben §. 86. VIII.
2) Vgl. Kabin.Ordre v. 25. Febr. 1816; v. 29. Januar 1857; Verordn.
v. 4. Juli 1868 Anhang Ziff. 9. Kabin.Ordre v. 5. Dezemb. 1872 (abgedruckt
bei v. Helldorff I, 4 S. 165 und II, 1 S. 36 fg.). Seit dem Erlaß der
Heer-Ordnung ſind jedoch von dieſer Regel ausgenommen diejenigen Offiziere,
welche verabſchiedet oder mit ſchlichtem Abſchied entlaſſen oder aus dem Offi-
zierſtande entfernt werden; dieſelben ſind von der ferneren Ableiſtung der
Dienſtpflicht entbunden. H.O. II §. 25.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |