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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienstpflicht.
kommenden speziellen Verordnungen unterscheiden nicht nach dem
Rechtsgrunde der Dienstpflicht, sondern, soweit überhaupt
unter den Personen des Soldatenstandes ein Unterschied anerkannt
wird, lediglich nach dem militairischen Dienstrange, so daß
zwar für Offiziere theilweise andere Rechtsregeln gelten, wie für
Unteroffiziere und Gemeine, z. B. hinsichtlich der Strafen, aber
nicht für Berufsoffiziere andere wie für Offiziere des Beurlaubten-
standes. Dies gilt im Prinzip selbst für die Strafe der Dienst-
entlassung; im praktischen Erfolge aber besteht hier allerdings eine
Verschiedenheit, indem sie für die Offiziere des Beurlaubtenstandes
lediglich eine Ehrenstrafe ist, für Berufsoffiziere dagegen zugleich
die Entziehung einer Einnahmequelle involvirt.

In Anwendung dieses Grundsatzes ergeben sich folgende Regeln:

a) Die Erfüllung der mit der dienstlichen Stellung verbundenen
Obliegenheiten ist gesichert durch die Bestimmungen im Militair-
Strafgesetzb. §. 64 ff. über die Bestrafung der unerlaubten Ent-
fernung von der Dienststellung. Eine freiwillige Entfernung von
der Dienststellung ist nur gestattet nach vorher eingeholtem Urlaub.
Die Bestimmungen über Urlaubsertheilungen sind -- unter Auf-
hebung aller früheren Anordnungen -- zusammengefaßt worden in
der Verordnung vom 23. Oktober 1879 (Armee-V.Bl. S. 223 fg.);
für Militairärzte in der V. vom 6. Febr. 1873 §§. 30. 31. Ist
ein Offizier durch Krankheit an der Wahrnehmung des Dienstes
verhindert, so ist er verpflichtet dies beim Feldwebel resp. Adju-
tanten melden zu lassen und es steht dem Vorgesetzten frei, sich
von dem Krankheitszustande durch den Bataillons- oder Regiments-
Arzt in Kenntniß zu erhalten 1).

Ob Offiziere im aktiven Dienste zum Eintritt in den Reichs-
tag eines Urlaubs bedürfen, ist zweifelhaft. Da Offiziere unter
den allgemeinen Begriff der Beamten fallen und Militairpersonen
hinsichtlich der Wählbarkeit in den Reichstag keiner Beschränkung
unterworfen sind, so ist es wol dem Sinne des Art. 21 Abs. 1
der R.V. entsprechend, ihn auch auf Offiziere zu beziehen; anderer-
seits ist aber nicht zu übersehen, daß nach dem regelmäßigen
Sprachgebrauch der Reichsgesetze der Ausdruck Beamte die Per-
sonen des Soldatenstandes nicht mit umfaßt 2).


1) Frölich I S. 204.
2) Der Entw. zum Mil.Ges. §. 44 Abs. 2 enthielt eine Bestimmung, wo-

§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht.
kommenden ſpeziellen Verordnungen unterſcheiden nicht nach dem
Rechtsgrunde der Dienſtpflicht, ſondern, ſoweit überhaupt
unter den Perſonen des Soldatenſtandes ein Unterſchied anerkannt
wird, lediglich nach dem militairiſchen Dienſtrange, ſo daß
zwar für Offiziere theilweiſe andere Rechtsregeln gelten, wie für
Unteroffiziere und Gemeine, z. B. hinſichtlich der Strafen, aber
nicht für Berufsoffiziere andere wie für Offiziere des Beurlaubten-
ſtandes. Dies gilt im Prinzip ſelbſt für die Strafe der Dienſt-
entlaſſung; im praktiſchen Erfolge aber beſteht hier allerdings eine
Verſchiedenheit, indem ſie für die Offiziere des Beurlaubtenſtandes
lediglich eine Ehrenſtrafe iſt, für Berufsoffiziere dagegen zugleich
die Entziehung einer Einnahmequelle involvirt.

In Anwendung dieſes Grundſatzes ergeben ſich folgende Regeln:

a) Die Erfüllung der mit der dienſtlichen Stellung verbundenen
Obliegenheiten iſt geſichert durch die Beſtimmungen im Militair-
Strafgeſetzb. §. 64 ff. über die Beſtrafung der unerlaubten Ent-
fernung von der Dienſtſtellung. Eine freiwillige Entfernung von
der Dienſtſtellung iſt nur geſtattet nach vorher eingeholtem Urlaub.
Die Beſtimmungen über Urlaubsertheilungen ſind — unter Auf-
hebung aller früheren Anordnungen — zuſammengefaßt worden in
der Verordnung vom 23. Oktober 1879 (Armee-V.Bl. S. 223 fg.);
für Militairärzte in der V. vom 6. Febr. 1873 §§. 30. 31. Iſt
ein Offizier durch Krankheit an der Wahrnehmung des Dienſtes
verhindert, ſo iſt er verpflichtet dies beim Feldwebel reſp. Adju-
tanten melden zu laſſen und es ſteht dem Vorgeſetzten frei, ſich
von dem Krankheitszuſtande durch den Bataillons- oder Regiments-
Arzt in Kenntniß zu erhalten 1).

Ob Offiziere im aktiven Dienſte zum Eintritt in den Reichs-
tag eines Urlaubs bedürfen, iſt zweifelhaft. Da Offiziere unter
den allgemeinen Begriff der Beamten fallen und Militairperſonen
hinſichtlich der Wählbarkeit in den Reichstag keiner Beſchränkung
unterworfen ſind, ſo iſt es wol dem Sinne des Art. 21 Abſ. 1
der R.V. entſprechend, ihn auch auf Offiziere zu beziehen; anderer-
ſeits iſt aber nicht zu überſehen, daß nach dem regelmäßigen
Sprachgebrauch der Reichsgeſetze der Ausdruck Beamte die Per-
ſonen des Soldatenſtandes nicht mit umfaßt 2).


1) Frölich I S. 204.
2) Der Entw. zum Mil.Geſ. §. 44 Abſ. 2 enthielt eine Beſtimmung, wo-
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[222/0232] §. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht. kommenden ſpeziellen Verordnungen unterſcheiden nicht nach dem Rechtsgrunde der Dienſtpflicht, ſondern, ſoweit überhaupt unter den Perſonen des Soldatenſtandes ein Unterſchied anerkannt wird, lediglich nach dem militairiſchen Dienſtrange, ſo daß zwar für Offiziere theilweiſe andere Rechtsregeln gelten, wie für Unteroffiziere und Gemeine, z. B. hinſichtlich der Strafen, aber nicht für Berufsoffiziere andere wie für Offiziere des Beurlaubten- ſtandes. Dies gilt im Prinzip ſelbſt für die Strafe der Dienſt- entlaſſung; im praktiſchen Erfolge aber beſteht hier allerdings eine Verſchiedenheit, indem ſie für die Offiziere des Beurlaubtenſtandes lediglich eine Ehrenſtrafe iſt, für Berufsoffiziere dagegen zugleich die Entziehung einer Einnahmequelle involvirt. In Anwendung dieſes Grundſatzes ergeben ſich folgende Regeln: a) Die Erfüllung der mit der dienſtlichen Stellung verbundenen Obliegenheiten iſt geſichert durch die Beſtimmungen im Militair- Strafgeſetzb. §. 64 ff. über die Beſtrafung der unerlaubten Ent- fernung von der Dienſtſtellung. Eine freiwillige Entfernung von der Dienſtſtellung iſt nur geſtattet nach vorher eingeholtem Urlaub. Die Beſtimmungen über Urlaubsertheilungen ſind — unter Auf- hebung aller früheren Anordnungen — zuſammengefaßt worden in der Verordnung vom 23. Oktober 1879 (Armee-V.Bl. S. 223 fg.); für Militairärzte in der V. vom 6. Febr. 1873 §§. 30. 31. Iſt ein Offizier durch Krankheit an der Wahrnehmung des Dienſtes verhindert, ſo iſt er verpflichtet dies beim Feldwebel reſp. Adju- tanten melden zu laſſen und es ſteht dem Vorgeſetzten frei, ſich von dem Krankheitszuſtande durch den Bataillons- oder Regiments- Arzt in Kenntniß zu erhalten 1). Ob Offiziere im aktiven Dienſte zum Eintritt in den Reichs- tag eines Urlaubs bedürfen, iſt zweifelhaft. Da Offiziere unter den allgemeinen Begriff der Beamten fallen und Militairperſonen hinſichtlich der Wählbarkeit in den Reichstag keiner Beſchränkung unterworfen ſind, ſo iſt es wol dem Sinne des Art. 21 Abſ. 1 der R.V. entſprechend, ihn auch auf Offiziere zu beziehen; anderer- ſeits iſt aber nicht zu überſehen, daß nach dem regelmäßigen Sprachgebrauch der Reichsgeſetze der Ausdruck Beamte die Per- ſonen des Soldatenſtandes nicht mit umfaßt 2). 1) Frölich I S. 204. 2) Der Entw. zum Mil.Geſ. §. 44 Abſ. 2 enthielt eine Beſtimmung, wo-

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/232>, abgerufen am 24.11.2024.