Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.§. 92. Begriff der Militairlasten und allgemeine Rechtssätze. angehörigen, einen der Staatsgewalt unterworfenen Menschen vor-aus; die Militairlasten treffen das der Staatsgewalt unterworfene Vermögen. Ihnen unterliegen daher auch alle juristischen Personen und alle Ausländer, wofern sie im Inlande solche Vermögensstücke haben, welche von den Militairlasten berührt werden, z. B. Wohn- räume, Grundstücke im Festungsrayon, Pferde, Schiffe u. s. w. Andererseits bleiben die Staatsangehörigen unberührt von den Militairlasten hinsichtlich derjenigen Vermögensstücke, die sie im Auslande haben 1). Aus dem pekuniären Inhalt der Militairlasten ergiebt sich Die Wehrpflicht ist ferner eine allgemeine, gleiche Unterthanen- 1) Man kann diesen Gedanken auch so ausdrücken, daß bei der Wehrpflicht
die Personalhoheit, bei den Militairlasten die Territorialhoheit zur Geltung kömmt, denn die Wehrpflicht beruht auf der Rechtsmacht des Reiches über die ihm angehörigen Personen, die Militairlast auf der Rechtsmacht des Reiches über das im Bundesgebiet befindliche Vermögen. Ein solcher Gedanke scheint dem §. 1 des Kriegsleistungsgesetzes zu Grunde zu liegen, welcher die Ver- pflichtung zu Kriegsleistungen als "eine Verpflichtung des Bundes- gebiets" erklärt. Der Berichterstatter des Reichstages sagte, diese Fassung sei gewählt worden, "um klar auszudrücken, daß das Bundesgebiet das in erster Linie zu den Kriegsleistungen verpflichtete Subjekt sei." Stenogr. Berichte 1873 S. 573. Das ist nun freilich sehr unjuristisch; denn das Bundesgebiet ist kein Subjekt und kann nicht "verpflichtet" sein. Es ist vielmehr ein an sich richtiger, aber nicht zu bewußter Erkenntniß ge- kommener Gedanke in den citirten Worten des §. 1 sehr unklar ausgedrückt worden. §. 92. Begriff der Militairlaſten und allgemeine Rechtsſätze. angehörigen, einen der Staatsgewalt unterworfenen Menſchen vor-aus; die Militairlaſten treffen das der Staatsgewalt unterworfene Vermögen. Ihnen unterliegen daher auch alle juriſtiſchen Perſonen und alle Ausländer, wofern ſie im Inlande ſolche Vermögensſtücke haben, welche von den Militairlaſten berührt werden, z. B. Wohn- räume, Grundſtücke im Feſtungsrayon, Pferde, Schiffe u. ſ. w. Andererſeits bleiben die Staatsangehörigen unberührt von den Militairlaſten hinſichtlich derjenigen Vermögensſtücke, die ſie im Auslande haben 1). Aus dem pekuniären Inhalt der Militairlaſten ergiebt ſich Die Wehrpflicht iſt ferner eine allgemeine, gleiche Unterthanen- 1) Man kann dieſen Gedanken auch ſo ausdrücken, daß bei der Wehrpflicht
die Perſonalhoheit, bei den Militairlaſten die Territorialhoheit zur Geltung kömmt, denn die Wehrpflicht beruht auf der Rechtsmacht des Reiches über die ihm angehörigen Perſonen, die Militairlaſt auf der Rechtsmacht des Reiches über das im Bundesgebiet befindliche Vermögen. Ein ſolcher Gedanke ſcheint dem §. 1 des Kriegsleiſtungsgeſetzes zu Grunde zu liegen, welcher die Ver- pflichtung zu Kriegsleiſtungen als „eine Verpflichtung des Bundes- gebiets“ erklärt. Der Berichterſtatter des Reichstages ſagte, dieſe Faſſung ſei gewählt worden, „um klar auszudrücken, daß das Bundesgebiet das in erſter Linie zu den Kriegsleiſtungen verpflichtete Subjekt ſei.“ Stenogr. Berichte 1873 S. 573. Das iſt nun freilich ſehr unjuriſtiſch; denn das Bundesgebiet iſt kein Subjekt und kann nicht „verpflichtet“ ſein. Es iſt vielmehr ein an ſich richtiger, aber nicht zu bewußter Erkenntniß ge- kommener Gedanke in den citirten Worten des §. 1 ſehr unklar ausgedrückt worden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0322" n="312"/><fw place="top" type="header">§. 92. Begriff der Militairlaſten und allgemeine Rechtsſätze.</fw><lb/> angehörigen, einen der Staatsgewalt unterworfenen Menſchen vor-<lb/> aus; die Militairlaſten treffen das der Staatsgewalt unterworfene<lb/> Vermögen. Ihnen unterliegen daher auch alle juriſtiſchen Perſonen<lb/> und alle Ausländer, wofern ſie im Inlande ſolche Vermögensſtücke<lb/> haben, welche von den Militairlaſten berührt werden, z. B. Wohn-<lb/> räume, Grundſtücke im Feſtungsrayon, Pferde, Schiffe u. ſ. w.<lb/> Andererſeits bleiben die Staatsangehörigen unberührt von den<lb/> Militairlaſten hinſichtlich derjenigen Vermögensſtücke, die ſie im<lb/> Auslande haben <note place="foot" n="1)">Man kann dieſen Gedanken auch ſo ausdrücken, daß bei der Wehrpflicht<lb/> die Perſonalhoheit, bei den Militairlaſten die Territorialhoheit zur Geltung<lb/> kömmt, denn die Wehrpflicht beruht auf der Rechtsmacht des Reiches über die<lb/> ihm angehörigen Perſonen, die Militairlaſt auf der Rechtsmacht des Reiches<lb/> über das im Bundesgebiet befindliche Vermögen. Ein ſolcher Gedanke ſcheint<lb/> dem §. 1 des Kriegsleiſtungsgeſetzes zu Grunde zu liegen, welcher die Ver-<lb/> pflichtung zu Kriegsleiſtungen als „<hi rendition="#g">eine Verpflichtung des Bundes-<lb/> gebiets</hi>“ erklärt. Der Berichterſtatter des Reichstages ſagte, dieſe Faſſung<lb/> ſei gewählt worden, „um klar auszudrücken, daß <hi rendition="#g">das Bundesgebiet</hi> das<lb/> in erſter Linie zu den Kriegsleiſtungen verpflichtete Subjekt ſei.“ Stenogr.<lb/> Berichte 1873 S. 573. Das iſt nun freilich ſehr unjuriſtiſch; <hi rendition="#g">denn das<lb/> Bundesgebiet iſt kein Subjekt</hi> und kann nicht „verpflichtet“ ſein.<lb/> Es iſt vielmehr ein an ſich richtiger, aber nicht zu bewußter Erkenntniß ge-<lb/> kommener Gedanke in den citirten Worten des §. 1 <hi rendition="#g">ſehr unklar</hi> ausgedrückt<lb/> worden.</note>.</p><lb/> <p>Aus dem pekuniären Inhalt der Militairlaſten ergiebt ſich<lb/> aber noch eine andere bedeutſame Folge, die einen wichtigen Un-<lb/> terſchied gegenüber dem Militairdienſt begründet. Die Erfüllung<lb/> der Dienſtpflicht iſt eine unſchätzbare und unentgeldliche Leiſtung;<lb/> es iſt oben S. 171 bereits hervorgehoben worden, daß die vom<lb/> Staate den Soldaten gewährte Kleidung, Verpflegung, Löhnung<lb/> u. ſ. w. nicht Lohnzahlung, ſondern Alimentirung iſt. Die Mili-<lb/> tairlaſten dagegen ſind Vermögensleiſtungen und daher in allen<lb/> Fällen abſchätzbar und vergütungsfähig.</p><lb/> <p>Die Wehrpflicht iſt ferner eine allgemeine, gleiche Unterthanen-<lb/> pflicht, die Jeder, der dazu geeignet iſt, nach dem Maße ſeiner<lb/> Kräfte erfüllen muß. Die Militairlaſten dagegen legen einzelnen<lb/> Perſonen nach zufälligen Umſtänden Vermögenseinbußen auf, welche,<lb/> da ſie der Allgemeinheit zu Gute kommen, von dieſer d. h. vom<lb/> Staate getragen werden müſſen. Die Forderung ihrer unentgeld-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [312/0322]
§. 92. Begriff der Militairlaſten und allgemeine Rechtsſätze.
angehörigen, einen der Staatsgewalt unterworfenen Menſchen vor-
aus; die Militairlaſten treffen das der Staatsgewalt unterworfene
Vermögen. Ihnen unterliegen daher auch alle juriſtiſchen Perſonen
und alle Ausländer, wofern ſie im Inlande ſolche Vermögensſtücke
haben, welche von den Militairlaſten berührt werden, z. B. Wohn-
räume, Grundſtücke im Feſtungsrayon, Pferde, Schiffe u. ſ. w.
Andererſeits bleiben die Staatsangehörigen unberührt von den
Militairlaſten hinſichtlich derjenigen Vermögensſtücke, die ſie im
Auslande haben 1).
Aus dem pekuniären Inhalt der Militairlaſten ergiebt ſich
aber noch eine andere bedeutſame Folge, die einen wichtigen Un-
terſchied gegenüber dem Militairdienſt begründet. Die Erfüllung
der Dienſtpflicht iſt eine unſchätzbare und unentgeldliche Leiſtung;
es iſt oben S. 171 bereits hervorgehoben worden, daß die vom
Staate den Soldaten gewährte Kleidung, Verpflegung, Löhnung
u. ſ. w. nicht Lohnzahlung, ſondern Alimentirung iſt. Die Mili-
tairlaſten dagegen ſind Vermögensleiſtungen und daher in allen
Fällen abſchätzbar und vergütungsfähig.
Die Wehrpflicht iſt ferner eine allgemeine, gleiche Unterthanen-
pflicht, die Jeder, der dazu geeignet iſt, nach dem Maße ſeiner
Kräfte erfüllen muß. Die Militairlaſten dagegen legen einzelnen
Perſonen nach zufälligen Umſtänden Vermögenseinbußen auf, welche,
da ſie der Allgemeinheit zu Gute kommen, von dieſer d. h. vom
Staate getragen werden müſſen. Die Forderung ihrer unentgeld-
1) Man kann dieſen Gedanken auch ſo ausdrücken, daß bei der Wehrpflicht
die Perſonalhoheit, bei den Militairlaſten die Territorialhoheit zur Geltung
kömmt, denn die Wehrpflicht beruht auf der Rechtsmacht des Reiches über die
ihm angehörigen Perſonen, die Militairlaſt auf der Rechtsmacht des Reiches
über das im Bundesgebiet befindliche Vermögen. Ein ſolcher Gedanke ſcheint
dem §. 1 des Kriegsleiſtungsgeſetzes zu Grunde zu liegen, welcher die Ver-
pflichtung zu Kriegsleiſtungen als „eine Verpflichtung des Bundes-
gebiets“ erklärt. Der Berichterſtatter des Reichstages ſagte, dieſe Faſſung
ſei gewählt worden, „um klar auszudrücken, daß das Bundesgebiet das
in erſter Linie zu den Kriegsleiſtungen verpflichtete Subjekt ſei.“ Stenogr.
Berichte 1873 S. 573. Das iſt nun freilich ſehr unjuriſtiſch; denn das
Bundesgebiet iſt kein Subjekt und kann nicht „verpflichtet“ ſein.
Es iſt vielmehr ein an ſich richtiger, aber nicht zu bewußter Erkenntniß ge-
kommener Gedanke in den citirten Worten des §. 1 ſehr unklar ausgedrückt
worden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |