Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 82. Die Festungen und Kriegshäfen.

Im Uebrigen findet der Verfassungsgrundsatz, daß die Kosten
und Lasten des Kriegswesens von allen Bundesstaaten gleichmäßig
zu tragen sind, auch hinsichtlich der Festungen Anwendung und
zwar auch auf Bayern. Soweit diese Kosten aus dem regelmäßigen
Etat der Militair-Verwaltung zu bestreiten sind, nimmt Bayern
im Verhältniß der Kopfstärke seines Kontingents, also im Ver-
hältniß seiner Bevölkerung daran Theil, da sich der für das Baye-
rische Kriegswesen zu verwendende, in einer Summe auszuwerfende
Betrag darnach berechnet; und nur in der Verausgabung dieser
Summe ist Bayern selbstständig. Aber auch an den Kosten für
die Herstellung und Ausrüstung neuer Befestigungsanlagen, mögen
dieselben nun auf Bayerischem Staatsgebiete oder auf einem andern
Theile des Bundesgebietes errichtet werden, betheiligt sich Bayern
in dem seiner Bevölkerungszahl entsprechenden Verhältnisse 1). Dieser
Grundsatz ist auch in den Reichsgesetzen vom 8. Juli 1872 (R.G.Bl.
S. 289) und vom 30. Mai 1873 (R.G.Bl. S. 123) thatsächlich
befolgt worden, ebenso in den Ansätzen des Reichshaushalts-Etats 2).

5. Besondere etwas complicirte Rechtsverhältnisse bestehen hin-
sichtlich der Festung Ulm, welche theils auf bayerischem, theils
auf württembergischen Gebiet liegt, dabei aber für das Verthei-
digungssystem Gesammtdeutschlands von so hervorragender Bedeu-
tung ist, daß die Bayerischen und Württembergischen Sonderrechte
hier nicht uneingeschränkte Geltung finden können. Diese Verhält-
nisse sind geregelt in der Vereinbarung zwischen Preußen,
Bayern und Württemberg v. Ulm d. 16. Juni
1874,
zu welcher noch ein Separat-Protokoll vom gleichen Tage zwischen
Preußen und Bayern und ein Separat-Protok. zwischen Preußen
und Württemberg hinzugefügt ist 3). Den Hauptgrundsatz enthält
der Art I, welcher die Festung Ulm beider Ufer für einen ein-
heitlichen
Waffenplatz unter einheitlichem Kommando

material soll eintretenden Falles die Uebereinkunft vom 6. Juli 1869 über das
Material der ehemaligen deutschen Bundesfestungen Anwendung finden.
1) Vertrag vom 23. Nov. 1870 III §. 5 Ziff. V Abs. 2.
2) Die Bemerkungen Blankenburgs in Holtzendorff's Jahrb. I S. 392
(reproduzirt bei v. Rönne II, 2 S. 124) über eine finanzielle Bevorzugung
Bayerns beruhen auf Irrthum. Richtig Thudichum in Holtzend. Jahrb.
II S. 113 und Seydel in Hirth's Annalen 1875 S. 1403.
3) Sämmtl. Protokolle sind gedruckt in den "Militairges. des Deutschen
Reiches" I S. 175 ff.
§. 82. Die Feſtungen und Kriegshäfen.

Im Uebrigen findet der Verfaſſungsgrundſatz, daß die Koſten
und Laſten des Kriegsweſens von allen Bundesſtaaten gleichmäßig
zu tragen ſind, auch hinſichtlich der Feſtungen Anwendung und
zwar auch auf Bayern. Soweit dieſe Koſten aus dem regelmäßigen
Etat der Militair-Verwaltung zu beſtreiten ſind, nimmt Bayern
im Verhältniß der Kopfſtärke ſeines Kontingents, alſo im Ver-
hältniß ſeiner Bevölkerung daran Theil, da ſich der für das Baye-
riſche Kriegsweſen zu verwendende, in einer Summe auszuwerfende
Betrag darnach berechnet; und nur in der Verausgabung dieſer
Summe iſt Bayern ſelbſtſtändig. Aber auch an den Koſten für
die Herſtellung und Ausrüſtung neuer Befeſtigungsanlagen, mögen
dieſelben nun auf Bayeriſchem Staatsgebiete oder auf einem andern
Theile des Bundesgebietes errichtet werden, betheiligt ſich Bayern
in dem ſeiner Bevölkerungszahl entſprechenden Verhältniſſe 1). Dieſer
Grundſatz iſt auch in den Reichsgeſetzen vom 8. Juli 1872 (R.G.Bl.
S. 289) und vom 30. Mai 1873 (R.G.Bl. S. 123) thatſächlich
befolgt worden, ebenſo in den Anſätzen des Reichshaushalts-Etats 2).

5. Beſondere etwas complicirte Rechtsverhältniſſe beſtehen hin-
ſichtlich der Feſtung Ulm, welche theils auf bayeriſchem, theils
auf württembergiſchen Gebiet liegt, dabei aber für das Verthei-
digungsſyſtem Geſammtdeutſchlands von ſo hervorragender Bedeu-
tung iſt, daß die Bayeriſchen und Württembergiſchen Sonderrechte
hier nicht uneingeſchränkte Geltung finden können. Dieſe Verhält-
niſſe ſind geregelt in der Vereinbarung zwiſchen Preußen,
Bayern und Württemberg v. Ulm d. 16. Juni
1874,
zu welcher noch ein Separat-Protokoll vom gleichen Tage zwiſchen
Preußen und Bayern und ein Separat-Protok. zwiſchen Preußen
und Württemberg hinzugefügt iſt 3). Den Hauptgrundſatz enthält
der Art I, welcher die Feſtung Ulm beider Ufer für einen ein-
heitlichen
Waffenplatz unter einheitlichem Kommando

material ſoll eintretenden Falles die Uebereinkunft vom 6. Juli 1869 über das
Material der ehemaligen deutſchen Bundesfeſtungen Anwendung finden.
1) Vertrag vom 23. Nov. 1870 III §. 5 Ziff. V Abſ. 2.
2) Die Bemerkungen Blankenburgs in Holtzendorff’s Jahrb. I S. 392
(reproduzirt bei v. Rönne II, 2 S. 124) über eine finanzielle Bevorzugung
Bayerns beruhen auf Irrthum. Richtig Thudichum in Holtzend. Jahrb.
II S. 113 und Seydel in Hirth’s Annalen 1875 S. 1403.
3) Sämmtl. Protokolle ſind gedruckt in den „Militairgeſ. des Deutſchen
Reiches“ I S. 175 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0087" n="77"/>
            <fw place="top" type="header">§. 82. Die Fe&#x017F;tungen und Kriegshäfen.</fw><lb/>
            <p>Im Uebrigen findet der Verfa&#x017F;&#x017F;ungsgrund&#x017F;atz, daß die Ko&#x017F;ten<lb/>
und La&#x017F;ten des Kriegswe&#x017F;ens von allen Bundes&#x017F;taaten gleichmäßig<lb/>
zu tragen &#x017F;ind, auch hin&#x017F;ichtlich der Fe&#x017F;tungen Anwendung und<lb/>
zwar auch auf Bayern. Soweit die&#x017F;e Ko&#x017F;ten aus dem regelmäßigen<lb/>
Etat der Militair-Verwaltung zu be&#x017F;treiten &#x017F;ind, nimmt Bayern<lb/>
im Verhältniß der Kopf&#x017F;tärke &#x017F;eines Kontingents, al&#x017F;o im Ver-<lb/>
hältniß &#x017F;einer Bevölkerung daran Theil, da &#x017F;ich der für das Baye-<lb/>
ri&#x017F;che Kriegswe&#x017F;en zu verwendende, in einer Summe auszuwerfende<lb/>
Betrag darnach berechnet; und nur in der <hi rendition="#g">Verausgabung</hi> die&#x017F;er<lb/>
Summe i&#x017F;t Bayern &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändig. Aber auch an den Ko&#x017F;ten für<lb/>
die Her&#x017F;tellung und Ausrü&#x017F;tung <hi rendition="#g">neuer</hi> Befe&#x017F;tigungsanlagen, mögen<lb/>
die&#x017F;elben nun auf Bayeri&#x017F;chem Staatsgebiete oder auf einem andern<lb/>
Theile des Bundesgebietes errichtet werden, betheiligt &#x017F;ich Bayern<lb/>
in dem &#x017F;einer Bevölkerungszahl ent&#x017F;prechenden Verhältni&#x017F;&#x017F;e <note place="foot" n="1)">Vertrag vom 23. Nov. 1870 <hi rendition="#aq">III</hi> §. 5 Ziff. <hi rendition="#aq">V</hi> Ab&#x017F;. 2.</note>. Die&#x017F;er<lb/>
Grund&#x017F;atz i&#x017F;t auch in den Reichsge&#x017F;etzen vom 8. Juli 1872 (R.G.Bl.<lb/>
S. 289) und vom 30. Mai 1873 (R.G.Bl. S. 123) that&#x017F;ächlich<lb/>
befolgt worden, eben&#x017F;o in den An&#x017F;ätzen des Reichshaushalts-Etats <note place="foot" n="2)">Die Bemerkungen <hi rendition="#g">Blankenburgs</hi> in Holtzendorff&#x2019;s Jahrb. <hi rendition="#aq">I</hi> S. 392<lb/>
(reproduzirt bei v. <hi rendition="#g">Rönne</hi> <hi rendition="#aq">II</hi>, 2 S. 124) über eine finanzielle Bevorzugung<lb/>
Bayerns beruhen auf Irrthum. Richtig <hi rendition="#g">Thudichum</hi> in Holtzend. Jahrb.<lb/><hi rendition="#aq">II</hi> S. 113 und <hi rendition="#g">Seydel</hi> in Hirth&#x2019;s Annalen 1875 S. 1403.</note>.</p><lb/>
            <p>5. Be&#x017F;ondere etwas complicirte Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;tehen hin-<lb/>
&#x017F;ichtlich der Fe&#x017F;tung <hi rendition="#g">Ulm</hi>, welche theils auf bayeri&#x017F;chem, theils<lb/>
auf württembergi&#x017F;chen Gebiet liegt, dabei aber für das Verthei-<lb/>
digungs&#x017F;y&#x017F;tem Ge&#x017F;ammtdeut&#x017F;chlands von &#x017F;o hervorragender Bedeu-<lb/>
tung i&#x017F;t, daß die Bayeri&#x017F;chen und Württembergi&#x017F;chen Sonderrechte<lb/>
hier nicht uneinge&#x017F;chränkte Geltung finden können. Die&#x017F;e Verhält-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind geregelt in der <hi rendition="#g">Vereinbarung zwi&#x017F;chen Preußen,<lb/>
Bayern und Württemberg v. Ulm d. 16. Juni</hi> 1874,<lb/>
zu welcher noch ein Separat-Protokoll vom gleichen Tage zwi&#x017F;chen<lb/>
Preußen und Bayern und ein Separat-Protok. zwi&#x017F;chen Preußen<lb/>
und Württemberg hinzugefügt i&#x017F;t <note place="foot" n="3)">Sämmtl. Protokolle &#x017F;ind gedruckt in den &#x201E;Militairge&#x017F;. des Deut&#x017F;chen<lb/>
Reiches&#x201C; <hi rendition="#aq">I</hi> S. 175 ff.</note>. Den Hauptgrund&#x017F;atz enthält<lb/>
der Art <hi rendition="#aq">I</hi>, welcher die Fe&#x017F;tung Ulm beider Ufer für einen <hi rendition="#g">ein-<lb/>
heitlichen</hi> Waffenplatz unter <hi rendition="#g">einheitlichem Kommando</hi><lb/><note xml:id="seg2pn_10_2" prev="#seg2pn_10_1" place="foot" n="6)">material &#x017F;oll eintretenden Falles die Uebereinkunft vom 6. Juli 1869 über das<lb/>
Material der ehemaligen deut&#x017F;chen Bundesfe&#x017F;tungen Anwendung finden.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0087] §. 82. Die Feſtungen und Kriegshäfen. Im Uebrigen findet der Verfaſſungsgrundſatz, daß die Koſten und Laſten des Kriegsweſens von allen Bundesſtaaten gleichmäßig zu tragen ſind, auch hinſichtlich der Feſtungen Anwendung und zwar auch auf Bayern. Soweit dieſe Koſten aus dem regelmäßigen Etat der Militair-Verwaltung zu beſtreiten ſind, nimmt Bayern im Verhältniß der Kopfſtärke ſeines Kontingents, alſo im Ver- hältniß ſeiner Bevölkerung daran Theil, da ſich der für das Baye- riſche Kriegsweſen zu verwendende, in einer Summe auszuwerfende Betrag darnach berechnet; und nur in der Verausgabung dieſer Summe iſt Bayern ſelbſtſtändig. Aber auch an den Koſten für die Herſtellung und Ausrüſtung neuer Befeſtigungsanlagen, mögen dieſelben nun auf Bayeriſchem Staatsgebiete oder auf einem andern Theile des Bundesgebietes errichtet werden, betheiligt ſich Bayern in dem ſeiner Bevölkerungszahl entſprechenden Verhältniſſe 1). Dieſer Grundſatz iſt auch in den Reichsgeſetzen vom 8. Juli 1872 (R.G.Bl. S. 289) und vom 30. Mai 1873 (R.G.Bl. S. 123) thatſächlich befolgt worden, ebenſo in den Anſätzen des Reichshaushalts-Etats 2). 5. Beſondere etwas complicirte Rechtsverhältniſſe beſtehen hin- ſichtlich der Feſtung Ulm, welche theils auf bayeriſchem, theils auf württembergiſchen Gebiet liegt, dabei aber für das Verthei- digungsſyſtem Geſammtdeutſchlands von ſo hervorragender Bedeu- tung iſt, daß die Bayeriſchen und Württembergiſchen Sonderrechte hier nicht uneingeſchränkte Geltung finden können. Dieſe Verhält- niſſe ſind geregelt in der Vereinbarung zwiſchen Preußen, Bayern und Württemberg v. Ulm d. 16. Juni 1874, zu welcher noch ein Separat-Protokoll vom gleichen Tage zwiſchen Preußen und Bayern und ein Separat-Protok. zwiſchen Preußen und Württemberg hinzugefügt iſt 3). Den Hauptgrundſatz enthält der Art I, welcher die Feſtung Ulm beider Ufer für einen ein- heitlichen Waffenplatz unter einheitlichem Kommando 6) 1) Vertrag vom 23. Nov. 1870 III §. 5 Ziff. V Abſ. 2. 2) Die Bemerkungen Blankenburgs in Holtzendorff’s Jahrb. I S. 392 (reproduzirt bei v. Rönne II, 2 S. 124) über eine finanzielle Bevorzugung Bayerns beruhen auf Irrthum. Richtig Thudichum in Holtzend. Jahrb. II S. 113 und Seydel in Hirth’s Annalen 1875 S. 1403. 3) Sämmtl. Protokolle ſind gedruckt in den „Militairgeſ. des Deutſchen Reiches“ I S. 175 ff. 6) material ſoll eintretenden Falles die Uebereinkunft vom 6. Juli 1869 über das Material der ehemaligen deutſchen Bundesfeſtungen Anwendung finden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/87
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/87>, abgerufen am 24.11.2024.