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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 83. Das stehende Heer.
deren Geltung für die Armee-Verwaltung selbstverständlich ist, es
sei denn, daß dieselbe davon besonders ausgenommen wäre. Dem
Militairgesetz-Entwurf ist ein Verzeichniß sämmtlicher im Reichs-
heer (mit Ausnahme Bayerns) erforderlichen Offiziere, Aerzte
und Beamten beigefügt und dem Reichstage vorgelegt worden 1).
Diesem Verzeichniß kömmt irgend welche formale Gesetzeskraft nicht
zu und es ist insbesondere nicht zum Bestandtheile des Militair-
gesetzes gemacht worden; allein es bildet die Grundlage für die
Ansätze des Militair-Etats im Reichshaushaltsgesetze seit 1875 2).
Durch die erwähnte Anordnung im §. 4 des Mil.Ges. ist nur an-
erkannt, daß die allgemeinen Regeln des Budgetrechts durch Art. 62
und 63 der R.V. hinsichtlich des Heerwesens nicht modifizirt sind.
Zu beachten ist aber, daß ein Etatsgesetz-Entwurf, welcher an den
bestehenden Einrichtungen des Heerwesens Veränderungen hervor-
bringen würde, als vom Bundesrath abgelehnt gilt wenn
sich die Stimme des Präsidiums gegen denselben erklärt,
R.V. Art. 5 Abs. 2, und es kann kein Zweifel darüber obwalten,
daß die einmal gültig errichteten und in den früheren Etatsgesetzen
genehmigten Offizier- und Beamtenstellen zu den "bestehenden Ein-
richtungen" des Heerwesens gehören.

II. Die Friedenspräsenzstärke.

Die Kadres sind gleichsam die Zellen, aus denen der Körper-
bau des Heeres gebildet ist; es frägt sich nun, wie dieselben aus-
gefüllt werden, wie viele Wehrpflichtige in dieselben eintreten. Erst
dadurch verbindet sich mit den Ausdrücken Bataillon, Eskadron
und Batterie ein festbestimmter und präziser Sinn, daß man nicht
nur die zu diesen Formationen erforderlichen Offiziere etc., sondern
auch die dazu gehörenden Mannschaften angibt. Leider hat die
Reichsgesetzgebung dies nicht gethan und deshalb auch die "feste
gesetzliche Grundlage" für die Heeresorganisation nicht geschaffen,
die von so vielen Seiten als durchaus nothwendig und wünschens-
werth erklärt worden ist. Wäre dies wirklich die ernste Absicht
gewesen, so hätte man nur nöthig gehabt, dem §. 2 des Militair-

1) Drucks. des Reichst. I Sess. 1874 Beilage zu Nro. 9.
2) In dem Etat von 1877/78 trat eine Erhöhung der Hauptmannsstellen
ein (105 und demgemäß noch 18 in Bayern), indem jedes Infanterie-Regiment
13 Hauptmannsstellen erhielt.

§. 83. Das ſtehende Heer.
deren Geltung für die Armee-Verwaltung ſelbſtverſtändlich iſt, es
ſei denn, daß dieſelbe davon beſonders ausgenommen wäre. Dem
Militairgeſetz-Entwurf iſt ein Verzeichniß ſämmtlicher im Reichs-
heer (mit Ausnahme Bayerns) erforderlichen Offiziere, Aerzte
und Beamten beigefügt und dem Reichstage vorgelegt worden 1).
Dieſem Verzeichniß kömmt irgend welche formale Geſetzeskraft nicht
zu und es iſt insbeſondere nicht zum Beſtandtheile des Militair-
geſetzes gemacht worden; allein es bildet die Grundlage für die
Anſätze des Militair-Etats im Reichshaushaltsgeſetze ſeit 1875 2).
Durch die erwähnte Anordnung im §. 4 des Mil.Geſ. iſt nur an-
erkannt, daß die allgemeinen Regeln des Budgetrechts durch Art. 62
und 63 der R.V. hinſichtlich des Heerweſens nicht modifizirt ſind.
Zu beachten iſt aber, daß ein Etatsgeſetz-Entwurf, welcher an den
beſtehenden Einrichtungen des Heerweſens Veränderungen hervor-
bringen würde, als vom Bundesrath abgelehnt gilt wenn
ſich die Stimme des Präſidiums gegen denſelben erklärt,
R.V. Art. 5 Abſ. 2, und es kann kein Zweifel darüber obwalten,
daß die einmal gültig errichteten und in den früheren Etatsgeſetzen
genehmigten Offizier- und Beamtenſtellen zu den „beſtehenden Ein-
richtungen“ des Heerweſens gehören.

II. Die Friedenspräſenzſtärke.

Die Kadres ſind gleichſam die Zellen, aus denen der Körper-
bau des Heeres gebildet iſt; es frägt ſich nun, wie dieſelben aus-
gefüllt werden, wie viele Wehrpflichtige in dieſelben eintreten. Erſt
dadurch verbindet ſich mit den Ausdrücken Bataillon, Eskadron
und Batterie ein feſtbeſtimmter und präziſer Sinn, daß man nicht
nur die zu dieſen Formationen erforderlichen Offiziere ꝛc., ſondern
auch die dazu gehörenden Mannſchaften angibt. Leider hat die
Reichsgeſetzgebung dies nicht gethan und deshalb auch die „feſte
geſetzliche Grundlage“ für die Heeresorganiſation nicht geſchaffen,
die von ſo vielen Seiten als durchaus nothwendig und wünſchens-
werth erklärt worden iſt. Wäre dies wirklich die ernſte Abſicht
geweſen, ſo hätte man nur nöthig gehabt, dem §. 2 des Militair-

1) Druckſ. des Reichst. I Seſſ. 1874 Beilage zu Nro. 9.
2) In dem Etat von 1877/78 trat eine Erhöhung der Hauptmannsſtellen
ein (105 und demgemäß noch 18 in Bayern), indem jedes Infanterie-Regiment
13 Hauptmannsſtellen erhielt.
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[84/0094] §. 83. Das ſtehende Heer. deren Geltung für die Armee-Verwaltung ſelbſtverſtändlich iſt, es ſei denn, daß dieſelbe davon beſonders ausgenommen wäre. Dem Militairgeſetz-Entwurf iſt ein Verzeichniß ſämmtlicher im Reichs- heer (mit Ausnahme Bayerns) erforderlichen Offiziere, Aerzte und Beamten beigefügt und dem Reichstage vorgelegt worden 1). Dieſem Verzeichniß kömmt irgend welche formale Geſetzeskraft nicht zu und es iſt insbeſondere nicht zum Beſtandtheile des Militair- geſetzes gemacht worden; allein es bildet die Grundlage für die Anſätze des Militair-Etats im Reichshaushaltsgeſetze ſeit 1875 2). Durch die erwähnte Anordnung im §. 4 des Mil.Geſ. iſt nur an- erkannt, daß die allgemeinen Regeln des Budgetrechts durch Art. 62 und 63 der R.V. hinſichtlich des Heerweſens nicht modifizirt ſind. Zu beachten iſt aber, daß ein Etatsgeſetz-Entwurf, welcher an den beſtehenden Einrichtungen des Heerweſens Veränderungen hervor- bringen würde, als vom Bundesrath abgelehnt gilt wenn ſich die Stimme des Präſidiums gegen denſelben erklärt, R.V. Art. 5 Abſ. 2, und es kann kein Zweifel darüber obwalten, daß die einmal gültig errichteten und in den früheren Etatsgeſetzen genehmigten Offizier- und Beamtenſtellen zu den „beſtehenden Ein- richtungen“ des Heerweſens gehören. II. Die Friedenspräſenzſtärke. Die Kadres ſind gleichſam die Zellen, aus denen der Körper- bau des Heeres gebildet iſt; es frägt ſich nun, wie dieſelben aus- gefüllt werden, wie viele Wehrpflichtige in dieſelben eintreten. Erſt dadurch verbindet ſich mit den Ausdrücken Bataillon, Eskadron und Batterie ein feſtbeſtimmter und präziſer Sinn, daß man nicht nur die zu dieſen Formationen erforderlichen Offiziere ꝛc., ſondern auch die dazu gehörenden Mannſchaften angibt. Leider hat die Reichsgeſetzgebung dies nicht gethan und deshalb auch die „feſte geſetzliche Grundlage“ für die Heeresorganiſation nicht geſchaffen, die von ſo vielen Seiten als durchaus nothwendig und wünſchens- werth erklärt worden iſt. Wäre dies wirklich die ernſte Abſicht geweſen, ſo hätte man nur nöthig gehabt, dem §. 2 des Militair- 1) Druckſ. des Reichst. I Seſſ. 1874 Beilage zu Nro. 9. 2) In dem Etat von 1877/78 trat eine Erhöhung der Hauptmannsſtellen ein (105 und demgemäß noch 18 in Bayern), indem jedes Infanterie-Regiment 13 Hauptmannsſtellen erhielt.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/94>, abgerufen am 24.11.2024.