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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 83. Das stehende Heer.
leisten hat; sie ist die Normalziffer hinsichtlich der Ansätze des
Militair-Etats, also für das Quantum an finanziellen
Leistungen, die das Volk für das Militairwesen zu machen hat 1).

Aus dieser finanziellen Bedeutung erklärt sich, daß in diese
Präsenzstärke alle diejenigen Militairpersonen nicht eingerechnet wer-
den, welche den normalen Friedensverpflegungs-Etats nicht zur Last
fallen, sondern welche entweder Nichts erhalten, wie die Einjährig-
Freiwilligen, oder deren Bezüge aus besonderen Fonds bestritten
werden, wie die zu Uebungen eingezogenen Reserve- und Land-
wehrmannschaften, die einberufenen Verstärkungen aus besonderen
politischen Veranlassungen u. s. w.

4. Die Friedens-Präsenzstärke gilt nach dem gegenwärtigen
Zustande der Reichsgesetzgebung nur bis zum Ablauf des Jahres
1881. Mit diesem Zeitpunkt tritt die Vorschrift des Art. 60 der
R.V. wieder ein: "Für die spätere Zeit wird die Friedens-Prä-
senzstärke des Heeres im Wege der Reichsgetzgebung
festgestellt." Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung und nach der
erörterten Bedeutung der gesetzlichen Ziffer kann es keinem be-
gründeten Zweifel unterliegen, daß die Feststellung auch durch den
Reichshaushalts-Etat erfolgen kann. So wenig wünschenswerth
es auch ist, daß eine der wesentlichsten Grundlagen der Heeres-
verfassung und der Finanzwirthschaft von einer Etatsperiode zur
andern in Frage gestellt und zum Gegenstande immer wiederkehren-
der Verhandlungen gemacht werde, so sehr daher Zweckmäßigkeits-
Gründe dafür sprechen, die Präsenzstärke in einem besonderen Ge-
setz dauernd oder für längere Zeit festzustellen, so besteht doch
rechtlich keine Nöthigung hierzu. Denn Art. 60 verlangt nur
die Feststellung "im Wege der Reichsgesetzgebung",
also die Beobachtung der für die Reichsgesetzgebung vorgesehenen
Form 2); diese Form wird aber bei der Feststellung des Reichs-
haushalts-Etats beobachtet 3) und es ist demnach der Vorschrift

1) In diesem Sinne gab der Berichterstatter des Reichstages (Miquel)
eine Erläuterung des §. 1 des Regierungs-Entwurfs, welche er ausdrücklich
als eine authentische, von der Regierung selbst abgegebene, bezeichnete. (Stenogr.
Berichte I Sess. 1874 S. 751.) Vgl. auch Seydel a. a. O. S. 1409, dessen
Erörterungen bei v. Rönne II, 2 S. 149 fast wörtlich abgedruckt sind.
2) Vgl. Bd. II §. 58.
3) R.V. Art. 69.

§. 83. Das ſtehende Heer.
leiſten hat; ſie iſt die Normalziffer hinſichtlich der Anſätze des
Militair-Etats, alſo für das Quantum an finanziellen
Leiſtungen, die das Volk für das Militairweſen zu machen hat 1).

Aus dieſer finanziellen Bedeutung erklärt ſich, daß in dieſe
Präſenzſtärke alle diejenigen Militairperſonen nicht eingerechnet wer-
den, welche den normalen Friedensverpflegungs-Etats nicht zur Laſt
fallen, ſondern welche entweder Nichts erhalten, wie die Einjährig-
Freiwilligen, oder deren Bezüge aus beſonderen Fonds beſtritten
werden, wie die zu Uebungen eingezogenen Reſerve- und Land-
wehrmannſchaften, die einberufenen Verſtärkungen aus beſonderen
politiſchen Veranlaſſungen u. ſ. w.

4. Die Friedens-Präſenzſtärke gilt nach dem gegenwärtigen
Zuſtande der Reichsgeſetzgebung nur bis zum Ablauf des Jahres
1881. Mit dieſem Zeitpunkt tritt die Vorſchrift des Art. 60 der
R.V. wieder ein: „Für die ſpätere Zeit wird die Friedens-Prä-
ſenzſtärke des Heeres im Wege der Reichsgetzgebung
feſtgeſtellt.“ Nach dem Wortlaut dieſer Beſtimmung und nach der
erörterten Bedeutung der geſetzlichen Ziffer kann es keinem be-
gründeten Zweifel unterliegen, daß die Feſtſtellung auch durch den
Reichshaushalts-Etat erfolgen kann. So wenig wünſchenswerth
es auch iſt, daß eine der weſentlichſten Grundlagen der Heeres-
verfaſſung und der Finanzwirthſchaft von einer Etatsperiode zur
andern in Frage geſtellt und zum Gegenſtande immer wiederkehren-
der Verhandlungen gemacht werde, ſo ſehr daher Zweckmäßigkeits-
Gründe dafür ſprechen, die Präſenzſtärke in einem beſonderen Ge-
ſetz dauernd oder für längere Zeit feſtzuſtellen, ſo beſteht doch
rechtlich keine Nöthigung hierzu. Denn Art. 60 verlangt nur
die Feſtſtellung „im Wege der Reichsgeſetzgebung“,
alſo die Beobachtung der für die Reichsgeſetzgebung vorgeſehenen
Form 2); dieſe Form wird aber bei der Feſtſtellung des Reichs-
haushalts-Etats beobachtet 3) und es iſt demnach der Vorſchrift

1) In dieſem Sinne gab der Berichterſtatter des Reichstages (Miquél)
eine Erläuterung des §. 1 des Regierungs-Entwurfs, welche er ausdrücklich
als eine authentiſche, von der Regierung ſelbſt abgegebene, bezeichnete. (Stenogr.
Berichte I Seſſ. 1874 S. 751.) Vgl. auch Seydel a. a. O. S. 1409, deſſen
Erörterungen bei v. Rönne II, 2 S. 149 faſt wörtlich abgedruckt ſind.
2) Vgl. Bd. II §. 58.
3) R.V. Art. 69.
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[89/0099] §. 83. Das ſtehende Heer. leiſten hat; ſie iſt die Normalziffer hinſichtlich der Anſätze des Militair-Etats, alſo für das Quantum an finanziellen Leiſtungen, die das Volk für das Militairweſen zu machen hat 1). Aus dieſer finanziellen Bedeutung erklärt ſich, daß in dieſe Präſenzſtärke alle diejenigen Militairperſonen nicht eingerechnet wer- den, welche den normalen Friedensverpflegungs-Etats nicht zur Laſt fallen, ſondern welche entweder Nichts erhalten, wie die Einjährig- Freiwilligen, oder deren Bezüge aus beſonderen Fonds beſtritten werden, wie die zu Uebungen eingezogenen Reſerve- und Land- wehrmannſchaften, die einberufenen Verſtärkungen aus beſonderen politiſchen Veranlaſſungen u. ſ. w. 4. Die Friedens-Präſenzſtärke gilt nach dem gegenwärtigen Zuſtande der Reichsgeſetzgebung nur bis zum Ablauf des Jahres 1881. Mit dieſem Zeitpunkt tritt die Vorſchrift des Art. 60 der R.V. wieder ein: „Für die ſpätere Zeit wird die Friedens-Prä- ſenzſtärke des Heeres im Wege der Reichsgetzgebung feſtgeſtellt.“ Nach dem Wortlaut dieſer Beſtimmung und nach der erörterten Bedeutung der geſetzlichen Ziffer kann es keinem be- gründeten Zweifel unterliegen, daß die Feſtſtellung auch durch den Reichshaushalts-Etat erfolgen kann. So wenig wünſchenswerth es auch iſt, daß eine der weſentlichſten Grundlagen der Heeres- verfaſſung und der Finanzwirthſchaft von einer Etatsperiode zur andern in Frage geſtellt und zum Gegenſtande immer wiederkehren- der Verhandlungen gemacht werde, ſo ſehr daher Zweckmäßigkeits- Gründe dafür ſprechen, die Präſenzſtärke in einem beſonderen Ge- ſetz dauernd oder für längere Zeit feſtzuſtellen, ſo beſteht doch rechtlich keine Nöthigung hierzu. Denn Art. 60 verlangt nur die Feſtſtellung „im Wege der Reichsgeſetzgebung“, alſo die Beobachtung der für die Reichsgeſetzgebung vorgeſehenen Form 2); dieſe Form wird aber bei der Feſtſtellung des Reichs- haushalts-Etats beobachtet 3) und es iſt demnach der Vorſchrift 1) In dieſem Sinne gab der Berichterſtatter des Reichstages (Miquél) eine Erläuterung des §. 1 des Regierungs-Entwurfs, welche er ausdrücklich als eine authentiſche, von der Regierung ſelbſt abgegebene, bezeichnete. (Stenogr. Berichte I Seſſ. 1874 S. 751.) Vgl. auch Seydel a. a. O. S. 1409, deſſen Erörterungen bei v. Rönne II, 2 S. 149 faſt wörtlich abgedruckt ſind. 2) Vgl. Bd. II §. 58. 3) R.V. Art. 69.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/99>, abgerufen am 22.11.2024.