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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 102. Die Staatsanwaltschaft.
digungssachen) die Thätigkeit einer von den Gerichten verschiedenen
Behörde, welche die Bezeichnung Staatsanwaltschaft führt. Hier-
durch ist die Einrichtung einer solchen bei dem Reichsgericht er-
forderlich gemacht und den Einzelstaaten die Ver-
pflichtung auferlegt worden
, für das Bestehen von
Behörden Sorge zu tragen, welche bei den Landesgerichten die
der Staatsanwaltschaft reichsgesetzlich zugewiesenen Geschäfte wahr-
nehmen. Die prozessualischen Obliegenheiten und Befug-
nisse der Staatsanwaltschaft sind in den Prozeßordnungen normirt;
sie bieten kein spezifisch staatsrechtliches Interesse dar. Für das
Reichsstaatsrecht von Belang sind nur die vom Reiche er-
lassenen Anordnungen, welche die freie Willensbestimmung der
Einzelstaaten hinsichtlich der Organisation dieser Behörden be-
schränken, sowie die Vorschriften über das gegenseitige Verhältniß
der staatsanwaltschaftlichen Behörden verschiedener Einzelstaaten
und des Reichs zu einander, welche im Interesse einheitlicher und
gleichmäßiger Handhabung der Rechtspflege im Bundesgebiet er-
lassen worden sind.

Durch die Identität der staatlichen Aufgabe, an deren Er-
füllung sowohl die Gerichte als auch die Staatsanwaltschaften
mitzuwirken berufen sind, ist eine Uebereinstimmung in der Glie-
derung beider Gattungen von Behörden, sowie eine gewisse Ana-
logie der für dieselben erlassenen reichsgesetzlichen Vorschriften ge-
boten. Es gelten demnach zuvörderst auch hier die beiden ober-
sten Grundsätze, welche die deutsche Gerichtsverfassung überhaupt
beherrschen, nämlich:

1. Alle zum Zwecke der Rechtspflege dienenden Behörden,
mithin auch die Staatsanwaltschaften, sind Landesbehörden und
ihre Mitglieder Landesbeamte. Ausgenommen ist allein, wie
das Reichsgericht selbst, so die beim Reichsgericht bestehende Staats-
anwaltschaft. Den Einzelstaaten steht daher die Einrichtung und
Besetzung dieser Behörden, die finanzielle Dotirung derselben, die
Ernennung, Entlassung und Pensionirung der dazu gehörenden
Beamten, die Dienstaufsicht über dieselben, die Regelung der Dis-
ciplinar- und anderen Dienstverhältnisse u. s. w. zu.

2. Bei Ausübung dieser in der Staatsgewalt der Einzel-
staaten enthaltenen Hoheitsrechte besteht aber ein erheblicher Unter-
schied zwischen dem Gebiete der ordentlichen streitigen Gerichts-

Laband, Reichsstaatsrecht. III. 2. 7

§. 102. Die Staatsanwaltſchaft.
digungsſachen) die Thätigkeit einer von den Gerichten verſchiedenen
Behörde, welche die Bezeichnung Staatsanwaltſchaft führt. Hier-
durch iſt die Einrichtung einer ſolchen bei dem Reichsgericht er-
forderlich gemacht und den Einzelſtaaten die Ver-
pflichtung auferlegt worden
, für das Beſtehen von
Behörden Sorge zu tragen, welche bei den Landesgerichten die
der Staatsanwaltſchaft reichsgeſetzlich zugewieſenen Geſchäfte wahr-
nehmen. Die prozeſſualiſchen Obliegenheiten und Befug-
niſſe der Staatsanwaltſchaft ſind in den Prozeßordnungen normirt;
ſie bieten kein ſpezifiſch ſtaatsrechtliches Intereſſe dar. Für das
Reichsſtaatsrecht von Belang ſind nur die vom Reiche er-
laſſenen Anordnungen, welche die freie Willensbeſtimmung der
Einzelſtaaten hinſichtlich der Organiſation dieſer Behörden be-
ſchränken, ſowie die Vorſchriften über das gegenſeitige Verhältniß
der ſtaatsanwaltſchaftlichen Behörden verſchiedener Einzelſtaaten
und des Reichs zu einander, welche im Intereſſe einheitlicher und
gleichmäßiger Handhabung der Rechtspflege im Bundesgebiet er-
laſſen worden ſind.

Durch die Identität der ſtaatlichen Aufgabe, an deren Er-
füllung ſowohl die Gerichte als auch die Staatsanwaltſchaften
mitzuwirken berufen ſind, iſt eine Uebereinſtimmung in der Glie-
derung beider Gattungen von Behörden, ſowie eine gewiſſe Ana-
logie der für dieſelben erlaſſenen reichsgeſetzlichen Vorſchriften ge-
boten. Es gelten demnach zuvörderſt auch hier die beiden ober-
ſten Grundſätze, welche die deutſche Gerichtsverfaſſung überhaupt
beherrſchen, nämlich:

1. Alle zum Zwecke der Rechtspflege dienenden Behörden,
mithin auch die Staatsanwaltſchaften, ſind Landesbehörden und
ihre Mitglieder Landesbeamte. Ausgenommen iſt allein, wie
das Reichsgericht ſelbſt, ſo die beim Reichsgericht beſtehende Staats-
anwaltſchaft. Den Einzelſtaaten ſteht daher die Einrichtung und
Beſetzung dieſer Behörden, die finanzielle Dotirung derſelben, die
Ernennung, Entlaſſung und Penſionirung der dazu gehörenden
Beamten, die Dienſtaufſicht über dieſelben, die Regelung der Dis-
ciplinar- und anderen Dienſtverhältniſſe u. ſ. w. zu.

2. Bei Ausübung dieſer in der Staatsgewalt der Einzel-
ſtaaten enthaltenen Hoheitsrechte beſteht aber ein erheblicher Unter-
ſchied zwiſchen dem Gebiete der ordentlichen ſtreitigen Gerichts-

Laband, Reichsſtaatsrecht. III. 2. 7
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[97/0107] §. 102. Die Staatsanwaltſchaft. digungsſachen) die Thätigkeit einer von den Gerichten verſchiedenen Behörde, welche die Bezeichnung Staatsanwaltſchaft führt. Hier- durch iſt die Einrichtung einer ſolchen bei dem Reichsgericht er- forderlich gemacht und den Einzelſtaaten die Ver- pflichtung auferlegt worden, für das Beſtehen von Behörden Sorge zu tragen, welche bei den Landesgerichten die der Staatsanwaltſchaft reichsgeſetzlich zugewieſenen Geſchäfte wahr- nehmen. Die prozeſſualiſchen Obliegenheiten und Befug- niſſe der Staatsanwaltſchaft ſind in den Prozeßordnungen normirt; ſie bieten kein ſpezifiſch ſtaatsrechtliches Intereſſe dar. Für das Reichsſtaatsrecht von Belang ſind nur die vom Reiche er- laſſenen Anordnungen, welche die freie Willensbeſtimmung der Einzelſtaaten hinſichtlich der Organiſation dieſer Behörden be- ſchränken, ſowie die Vorſchriften über das gegenſeitige Verhältniß der ſtaatsanwaltſchaftlichen Behörden verſchiedener Einzelſtaaten und des Reichs zu einander, welche im Intereſſe einheitlicher und gleichmäßiger Handhabung der Rechtspflege im Bundesgebiet er- laſſen worden ſind. Durch die Identität der ſtaatlichen Aufgabe, an deren Er- füllung ſowohl die Gerichte als auch die Staatsanwaltſchaften mitzuwirken berufen ſind, iſt eine Uebereinſtimmung in der Glie- derung beider Gattungen von Behörden, ſowie eine gewiſſe Ana- logie der für dieſelben erlaſſenen reichsgeſetzlichen Vorſchriften ge- boten. Es gelten demnach zuvörderſt auch hier die beiden ober- ſten Grundſätze, welche die deutſche Gerichtsverfaſſung überhaupt beherrſchen, nämlich: 1. Alle zum Zwecke der Rechtspflege dienenden Behörden, mithin auch die Staatsanwaltſchaften, ſind Landesbehörden und ihre Mitglieder Landesbeamte. Ausgenommen iſt allein, wie das Reichsgericht ſelbſt, ſo die beim Reichsgericht beſtehende Staats- anwaltſchaft. Den Einzelſtaaten ſteht daher die Einrichtung und Beſetzung dieſer Behörden, die finanzielle Dotirung derſelben, die Ernennung, Entlaſſung und Penſionirung der dazu gehörenden Beamten, die Dienſtaufſicht über dieſelben, die Regelung der Dis- ciplinar- und anderen Dienſtverhältniſſe u. ſ. w. zu. 2. Bei Ausübung dieſer in der Staatsgewalt der Einzel- ſtaaten enthaltenen Hoheitsrechte beſteht aber ein erheblicher Unter- ſchied zwiſchen dem Gebiete der ordentlichen ſtreitigen Gerichts- Laband, Reichsſtaatsrecht. III. 2. 7

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/107>, abgerufen am 23.11.2024.