Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 103. Die Rechtsanwaltschaft.
Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft von den Gerichten als die
einheitliche Leitung der Staatsanwaltschaft durch ihren Chef durch-
brochen; der Beschluß des Strafsenats des Oberlandesgerichts ent-
hält einen für den Staatsanwalt maßgebenden Befehl. Allein
es ist nicht zu verkennen, daß die bloße Zulässigkeit des Antrages
auf gerichtliche Entscheidung an sich schon als eine Schutzwehr
gegen einen tendenziösen Mißbrauch des sogen. Anklage-Monopols
der Staatsanwaltschaft wirkt 1) und daß hierin die wichtigste
Bedeutung und der eigentliche Werth der Einrichtung zu sehen ist,
nicht in der materiellen Entscheidung der einzelnen Fälle, in denen
der Verletzte von diesem Recht Gebrauch macht.

§. 103. Die Rechtsanwaltschaft *).

Die rechtliche Ordnung der Rechtsanwaltschaft im Deutschen
Reiche ist bisher vom Standpunkt des Staatsrechts aus noch
nicht betrachtet worden und doch ist sie durch die bundesstaatliche
Ordnung des Gerichtswesens, ja man kann fast sagen durch die
ganze bundesstaatliche Ordnung des Reiches beherrscht und aus
diesem Grunde nicht ohne staatsrechtliches Interesse. Es sollen

1) Freilich nur in denjenigen Fällen, in denen ein "Verletzter" vorhanden
ist; wo durch eine strafbare Handlung lediglich die öffentliche Ordnung ver-
letzt ist, fehlt die rechtliche Garantie gegen eine parteische Handhabung des
Anklagerechts aus politischen oder persönlichen Motiven. Vgl. Geyer Lehrb.
des Strafprozeßrechts (1880) S. 407 ff.
*) Rechtsanwaltsordnung v. 1. Juli 1878. R.G.Bl. S. 177.
(Entwurf mit Motiven in den Drucksachen des Reichstages v. 1878 Nr. 5.
Kommissionsbericht ebendas. Nr. 173 Verhandlungen des Reichs-
tages v. 1878 Stenograph. Berichte Bd. I. S. 12 ff. Bd. II. S. 1237 ff.
S. 1461 ff. Zu vergleichen sind auch die Verhandlungen der Justiz-Kommission
des Reichstages über das Gerichtsverf.Ges. S. 257 ff. 404 ff. 495 ff. 721 ff.
Gebühren-Ordnung für Rechtsanwälte v. 7. Juli 1879. R.G.Bl.
S. 176. (Entwurf in den Drucksachen des Reichstags v. 1879 Nr. 6. Ver-
handlungen des Reichstages v. 1879 Stenogr. Berichte Bd. I. S. 17 ff. Bd. II.
S. 894 ff. 1573. 1679.)
Kommentare zur R.A.O. von Völk Nördlingen 1878, von Fr. Meyer
Berlin 1879 (in "Die Justizgesetzgebung des Deutschen Reichs von Sarwey
und Thilo II. Abth. 1. Bd.) und von Sydow Berlin 1879. Vgl. auch En-
demann
Civilprozeß Bd. III. S. 553 ff. Kommentar zur Gebührenordnung
von Fr. Meyer 1879 (a. a. O. II. Abth. 3. Bd.)

§. 103. Die Rechtsanwaltſchaft.
Unabhängigkeit der Staatsanwaltſchaft von den Gerichten als die
einheitliche Leitung der Staatsanwaltſchaft durch ihren Chef durch-
brochen; der Beſchluß des Strafſenats des Oberlandesgerichts ent-
hält einen für den Staatsanwalt maßgebenden Befehl. Allein
es iſt nicht zu verkennen, daß die bloße Zuläſſigkeit des Antrages
auf gerichtliche Entſcheidung an ſich ſchon als eine Schutzwehr
gegen einen tendenziöſen Mißbrauch des ſogen. Anklage-Monopols
der Staatsanwaltſchaft wirkt 1) und daß hierin die wichtigſte
Bedeutung und der eigentliche Werth der Einrichtung zu ſehen iſt,
nicht in der materiellen Entſcheidung der einzelnen Fälle, in denen
der Verletzte von dieſem Recht Gebrauch macht.

§. 103. Die Rechtsanwaltſchaft *).

Die rechtliche Ordnung der Rechtsanwaltſchaft im Deutſchen
Reiche iſt bisher vom Standpunkt des Staatsrechts aus noch
nicht betrachtet worden und doch iſt ſie durch die bundesſtaatliche
Ordnung des Gerichtsweſens, ja man kann faſt ſagen durch die
ganze bundesſtaatliche Ordnung des Reiches beherrſcht und aus
dieſem Grunde nicht ohne ſtaatsrechtliches Intereſſe. Es ſollen

1) Freilich nur in denjenigen Fällen, in denen ein „Verletzter“ vorhanden
iſt; wo durch eine ſtrafbare Handlung lediglich die öffentliche Ordnung ver-
letzt iſt, fehlt die rechtliche Garantie gegen eine parteiſche Handhabung des
Anklagerechts aus politiſchen oder perſönlichen Motiven. Vgl. Geyer Lehrb.
des Strafprozeßrechts (1880) S. 407 ff.
*) Rechtsanwaltsordnung v. 1. Juli 1878. R.G.Bl. S. 177.
(Entwurf mit Motiven in den Druckſachen des Reichstages v. 1878 Nr. 5.
Kommiſſionsbericht ebendaſ. Nr. 173 Verhandlungen des Reichs-
tages v. 1878 Stenograph. Berichte Bd. I. S. 12 ff. Bd. II. S. 1237 ff.
S. 1461 ff. Zu vergleichen ſind auch die Verhandlungen der Juſtiz-Kommiſſion
des Reichstages über das Gerichtsverf.Geſ. S. 257 ff. 404 ff. 495 ff. 721 ff.
Gebühren-Ordnung für Rechtsanwälte v. 7. Juli 1879. R.G.Bl.
S. 176. (Entwurf in den Druckſachen des Reichstags v. 1879 Nr. 6. Ver-
handlungen des Reichstages v. 1879 Stenogr. Berichte Bd. I. S. 17 ff. Bd. II.
S. 894 ff. 1573. 1679.)
Kommentare zur R.A.O. von Völk Nördlingen 1878, von Fr. Meyer
Berlin 1879 (in „Die Juſtizgeſetzgebung des Deutſchen Reichs von Sarwey
und Thilo II. Abth. 1. Bd.) und von Sydow Berlin 1879. Vgl. auch En-
demann
Civilprozeß Bd. III. S. 553 ff. Kommentar zur Gebührenordnung
von Fr. Meyer 1879 (a. a. O. II. Abth. 3. Bd.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0119" n="109"/><fw place="top" type="header">§. 103. Die Rechtsanwalt&#x017F;chaft.</fw><lb/>
Unabhängigkeit der Staatsanwalt&#x017F;chaft von den Gerichten als die<lb/>
einheitliche Leitung der Staatsanwalt&#x017F;chaft durch ihren Chef durch-<lb/>
brochen; der Be&#x017F;chluß des Straf&#x017F;enats des Oberlandesgerichts ent-<lb/>
hält einen für den Staatsanwalt maßgebenden <hi rendition="#g">Befehl</hi>. Allein<lb/>
es i&#x017F;t nicht zu verkennen, daß die bloße Zulä&#x017F;&#x017F;igkeit des Antrages<lb/>
auf gerichtliche Ent&#x017F;cheidung an &#x017F;ich &#x017F;chon als eine Schutzwehr<lb/>
gegen einen tendenziö&#x017F;en Mißbrauch des &#x017F;ogen. Anklage-Monopols<lb/>
der Staatsanwalt&#x017F;chaft wirkt <note place="foot" n="1)">Freilich nur in denjenigen Fällen, in denen ein &#x201E;Verletzter&#x201C; vorhanden<lb/>
i&#x017F;t; wo durch eine &#x017F;trafbare Handlung lediglich die öffentliche Ordnung ver-<lb/>
letzt i&#x017F;t, fehlt die rechtliche Garantie gegen eine partei&#x017F;che Handhabung des<lb/>
Anklagerechts aus politi&#x017F;chen oder per&#x017F;önlichen Motiven. Vgl. <hi rendition="#g">Geyer</hi> Lehrb.<lb/>
des Strafprozeßrechts (1880) S. 407 ff.</note> und daß <hi rendition="#g">hierin</hi> die wichtig&#x017F;te<lb/>
Bedeutung und der eigentliche Werth der Einrichtung zu &#x017F;ehen i&#x017F;t,<lb/>
nicht in der materiellen Ent&#x017F;cheidung der einzelnen Fälle, in denen<lb/>
der Verletzte von die&#x017F;em Recht Gebrauch macht.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 103. <hi rendition="#b">Die Rechtsanwalt&#x017F;chaft</hi> <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Rechtsanwaltsordnung</hi> v. 1. Juli 1878. R.G.Bl. S. 177.<lb/>
(Entwurf mit <hi rendition="#g">Motiven</hi> in den Druck&#x017F;achen des Reichstages v. 1878 Nr. 5.<lb/><hi rendition="#g">Kommi&#x017F;&#x017F;ionsbericht</hi> ebenda&#x017F;. Nr. 173 <hi rendition="#g">Verhandlungen</hi> des Reichs-<lb/>
tages v. 1878 Stenograph. Berichte Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 12 ff. Bd. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 1237 ff.<lb/>
S. 1461 ff. Zu vergleichen &#x017F;ind auch die Verhandlungen der Ju&#x017F;tiz-Kommi&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
des Reichstages über das Gerichtsverf.Ge&#x017F;. S. 257 ff. 404 ff. 495 ff. 721 ff.<lb/><hi rendition="#g">Gebühren-Ordnung für Rechtsanwälte</hi> v. 7. Juli 1879. R.G.Bl.<lb/>
S. 176. (Entwurf in den Druck&#x017F;achen des Reichstags v. 1879 Nr. 6. Ver-<lb/>
handlungen des Reichstages v. 1879 Stenogr. Berichte Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 17 ff. Bd. <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/>
S. 894 ff. 1573. 1679.)<lb/><hi rendition="#g">Kommentare</hi> zur R.A.O. von <hi rendition="#g">Völk</hi> Nördlingen 1878, von Fr. <hi rendition="#g">Meyer</hi><lb/>
Berlin 1879 (in &#x201E;Die Ju&#x017F;tizge&#x017F;etzgebung des Deut&#x017F;chen Reichs von Sarwey<lb/>
und Thilo <hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. 1. Bd.) und von <hi rendition="#g">Sydow</hi> Berlin 1879. Vgl. auch <hi rendition="#g">En-<lb/>
demann</hi> Civilprozeß Bd. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 553 ff. Kommentar zur Gebührenordnung<lb/>
von Fr. <hi rendition="#g">Meyer</hi> 1879 (a. a. O. <hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. 3. Bd.)</note>.</head><lb/>
          <p>Die rechtliche Ordnung der Rechtsanwalt&#x017F;chaft im Deut&#x017F;chen<lb/>
Reiche i&#x017F;t bisher vom Standpunkt des Staatsrechts aus noch<lb/>
nicht betrachtet worden und doch i&#x017F;t &#x017F;ie durch die bundes&#x017F;taatliche<lb/>
Ordnung des Gerichtswe&#x017F;ens, ja man kann fa&#x017F;t &#x017F;agen durch die<lb/>
ganze bundes&#x017F;taatliche Ordnung des Reiches beherr&#x017F;cht und aus<lb/>
die&#x017F;em Grunde nicht ohne &#x017F;taatsrechtliches Intere&#x017F;&#x017F;e. Es &#x017F;ollen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0119] §. 103. Die Rechtsanwaltſchaft. Unabhängigkeit der Staatsanwaltſchaft von den Gerichten als die einheitliche Leitung der Staatsanwaltſchaft durch ihren Chef durch- brochen; der Beſchluß des Strafſenats des Oberlandesgerichts ent- hält einen für den Staatsanwalt maßgebenden Befehl. Allein es iſt nicht zu verkennen, daß die bloße Zuläſſigkeit des Antrages auf gerichtliche Entſcheidung an ſich ſchon als eine Schutzwehr gegen einen tendenziöſen Mißbrauch des ſogen. Anklage-Monopols der Staatsanwaltſchaft wirkt 1) und daß hierin die wichtigſte Bedeutung und der eigentliche Werth der Einrichtung zu ſehen iſt, nicht in der materiellen Entſcheidung der einzelnen Fälle, in denen der Verletzte von dieſem Recht Gebrauch macht. §. 103. Die Rechtsanwaltſchaft *). Die rechtliche Ordnung der Rechtsanwaltſchaft im Deutſchen Reiche iſt bisher vom Standpunkt des Staatsrechts aus noch nicht betrachtet worden und doch iſt ſie durch die bundesſtaatliche Ordnung des Gerichtsweſens, ja man kann faſt ſagen durch die ganze bundesſtaatliche Ordnung des Reiches beherrſcht und aus dieſem Grunde nicht ohne ſtaatsrechtliches Intereſſe. Es ſollen 1) Freilich nur in denjenigen Fällen, in denen ein „Verletzter“ vorhanden iſt; wo durch eine ſtrafbare Handlung lediglich die öffentliche Ordnung ver- letzt iſt, fehlt die rechtliche Garantie gegen eine parteiſche Handhabung des Anklagerechts aus politiſchen oder perſönlichen Motiven. Vgl. Geyer Lehrb. des Strafprozeßrechts (1880) S. 407 ff. *) Rechtsanwaltsordnung v. 1. Juli 1878. R.G.Bl. S. 177. (Entwurf mit Motiven in den Druckſachen des Reichstages v. 1878 Nr. 5. Kommiſſionsbericht ebendaſ. Nr. 173 Verhandlungen des Reichs- tages v. 1878 Stenograph. Berichte Bd. I. S. 12 ff. Bd. II. S. 1237 ff. S. 1461 ff. Zu vergleichen ſind auch die Verhandlungen der Juſtiz-Kommiſſion des Reichstages über das Gerichtsverf.Geſ. S. 257 ff. 404 ff. 495 ff. 721 ff. Gebühren-Ordnung für Rechtsanwälte v. 7. Juli 1879. R.G.Bl. S. 176. (Entwurf in den Druckſachen des Reichstags v. 1879 Nr. 6. Ver- handlungen des Reichstages v. 1879 Stenogr. Berichte Bd. I. S. 17 ff. Bd. II. S. 894 ff. 1573. 1679.) Kommentare zur R.A.O. von Völk Nördlingen 1878, von Fr. Meyer Berlin 1879 (in „Die Juſtizgeſetzgebung des Deutſchen Reichs von Sarwey und Thilo II. Abth. 1. Bd.) und von Sydow Berlin 1879. Vgl. auch En- demann Civilprozeß Bd. III. S. 553 ff. Kommentar zur Gebührenordnung von Fr. Meyer 1879 (a. a. O. II. Abth. 3. Bd.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/119
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/119>, abgerufen am 27.11.2024.