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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 104. Der Gerichtsdienst.
vorgeschriebenen Zeiträume von je 3 Jahren für das Universitäts-
studium und für den Vorbereitungsdienst sind übrigens nur Mi-
nimalanforderungen, über welche die Einzelstaaten hinausgehen
dürfen 1) und über die sie zum Theil hinausgegangen sind. Hie-
nach fehlt es an allen reellen und praktisch wirksamen Garantien
dafür, daß die Vorbildung der richterlichen Beamten in den ver-
schiedenen Bundesstaaten eine übereinstimmende und das von ihnen
erforderte Maaß von Kenntnissen das gleiche ist und demgemäß
konnte das Reich auch keinen Zwang dahin ausüben, daß die in
einem Bundesstaate bestandene Prüfung oder verwendete Vorbe-
reitungszeit von allen anderen Bundesstaaten anerkannt werde.
Nur fakultativ ist den Bundesstaaten die Befugniß gewährt, den-
jenigen, der in einem andern Bundesstaate die erste Prüfung be-
standen hat, zur Vorbereitung für den Justizdienst und zur zwei-
ten Prüfung zuzulassen, ferner die in einem andern Bundesstaate
auf die Vorbereitung verwendete Zeit anzurechnen 2), und endlich
solchen Personen richterliche Aemter zu übertragen, welche in einem
andern Bundesstaate die Fähigkeit zum Richteramt erlangt haben 3).

Außerdem sind die ordentlichen öffentlichen Lehrer des Rechts
an den Deutschen Universitäten reichsgesetzlich als zum Richteramte
befähigt erklärt worden 4).

Die vom Reich vorgeschriebenen Erfordernisse um die Fähig-
keit zum Richteramt zu erlangen, sind aber für die Einzelstaaten
nur dann obligatorisch, wenn es sich um die dauernde Verleihung
eines wirklichen Richteramtes handelt, nicht um die zeitweilige
Wahrnehmung richterlicher Geschäfte.

In diesem Punkte hat das Gerichtsverf.Ges. die landes-
gesetzlichen Bestimmungen "unberührt" gelassen 5); der Autonomie
der Einzelstaaten ist es daher anheim gegeben zu bestimmen, daß

1) Gerichtsverf.Ges. a. a. O.
2) ebendas. §. 3.
3) ebendas. §. 5. Diese Bestimmung erstreckt sich auch auf diejenigen Per-
sonen, welche in einem Bundesstaate vor dem Inkrafttreten des Gerichtsverf.-
Gesetzes die Fähigkeit zum Richteramte erworben haben, selbst wenn die Er-
fordernisse der früheren Gesetze unter dem vom Gerichtsverf.Ges. aufgestellten
Minimum zurückgeblieben waren.
4) ebendas. §. 4.
5) ebenda §. 10.
Laband, Reichsstaatsrecht. III. 2. 10

§. 104. Der Gerichtsdienſt.
vorgeſchriebenen Zeiträume von je 3 Jahren für das Univerſitäts-
ſtudium und für den Vorbereitungsdienſt ſind übrigens nur Mi-
nimalanforderungen, über welche die Einzelſtaaten hinausgehen
dürfen 1) und über die ſie zum Theil hinausgegangen ſind. Hie-
nach fehlt es an allen reellen und praktiſch wirkſamen Garantien
dafür, daß die Vorbildung der richterlichen Beamten in den ver-
ſchiedenen Bundesſtaaten eine übereinſtimmende und das von ihnen
erforderte Maaß von Kenntniſſen das gleiche iſt und demgemäß
konnte das Reich auch keinen Zwang dahin ausüben, daß die in
einem Bundesſtaate beſtandene Prüfung oder verwendete Vorbe-
reitungszeit von allen anderen Bundesſtaaten anerkannt werde.
Nur fakultativ iſt den Bundesſtaaten die Befugniß gewährt, den-
jenigen, der in einem andern Bundesſtaate die erſte Prüfung be-
ſtanden hat, zur Vorbereitung für den Juſtizdienſt und zur zwei-
ten Prüfung zuzulaſſen, ferner die in einem andern Bundesſtaate
auf die Vorbereitung verwendete Zeit anzurechnen 2), und endlich
ſolchen Perſonen richterliche Aemter zu übertragen, welche in einem
andern Bundesſtaate die Fähigkeit zum Richteramt erlangt haben 3).

Außerdem ſind die ordentlichen öffentlichen Lehrer des Rechts
an den Deutſchen Univerſitäten reichsgeſetzlich als zum Richteramte
befähigt erklärt worden 4).

Die vom Reich vorgeſchriebenen Erforderniſſe um die Fähig-
keit zum Richteramt zu erlangen, ſind aber für die Einzelſtaaten
nur dann obligatoriſch, wenn es ſich um die dauernde Verleihung
eines wirklichen Richteramtes handelt, nicht um die zeitweilige
Wahrnehmung richterlicher Geſchäfte.

In dieſem Punkte hat das Gerichtsverf.Geſ. die landes-
geſetzlichen Beſtimmungen „unberührt“ gelaſſen 5); der Autonomie
der Einzelſtaaten iſt es daher anheim gegeben zu beſtimmen, daß

1) Gerichtsverf.Geſ. a. a. O.
2) ebendaſ. §. 3.
3) ebendaſ. §. 5. Dieſe Beſtimmung erſtreckt ſich auch auf diejenigen Per-
ſonen, welche in einem Bundesſtaate vor dem Inkrafttreten des Gerichtsverf.-
Geſetzes die Fähigkeit zum Richteramte erworben haben, ſelbſt wenn die Er-
forderniſſe der früheren Geſetze unter dem vom Gerichtsverf.Geſ. aufgeſtellten
Minimum zurückgeblieben waren.
4) ebendaſ. §. 4.
5) ebenda §. 10.
Laband, Reichsſtaatsrecht. III. 2. 10
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[145/0155] §. 104. Der Gerichtsdienſt. vorgeſchriebenen Zeiträume von je 3 Jahren für das Univerſitäts- ſtudium und für den Vorbereitungsdienſt ſind übrigens nur Mi- nimalanforderungen, über welche die Einzelſtaaten hinausgehen dürfen 1) und über die ſie zum Theil hinausgegangen ſind. Hie- nach fehlt es an allen reellen und praktiſch wirkſamen Garantien dafür, daß die Vorbildung der richterlichen Beamten in den ver- ſchiedenen Bundesſtaaten eine übereinſtimmende und das von ihnen erforderte Maaß von Kenntniſſen das gleiche iſt und demgemäß konnte das Reich auch keinen Zwang dahin ausüben, daß die in einem Bundesſtaate beſtandene Prüfung oder verwendete Vorbe- reitungszeit von allen anderen Bundesſtaaten anerkannt werde. Nur fakultativ iſt den Bundesſtaaten die Befugniß gewährt, den- jenigen, der in einem andern Bundesſtaate die erſte Prüfung be- ſtanden hat, zur Vorbereitung für den Juſtizdienſt und zur zwei- ten Prüfung zuzulaſſen, ferner die in einem andern Bundesſtaate auf die Vorbereitung verwendete Zeit anzurechnen 2), und endlich ſolchen Perſonen richterliche Aemter zu übertragen, welche in einem andern Bundesſtaate die Fähigkeit zum Richteramt erlangt haben 3). Außerdem ſind die ordentlichen öffentlichen Lehrer des Rechts an den Deutſchen Univerſitäten reichsgeſetzlich als zum Richteramte befähigt erklärt worden 4). Die vom Reich vorgeſchriebenen Erforderniſſe um die Fähig- keit zum Richteramt zu erlangen, ſind aber für die Einzelſtaaten nur dann obligatoriſch, wenn es ſich um die dauernde Verleihung eines wirklichen Richteramtes handelt, nicht um die zeitweilige Wahrnehmung richterlicher Geſchäfte. In dieſem Punkte hat das Gerichtsverf.Geſ. die landes- geſetzlichen Beſtimmungen „unberührt“ gelaſſen 5); der Autonomie der Einzelſtaaten iſt es daher anheim gegeben zu beſtimmen, daß 1) Gerichtsverf.Geſ. a. a. O. 2) ebendaſ. §. 3. 3) ebendaſ. §. 5. Dieſe Beſtimmung erſtreckt ſich auch auf diejenigen Per- ſonen, welche in einem Bundesſtaate vor dem Inkrafttreten des Gerichtsverf.- Geſetzes die Fähigkeit zum Richteramte erworben haben, ſelbſt wenn die Er- forderniſſe der früheren Geſetze unter dem vom Gerichtsverf.Geſ. aufgeſtellten Minimum zurückgeblieben waren. 4) ebendaſ. §. 4. 5) ebenda §. 10. Laband, Reichsſtaatsrecht. III. 2. 10

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/155>, abgerufen am 24.11.2024.