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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 96. Einleitung.
schränkt, so erstreckte sich materiell doch seine Wirksamkeit auf das
ganze Bundesgebiet. Im Prinzip war es bereits entschieden, daß
die Einzelstaaten hinsichtlich der Gerichtsbarkeit nicht isolirt und
unabhängig sind, sondern daß sie zu einem einheitlichen Rechts-
pflege-System verfassungsmäßig verbunden werden. Der vollen
und consequenten Durchführung dieses Prinzips standen nur die
großen Verschiedenheiten der Gerichtseinrichtungen und der Prozeß-
ordnungen noch hindernd im Wege.

Dieser dritte Punkt war der wichtigste; die Herstellung der
in der Verf. Art. 4 Ziff. 13 erwähnten "gemeinsamen Gesetze über
das gerichtliche Verfahren" blieb die bedeutendste, aber freilich auch
schwierigste Aufgabe. Auch ihre Lösung wurde bereits während
des Bestehens des Norddeutschen Bundes in Angriff genommen.
Verhältnißmäßig am leichtesten war die Abfassung der Civilpro-
zeß-Ordnung
1). Schon zur Zeit des Deutschen Bundes (1862)
war auf Veranlassung des Bundestages eine Commission zu Han-
nover zusammengetreten, an welcher die Vertreter aller größeren
Deutschen Staaten mit Ausnahme Preußens Theil genommen
hatten, um den Entwurf zu einer für ganz Deutschland gemein-
samen Civilprozeß-Ordnung auszuarbeiten. Diese Commission hatte
im Jahre 1866 den (sogen. Hannöverischen) Entwurf festgestellt,
der durch den Druck veröffentlicht wurde. Auch in Preußen war
bereits 1864 ein Entwurf einer Prozeßordnung berathen und ver-
öffentlicht worden. An diese beiden Arbeiten knüpfte der Nordd.
Bund sofort an. Der Bundesrath beschloß schon am 2. Oktober
1867 die Einsetzung einer Commission, um den Entwurf einer Pro-
zeßordnung in bürgerl. Rechtsstreitigkeiten unter Zugrundelegung
des Preußischen und des in Hannover ausgearbeiteten Entwurfs
anzufertigen. Im Juli 1870 wurde der Entwurf dem Bundes-
rath überreicht, unter dem Vorbehalt ihn einer nochmaligen Re-
vision zu unterziehen. (Sogen. Norddeutscher Entwurf.)

Durch den Krieg mit Frankreich erfuhren diese Arbeiten nicht
nur eine Unterbrechung, sondern in Folge des Hinzutritts der süd-

1) Eine gute Darstellung der Entstehungsgeschichte der Deutschen Civil-
prozeß-Ordnung mit sachlicher Charakterisirung der verschiedenen Entwürfe
giebt Hellweg im Arch. f. civil. Praxis Bd. 61 S. 78--140. Daß auch
die zahlreichen Kommentare zur Civilproz.O. die Abfassung derselben ausführ-
lich darstellen, bedarf kaum der Erwähnung.

§. 96. Einleitung.
ſchränkt, ſo erſtreckte ſich materiell doch ſeine Wirkſamkeit auf das
ganze Bundesgebiet. Im Prinzip war es bereits entſchieden, daß
die Einzelſtaaten hinſichtlich der Gerichtsbarkeit nicht iſolirt und
unabhängig ſind, ſondern daß ſie zu einem einheitlichen Rechts-
pflege-Syſtem verfaſſungsmäßig verbunden werden. Der vollen
und conſequenten Durchführung dieſes Prinzips ſtanden nur die
großen Verſchiedenheiten der Gerichtseinrichtungen und der Prozeß-
ordnungen noch hindernd im Wege.

Dieſer dritte Punkt war der wichtigſte; die Herſtellung der
in der Verf. Art. 4 Ziff. 13 erwähnten „gemeinſamen Geſetze über
das gerichtliche Verfahren“ blieb die bedeutendſte, aber freilich auch
ſchwierigſte Aufgabe. Auch ihre Löſung wurde bereits während
des Beſtehens des Norddeutſchen Bundes in Angriff genommen.
Verhältnißmäßig am leichteſten war die Abfaſſung der Civilpro-
zeß-Ordnung
1). Schon zur Zeit des Deutſchen Bundes (1862)
war auf Veranlaſſung des Bundestages eine Commiſſion zu Han-
nover zuſammengetreten, an welcher die Vertreter aller größeren
Deutſchen Staaten mit Ausnahme Preußens Theil genommen
hatten, um den Entwurf zu einer für ganz Deutſchland gemein-
ſamen Civilprozeß-Ordnung auszuarbeiten. Dieſe Commiſſion hatte
im Jahre 1866 den (ſogen. Hannöveriſchen) Entwurf feſtgeſtellt,
der durch den Druck veröffentlicht wurde. Auch in Preußen war
bereits 1864 ein Entwurf einer Prozeßordnung berathen und ver-
öffentlicht worden. An dieſe beiden Arbeiten knüpfte der Nordd.
Bund ſofort an. Der Bundesrath beſchloß ſchon am 2. Oktober
1867 die Einſetzung einer Commiſſion, um den Entwurf einer Pro-
zeßordnung in bürgerl. Rechtsſtreitigkeiten unter Zugrundelegung
des Preußiſchen und des in Hannover ausgearbeiteten Entwurfs
anzufertigen. Im Juli 1870 wurde der Entwurf dem Bundes-
rath überreicht, unter dem Vorbehalt ihn einer nochmaligen Re-
viſion zu unterziehen. (Sogen. Norddeutſcher Entwurf.)

Durch den Krieg mit Frankreich erfuhren dieſe Arbeiten nicht
nur eine Unterbrechung, ſondern in Folge des Hinzutritts der ſüd-

1) Eine gute Darſtellung der Entſtehungsgeſchichte der Deutſchen Civil-
prozeß-Ordnung mit ſachlicher Charakteriſirung der verſchiedenen Entwürfe
giebt Hellweg im Arch. f. civil. Praxis Bd. 61 S. 78—140. Daß auch
die zahlreichen Kommentare zur Civilproz.O. die Abfaſſung derſelben ausführ-
lich darſtellen, bedarf kaum der Erwähnung.
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[7/0017] §. 96. Einleitung. ſchränkt, ſo erſtreckte ſich materiell doch ſeine Wirkſamkeit auf das ganze Bundesgebiet. Im Prinzip war es bereits entſchieden, daß die Einzelſtaaten hinſichtlich der Gerichtsbarkeit nicht iſolirt und unabhängig ſind, ſondern daß ſie zu einem einheitlichen Rechts- pflege-Syſtem verfaſſungsmäßig verbunden werden. Der vollen und conſequenten Durchführung dieſes Prinzips ſtanden nur die großen Verſchiedenheiten der Gerichtseinrichtungen und der Prozeß- ordnungen noch hindernd im Wege. Dieſer dritte Punkt war der wichtigſte; die Herſtellung der in der Verf. Art. 4 Ziff. 13 erwähnten „gemeinſamen Geſetze über das gerichtliche Verfahren“ blieb die bedeutendſte, aber freilich auch ſchwierigſte Aufgabe. Auch ihre Löſung wurde bereits während des Beſtehens des Norddeutſchen Bundes in Angriff genommen. Verhältnißmäßig am leichteſten war die Abfaſſung der Civilpro- zeß-Ordnung 1). Schon zur Zeit des Deutſchen Bundes (1862) war auf Veranlaſſung des Bundestages eine Commiſſion zu Han- nover zuſammengetreten, an welcher die Vertreter aller größeren Deutſchen Staaten mit Ausnahme Preußens Theil genommen hatten, um den Entwurf zu einer für ganz Deutſchland gemein- ſamen Civilprozeß-Ordnung auszuarbeiten. Dieſe Commiſſion hatte im Jahre 1866 den (ſogen. Hannöveriſchen) Entwurf feſtgeſtellt, der durch den Druck veröffentlicht wurde. Auch in Preußen war bereits 1864 ein Entwurf einer Prozeßordnung berathen und ver- öffentlicht worden. An dieſe beiden Arbeiten knüpfte der Nordd. Bund ſofort an. Der Bundesrath beſchloß ſchon am 2. Oktober 1867 die Einſetzung einer Commiſſion, um den Entwurf einer Pro- zeßordnung in bürgerl. Rechtsſtreitigkeiten unter Zugrundelegung des Preußiſchen und des in Hannover ausgearbeiteten Entwurfs anzufertigen. Im Juli 1870 wurde der Entwurf dem Bundes- rath überreicht, unter dem Vorbehalt ihn einer nochmaligen Re- viſion zu unterziehen. (Sogen. Norddeutſcher Entwurf.) Durch den Krieg mit Frankreich erfuhren dieſe Arbeiten nicht nur eine Unterbrechung, ſondern in Folge des Hinzutritts der ſüd- 1) Eine gute Darſtellung der Entſtehungsgeſchichte der Deutſchen Civil- prozeß-Ordnung mit ſachlicher Charakteriſirung der verſchiedenen Entwürfe giebt Hellweg im Arch. f. civil. Praxis Bd. 61 S. 78—140. Daß auch die zahlreichen Kommentare zur Civilproz.O. die Abfaſſung derſelben ausführ- lich darſtellen, bedarf kaum der Erwähnung.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/17>, abgerufen am 21.11.2024.