Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 105. Die Zeugenpflicht.
bezeichneten Beamten der Genehmigung ihres unmittelbaren Vor-
gesetzten 1).

2. Die Mitglieder des Bundesrathes sind während ihres Auf-
enthaltes am Sitze des Bundesrathes an diesem Sitze, und die
Mitglieder einer Deutschen gesetzgebenden Versammlung während
der Sitzungsperiode und 2) ihres Aufenthalts am Orte der Ver-
sammlung an diesem Orte zu vernehmen. Zur Abweichung hier-
von bedarf es in Betreff der Mitglieder des Bundesraths der
Genehmigung des Landesherrn, in Betreff der Mitglieder einer
gesetzgebenden Versammlung der Genehmigung der letzteren 3).

V. Der Inhalt der Zeugenpflicht. Die Zeugen-
pflicht hat einen dreifachen Inhalt und löst sich demnach in drei
Bestandtheile auf, die in mancher Hinsicht verschiedenen Regeln
unterliegen, nämlich die Pflicht vor Gericht zu erscheinen (Ge-
stellungspflicht), die Pflicht die wahrheitsgemäße Aussage zu ma-
chen (Zeugnißpflicht) und die Pflicht, den Zeugeneid zu leisten.

1. Die Gestellungspflicht. Wer von einem Gericht
als Zeuge geladen ist, muß diesem Befehle gemäß sich vor dem
Gericht stellen; dies gilt auch von den eben erwähnten hohen
Beamten u. s. w., welche im §. 49 der Strafproc.O. u. im §. 347
der Civilpr.Ordn. aufgeführt sind; ihr Privilegium besteht allein
darin, daß die Gestellungspflicht für sie auf die Gerichte eines
gewissen Ortes beschränkt ist. Die Gestellungspflicht ist derjenige
Bestandtheil der Zeugenpflicht, der den weitesten Umfang und eine
unbedingte Erzwingbarkeit hat; auch diejenigen Personen, welche
im gegebenen Falle zur Verweigerung der Aussage gesetzlich be-
rechtigt sind, müssen der Ladung Folge leisten. Eine ordnungs-
mäßige Ladung muß den Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des
Ausbleibens enthalten, in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten überdies
die Bezeichnung der Parteien und die Thatsachen, über welche die
Vernehmung erfolgen soll 4). Die Verletzung der Gestellungs-

1) Strafproz.Ordn. §. 49 Abs. 1. u. 3. Civilproc.O. §. 347 Abs. 1 u. 3.
2) d. h. wenn beide Voraussetzungen zusammentreffen. Löwe Note 8
zu §. 49 cit.
3) Strafproc.Ordn. §. 49 Abs. 2 u. 3. Civilproz.O. §. 347 Abs. 2 u. 3.
4) Strafproz.O. §. 48 Abs. 1. Civilproc.O. §. 342. Die Ladung erfolgt
auf Anordnung des Gerichts. Im Strafprozeß werden jedoch die zur Haupt-
verhandlung erforderlichen Ladungen von der Staatsanwaltschaft bewirkt und

§. 105. Die Zeugenpflicht.
bezeichneten Beamten der Genehmigung ihres unmittelbaren Vor-
geſetzten 1).

2. Die Mitglieder des Bundesrathes ſind während ihres Auf-
enthaltes am Sitze des Bundesrathes an dieſem Sitze, und die
Mitglieder einer Deutſchen geſetzgebenden Verſammlung während
der Sitzungsperiode und 2) ihres Aufenthalts am Orte der Ver-
ſammlung an dieſem Orte zu vernehmen. Zur Abweichung hier-
von bedarf es in Betreff der Mitglieder des Bundesraths der
Genehmigung des Landesherrn, in Betreff der Mitglieder einer
geſetzgebenden Verſammlung der Genehmigung der letzteren 3).

V. Der Inhalt der Zeugenpflicht. Die Zeugen-
pflicht hat einen dreifachen Inhalt und löſt ſich demnach in drei
Beſtandtheile auf, die in mancher Hinſicht verſchiedenen Regeln
unterliegen, nämlich die Pflicht vor Gericht zu erſcheinen (Ge-
ſtellungspflicht), die Pflicht die wahrheitsgemäße Ausſage zu ma-
chen (Zeugnißpflicht) und die Pflicht, den Zeugeneid zu leiſten.

1. Die Geſtellungspflicht. Wer von einem Gericht
als Zeuge geladen iſt, muß dieſem Befehle gemäß ſich vor dem
Gericht ſtellen; dies gilt auch von den eben erwähnten hohen
Beamten u. ſ. w., welche im §. 49 der Strafproc.O. u. im §. 347
der Civilpr.Ordn. aufgeführt ſind; ihr Privilegium beſteht allein
darin, daß die Geſtellungspflicht für ſie auf die Gerichte eines
gewiſſen Ortes beſchränkt iſt. Die Geſtellungspflicht iſt derjenige
Beſtandtheil der Zeugenpflicht, der den weiteſten Umfang und eine
unbedingte Erzwingbarkeit hat; auch diejenigen Perſonen, welche
im gegebenen Falle zur Verweigerung der Ausſage geſetzlich be-
rechtigt ſind, müſſen der Ladung Folge leiſten. Eine ordnungs-
mäßige Ladung muß den Hinweis auf die geſetzlichen Folgen des
Ausbleibens enthalten, in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten überdies
die Bezeichnung der Parteien und die Thatſachen, über welche die
Vernehmung erfolgen ſoll 4). Die Verletzung der Geſtellungs-

1) Strafproz.Ordn. §. 49 Abſ. 1. u. 3. Civilproc.O. §. 347 Abſ. 1 u. 3.
2) d. h. wenn beide Vorausſetzungen zuſammentreffen. Löwe Note 8
zu §. 49 cit.
3) Strafproc.Ordn. §. 49 Abſ. 2 u. 3. Civilproz.O. §. 347 Abſ. 2 u. 3.
4) Strafproz.O. §. 48 Abſ. 1. Civilproc.O. §. 342. Die Ladung erfolgt
auf Anordnung des Gerichts. Im Strafprozeß werden jedoch die zur Haupt-
verhandlung erforderlichen Ladungen von der Staatsanwaltſchaft bewirkt und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0180" n="170"/><fw place="top" type="header">§. 105. Die Zeugenpflicht.</fw><lb/>
bezeichneten Beamten der Genehmigung ihres unmittelbaren Vor-<lb/>
ge&#x017F;etzten <note place="foot" n="1)">Strafproz.Ordn. §. 49 Ab&#x017F;. 1. u. 3. Civilproc.O. §. 347 Ab&#x017F;. 1 u. 3.</note>.</p><lb/>
          <p>2. Die Mitglieder des Bundesrathes &#x017F;ind während ihres Auf-<lb/>
enthaltes am Sitze des Bundesrathes an die&#x017F;em Sitze, und die<lb/>
Mitglieder einer Deut&#x017F;chen ge&#x017F;etzgebenden Ver&#x017F;ammlung während<lb/>
der Sitzungsperiode <hi rendition="#g">und</hi> <note place="foot" n="2)">d. h. wenn beide Voraus&#x017F;etzungen zu&#x017F;ammentreffen. <hi rendition="#g">Löwe</hi> Note 8<lb/>
zu §. 49 cit.</note> ihres Aufenthalts am Orte der Ver-<lb/>
&#x017F;ammlung an die&#x017F;em Orte zu vernehmen. Zur Abweichung hier-<lb/>
von bedarf es in Betreff der Mitglieder des Bundesraths der<lb/>
Genehmigung des Landesherrn, in Betreff der Mitglieder einer<lb/>
ge&#x017F;etzgebenden Ver&#x017F;ammlung der Genehmigung der letzteren <note place="foot" n="3)">Strafproc.Ordn. §. 49 Ab&#x017F;. 2 u. 3. Civilproz.O. §. 347 Ab&#x017F;. 2 u. 3.</note>.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">V.</hi><hi rendition="#g">Der Inhalt der Zeugenpflicht</hi>. Die Zeugen-<lb/>
pflicht hat einen dreifachen Inhalt und lö&#x017F;t &#x017F;ich demnach in drei<lb/>
Be&#x017F;tandtheile auf, die in mancher Hin&#x017F;icht ver&#x017F;chiedenen Regeln<lb/>
unterliegen, nämlich die Pflicht vor Gericht zu er&#x017F;cheinen (Ge-<lb/>
&#x017F;tellungspflicht), die Pflicht die wahrheitsgemäße Aus&#x017F;age zu ma-<lb/>
chen (Zeugnißpflicht) und die Pflicht, den Zeugeneid zu lei&#x017F;ten.</p><lb/>
          <p>1. Die <hi rendition="#g">Ge&#x017F;tellungspflicht</hi>. Wer von einem Gericht<lb/>
als Zeuge geladen i&#x017F;t, muß die&#x017F;em Befehle gemäß &#x017F;ich vor dem<lb/>
Gericht &#x017F;tellen; dies gilt auch von den eben erwähnten hohen<lb/>
Beamten u. &#x017F;. w., welche im §. 49 der Strafproc.O. u. im §. 347<lb/>
der Civilpr.Ordn. aufgeführt &#x017F;ind; ihr Privilegium be&#x017F;teht allein<lb/>
darin, daß die Ge&#x017F;tellungspflicht für &#x017F;ie auf die Gerichte eines<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">Ortes</hi> be&#x017F;chränkt i&#x017F;t. Die Ge&#x017F;tellungspflicht i&#x017F;t derjenige<lb/>
Be&#x017F;tandtheil der Zeugenpflicht, der den weite&#x017F;ten Umfang und eine<lb/>
unbedingte Erzwingbarkeit hat; auch diejenigen Per&#x017F;onen, welche<lb/>
im gegebenen Falle zur Verweigerung der Aus&#x017F;age ge&#x017F;etzlich be-<lb/>
rechtigt &#x017F;ind, mü&#x017F;&#x017F;en der Ladung Folge lei&#x017F;ten. Eine ordnungs-<lb/>
mäßige Ladung muß den Hinweis auf die ge&#x017F;etzlichen Folgen des<lb/>
Ausbleibens enthalten, in bürgerlichen Rechts&#x017F;treitigkeiten überdies<lb/>
die Bezeichnung der Parteien und die That&#x017F;achen, über welche die<lb/>
Vernehmung erfolgen &#x017F;oll <note xml:id="seg2pn_18_1" next="#seg2pn_18_2" place="foot" n="4)">Strafproz.O. §. 48 Ab&#x017F;. 1. Civilproc.O. §. 342. <hi rendition="#g">Die Ladung</hi> erfolgt<lb/>
auf Anordnung des Gerichts. Im Strafprozeß werden jedoch die zur <hi rendition="#g">Haupt</hi>-<lb/>
verhandlung erforderlichen Ladungen von der Staatsanwalt&#x017F;chaft bewirkt und</note>. Die Verletzung der Ge&#x017F;tellungs-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0180] §. 105. Die Zeugenpflicht. bezeichneten Beamten der Genehmigung ihres unmittelbaren Vor- geſetzten 1). 2. Die Mitglieder des Bundesrathes ſind während ihres Auf- enthaltes am Sitze des Bundesrathes an dieſem Sitze, und die Mitglieder einer Deutſchen geſetzgebenden Verſammlung während der Sitzungsperiode und 2) ihres Aufenthalts am Orte der Ver- ſammlung an dieſem Orte zu vernehmen. Zur Abweichung hier- von bedarf es in Betreff der Mitglieder des Bundesraths der Genehmigung des Landesherrn, in Betreff der Mitglieder einer geſetzgebenden Verſammlung der Genehmigung der letzteren 3). V. Der Inhalt der Zeugenpflicht. Die Zeugen- pflicht hat einen dreifachen Inhalt und löſt ſich demnach in drei Beſtandtheile auf, die in mancher Hinſicht verſchiedenen Regeln unterliegen, nämlich die Pflicht vor Gericht zu erſcheinen (Ge- ſtellungspflicht), die Pflicht die wahrheitsgemäße Ausſage zu ma- chen (Zeugnißpflicht) und die Pflicht, den Zeugeneid zu leiſten. 1. Die Geſtellungspflicht. Wer von einem Gericht als Zeuge geladen iſt, muß dieſem Befehle gemäß ſich vor dem Gericht ſtellen; dies gilt auch von den eben erwähnten hohen Beamten u. ſ. w., welche im §. 49 der Strafproc.O. u. im §. 347 der Civilpr.Ordn. aufgeführt ſind; ihr Privilegium beſteht allein darin, daß die Geſtellungspflicht für ſie auf die Gerichte eines gewiſſen Ortes beſchränkt iſt. Die Geſtellungspflicht iſt derjenige Beſtandtheil der Zeugenpflicht, der den weiteſten Umfang und eine unbedingte Erzwingbarkeit hat; auch diejenigen Perſonen, welche im gegebenen Falle zur Verweigerung der Ausſage geſetzlich be- rechtigt ſind, müſſen der Ladung Folge leiſten. Eine ordnungs- mäßige Ladung muß den Hinweis auf die geſetzlichen Folgen des Ausbleibens enthalten, in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten überdies die Bezeichnung der Parteien und die Thatſachen, über welche die Vernehmung erfolgen ſoll 4). Die Verletzung der Geſtellungs- 1) Strafproz.Ordn. §. 49 Abſ. 1. u. 3. Civilproc.O. §. 347 Abſ. 1 u. 3. 2) d. h. wenn beide Vorausſetzungen zuſammentreffen. Löwe Note 8 zu §. 49 cit. 3) Strafproc.Ordn. §. 49 Abſ. 2 u. 3. Civilproz.O. §. 347 Abſ. 2 u. 3. 4) Strafproz.O. §. 48 Abſ. 1. Civilproc.O. §. 342. Die Ladung erfolgt auf Anordnung des Gerichts. Im Strafprozeß werden jedoch die zur Haupt- verhandlung erforderlichen Ladungen von der Staatsanwaltſchaft bewirkt und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/180
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/180>, abgerufen am 21.11.2024.