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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 107. Der Reichsfiskus.
Einen Reichsfiskus giebt. Sowie das Reich in staatsrechtlicher
Hinsicht eine Person, d. h. ein einheitliches Subjekt von Hoheits-
rechten ist, trotz der großen Verschiedenheit der Formen und Regeln,
welche für die Ausübung der einzelnen Hoheitsrechte gelten, so ist
auch das Reich in privatrechtlicher Hinsicht eine Person d. h. ein
einheitliches Subjekt von Vermögensrechten, unbeschadet der Mannig-
faltigkeit von Vorschriften, nach denen die Verwaltung der ver-
schiedenen Vermögensmassen sich richtet. Da die einzelnen Ver-
mögensmassen (Fonds) aber theils rechnungsmäßig von einander
gesondert werden müssen, um sie ihrem bestimmungsmäßigen Zweck
zu erhalten, theils die Verwaltung derselben im engsten Zusammen-
hange mit der Organisation der einzelnen Ressorts geordnet ist,
so liegt es nahe, den Reichsfiskus dieser Gliederung entsprechend
zu specialisiren und z. B. einen "Postfiskus" oder "Marinefiskus"
aus dem allgemeinen Reichsfiskus herauszuheben. Dieser Sprach-
gebrauch findet sich auch in der Reichsgesetzgebung 1); er darf aber
nicht dazu verleiten, mehrere von einander selbstständige d. h. als
Personen des Privatrechts constituirte Specialfisci des Reiches an-
zunehmen. Es sind nur Bezeichnungen des einheitlichen Reichs-
fiskus mit Bezug auf einzelne Fonds oder einzelne Verwaltungs-
zweige.

Hieraus ergiebt sich eine für das Finanzrecht sehr wichtige Con-
sequenz. Durch die Einheit des Reichsfiskus ist es nämlich absolut
ausgeschlossen, daß unter den Spezial- oder Ressort-Fisci Rechts-
verhältnisse irgend welcher Art bestehen; nur formell d. h. rech-
nungsmäßig können und müssen die einzelnen Stationen des Fiskus
mit einander wie selbstständige Rechtssubjekte verkehren 2), um die
Ordnung und Uebersichtlichkeit der Staatswirthschaft aufrecht zu
erhalten, sowie auch in einer umfangreichen Privatwirthschaft die

1) z. B. Militärpensionsgesetz v. 27. Juni 1871. §. 116.
2) So können sie z. B. von einander Gebühren und Kosten, ja sogar Ab-
gaben erheben, einander Vorschüsse machen, Vermögensobjekte sich übertragen,
Vereinbarungen unter einander treffen. Prozesse unter verschiedenen Sta-
tionen desselben Fiskus sind dagegen als unzulässig zu erachten; denn,
wenn es auch denkbar ist, daß in der Form des Civilprozesses ein gerichtliches
Urtheil darüber herbeigeführt wird, ob ein gewisser Anspruch oder eine gewisse
Verbindlichkeit zu diesem oder jenem fiskalischen Vermögenscomplex gehört, so
gebricht es doch an der für jeden wirklichen Prozeß unentbehrlichen Verschieden-
heit der Parteien.

§. 107. Der Reichsfiskus.
Einen Reichsfiskus giebt. Sowie das Reich in ſtaatsrechtlicher
Hinſicht eine Perſon, d. h. ein einheitliches Subjekt von Hoheits-
rechten iſt, trotz der großen Verſchiedenheit der Formen und Regeln,
welche für die Ausübung der einzelnen Hoheitsrechte gelten, ſo iſt
auch das Reich in privatrechtlicher Hinſicht eine Perſon d. h. ein
einheitliches Subjekt von Vermögensrechten, unbeſchadet der Mannig-
faltigkeit von Vorſchriften, nach denen die Verwaltung der ver-
ſchiedenen Vermögensmaſſen ſich richtet. Da die einzelnen Ver-
mögensmaſſen (Fonds) aber theils rechnungsmäßig von einander
geſondert werden müſſen, um ſie ihrem beſtimmungsmäßigen Zweck
zu erhalten, theils die Verwaltung derſelben im engſten Zuſammen-
hange mit der Organiſation der einzelnen Reſſorts geordnet iſt,
ſo liegt es nahe, den Reichsfiskus dieſer Gliederung entſprechend
zu ſpecialiſiren und z. B. einen „Poſtfiskus“ oder „Marinefiskus“
aus dem allgemeinen Reichsfiskus herauszuheben. Dieſer Sprach-
gebrauch findet ſich auch in der Reichsgeſetzgebung 1); er darf aber
nicht dazu verleiten, mehrere von einander ſelbſtſtändige d. h. als
Perſonen des Privatrechts conſtituirte Specialfisci des Reiches an-
zunehmen. Es ſind nur Bezeichnungen des einheitlichen Reichs-
fiskus mit Bezug auf einzelne Fonds oder einzelne Verwaltungs-
zweige.

Hieraus ergiebt ſich eine für das Finanzrecht ſehr wichtige Con-
ſequenz. Durch die Einheit des Reichsfiskus iſt es nämlich abſolut
ausgeſchloſſen, daß unter den Spezial- oder Reſſort-Fisci Rechts-
verhältniſſe irgend welcher Art beſtehen; nur formell d. h. rech-
nungsmäßig können und müſſen die einzelnen Stationen des Fiskus
mit einander wie ſelbſtſtändige Rechtsſubjekte verkehren 2), um die
Ordnung und Ueberſichtlichkeit der Staatswirthſchaft aufrecht zu
erhalten, ſowie auch in einer umfangreichen Privatwirthſchaft die

1) z. B. Militärpenſionsgeſetz v. 27. Juni 1871. §. 116.
2) So können ſie z. B. von einander Gebühren und Koſten, ja ſogar Ab-
gaben erheben, einander Vorſchüſſe machen, Vermögensobjekte ſich übertragen,
Vereinbarungen unter einander treffen. Prozeſſe unter verſchiedenen Sta-
tionen deſſelben Fiskus ſind dagegen als unzuläſſig zu erachten; denn,
wenn es auch denkbar iſt, daß in der Form des Civilprozeſſes ein gerichtliches
Urtheil darüber herbeigeführt wird, ob ein gewiſſer Anſpruch oder eine gewiſſe
Verbindlichkeit zu dieſem oder jenem fiskaliſchen Vermögenscomplex gehört, ſo
gebricht es doch an der für jeden wirklichen Prozeß unentbehrlichen Verſchieden-
heit der Parteien.
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[192/0202] §. 107. Der Reichsfiskus. Einen Reichsfiskus giebt. Sowie das Reich in ſtaatsrechtlicher Hinſicht eine Perſon, d. h. ein einheitliches Subjekt von Hoheits- rechten iſt, trotz der großen Verſchiedenheit der Formen und Regeln, welche für die Ausübung der einzelnen Hoheitsrechte gelten, ſo iſt auch das Reich in privatrechtlicher Hinſicht eine Perſon d. h. ein einheitliches Subjekt von Vermögensrechten, unbeſchadet der Mannig- faltigkeit von Vorſchriften, nach denen die Verwaltung der ver- ſchiedenen Vermögensmaſſen ſich richtet. Da die einzelnen Ver- mögensmaſſen (Fonds) aber theils rechnungsmäßig von einander geſondert werden müſſen, um ſie ihrem beſtimmungsmäßigen Zweck zu erhalten, theils die Verwaltung derſelben im engſten Zuſammen- hange mit der Organiſation der einzelnen Reſſorts geordnet iſt, ſo liegt es nahe, den Reichsfiskus dieſer Gliederung entſprechend zu ſpecialiſiren und z. B. einen „Poſtfiskus“ oder „Marinefiskus“ aus dem allgemeinen Reichsfiskus herauszuheben. Dieſer Sprach- gebrauch findet ſich auch in der Reichsgeſetzgebung 1); er darf aber nicht dazu verleiten, mehrere von einander ſelbſtſtändige d. h. als Perſonen des Privatrechts conſtituirte Specialfisci des Reiches an- zunehmen. Es ſind nur Bezeichnungen des einheitlichen Reichs- fiskus mit Bezug auf einzelne Fonds oder einzelne Verwaltungs- zweige. Hieraus ergiebt ſich eine für das Finanzrecht ſehr wichtige Con- ſequenz. Durch die Einheit des Reichsfiskus iſt es nämlich abſolut ausgeſchloſſen, daß unter den Spezial- oder Reſſort-Fisci Rechts- verhältniſſe irgend welcher Art beſtehen; nur formell d. h. rech- nungsmäßig können und müſſen die einzelnen Stationen des Fiskus mit einander wie ſelbſtſtändige Rechtsſubjekte verkehren 2), um die Ordnung und Ueberſichtlichkeit der Staatswirthſchaft aufrecht zu erhalten, ſowie auch in einer umfangreichen Privatwirthſchaft die 1) z. B. Militärpenſionsgeſetz v. 27. Juni 1871. §. 116. 2) So können ſie z. B. von einander Gebühren und Koſten, ja ſogar Ab- gaben erheben, einander Vorſchüſſe machen, Vermögensobjekte ſich übertragen, Vereinbarungen unter einander treffen. Prozeſſe unter verſchiedenen Sta- tionen deſſelben Fiskus ſind dagegen als unzuläſſig zu erachten; denn, wenn es auch denkbar iſt, daß in der Form des Civilprozeſſes ein gerichtliches Urtheil darüber herbeigeführt wird, ob ein gewiſſer Anſpruch oder eine gewiſſe Verbindlichkeit zu dieſem oder jenem fiskaliſchen Vermögenscomplex gehört, ſo gebricht es doch an der für jeden wirklichen Prozeß unentbehrlichen Verſchieden- heit der Parteien.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/202>, abgerufen am 21.11.2024.