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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 109. Die Reichsschulden.
mögensbestandtheile eines Staates und erlangt hier eine besondere
rechtliche Wichtigkeit. Denn was das Verhältniß des Staates zu
den Gläubigern anlangt, so ist dasselbe bei den Finanzschulden
ein rein privatrechtliches, bei welchem der Gläubiger gleichbe-
rechtigt dem Fiskus auf dem Boden des Civilrechts gegenüber-
steht; bei den Verwaltungsschulden dagegen mischt sich dem rein
civilrechtlichen Verhältniß in vielen Fällen ein öffentlichrechtliches
bei, welches die civilrechtliche Seite des Verhältnisses bedingt und
beeinflußt 1). Staatsrechtlich zeigt sich der Unterschied vorzüglich
darin, daß die Regierung zur Contrahirung von Finanzschulden
an und für sich nicht ermächtigt ist, sondern der besonderen
Ermächtigung durch ein Gesetz bedarf, weil die Ausnutzung des
Staatscredits außerhalb der ordentlichen, durch die Verfassung
und Gesetzgebung geregelten Aufgaben der Staatsverwaltung liegt.
Dagegen ist die Entstehung von Verwaltungsschulden theils eine
unmittelbare Folge der Gesetzgebung selbst, welche dem Fiskus
laufende Geldverpflichtungen auferlegt, z. B. die Zahlung von
Pensionen, Entschädigungen, Subventionen u. dgl., theils eine noth-
wendige Consequenz der Führung der Verwaltung. Die Regierung
bedarf daher keiner besonderen Autorisation zur Uebernahme
dieser Schulden; sie ist vielmehr durch den allgemeinen Verwal-
tungs-Auftrag befugt, mit gültiger Wirksamkeit für den Fiskus
alle diejenigen Schulden zu contrahiren und zu bezahlen, welche
aus der Durchführung dieses Verwaltungs-Auftrages nach Maß-
gabe der bestehenden Gesetze sich ergeben.

Das positive Recht des Deutschen Reiches zieht aber die
Grenzlinie zwischen beiden Arten von Schulden etwas anders.
Art. 73 der R.V. bestimmt:

"In Fällen eines außerordentlichen Bedürfnisses kann im
Wege der Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe,
sowie die Uebernahme einer Garantie zu Lasten des
Reichs erfolgen."

Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieser Artikel im Wesentlichen
die Finanzschulden treffen will. Im Zusammenhange mit Art. 69
bis 72, welche die Einnahmen und Ausgaben des Reiches behan-
deln, bezieht der Art. 73 sich auf den Fall, daß die durch Reichs-

1) Vgl. hierüber Bd. II. S. 212 ff.

§. 109. Die Reichsſchulden.
mögensbeſtandtheile eines Staates und erlangt hier eine beſondere
rechtliche Wichtigkeit. Denn was das Verhältniß des Staates zu
den Gläubigern anlangt, ſo iſt daſſelbe bei den Finanzſchulden
ein rein privatrechtliches, bei welchem der Gläubiger gleichbe-
rechtigt dem Fiskus auf dem Boden des Civilrechts gegenüber-
ſteht; bei den Verwaltungsſchulden dagegen miſcht ſich dem rein
civilrechtlichen Verhältniß in vielen Fällen ein öffentlichrechtliches
bei, welches die civilrechtliche Seite des Verhältniſſes bedingt und
beeinflußt 1). Staatsrechtlich zeigt ſich der Unterſchied vorzüglich
darin, daß die Regierung zur Contrahirung von Finanzſchulden
an und für ſich nicht ermächtigt iſt, ſondern der beſonderen
Ermächtigung durch ein Geſetz bedarf, weil die Ausnutzung des
Staatscredits außerhalb der ordentlichen, durch die Verfaſſung
und Geſetzgebung geregelten Aufgaben der Staatsverwaltung liegt.
Dagegen iſt die Entſtehung von Verwaltungsſchulden theils eine
unmittelbare Folge der Geſetzgebung ſelbſt, welche dem Fiskus
laufende Geldverpflichtungen auferlegt, z. B. die Zahlung von
Penſionen, Entſchädigungen, Subventionen u. dgl., theils eine noth-
wendige Conſequenz der Führung der Verwaltung. Die Regierung
bedarf daher keiner beſonderen Autoriſation zur Uebernahme
dieſer Schulden; ſie iſt vielmehr durch den allgemeinen Verwal-
tungs-Auftrag befugt, mit gültiger Wirkſamkeit für den Fiskus
alle diejenigen Schulden zu contrahiren und zu bezahlen, welche
aus der Durchführung dieſes Verwaltungs-Auftrages nach Maß-
gabe der beſtehenden Geſetze ſich ergeben.

Das poſitive Recht des Deutſchen Reiches zieht aber die
Grenzlinie zwiſchen beiden Arten von Schulden etwas anders.
Art. 73 der R.V. beſtimmt:

„In Fällen eines außerordentlichen Bedürfniſſes kann im
Wege der Reichsgeſetzgebung die Aufnahme einer Anleihe,
ſowie die Uebernahme einer Garantie zu Laſten des
Reichs erfolgen.“

Es iſt nicht zu bezweifeln, daß dieſer Artikel im Weſentlichen
die Finanzſchulden treffen will. Im Zuſammenhange mit Art. 69
bis 72, welche die Einnahmen und Ausgaben des Reiches behan-
deln, bezieht der Art. 73 ſich auf den Fall, daß die durch Reichs-

1) Vgl. hierüber Bd. II. S. 212 ff.
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[229/0239] §. 109. Die Reichsſchulden. mögensbeſtandtheile eines Staates und erlangt hier eine beſondere rechtliche Wichtigkeit. Denn was das Verhältniß des Staates zu den Gläubigern anlangt, ſo iſt daſſelbe bei den Finanzſchulden ein rein privatrechtliches, bei welchem der Gläubiger gleichbe- rechtigt dem Fiskus auf dem Boden des Civilrechts gegenüber- ſteht; bei den Verwaltungsſchulden dagegen miſcht ſich dem rein civilrechtlichen Verhältniß in vielen Fällen ein öffentlichrechtliches bei, welches die civilrechtliche Seite des Verhältniſſes bedingt und beeinflußt 1). Staatsrechtlich zeigt ſich der Unterſchied vorzüglich darin, daß die Regierung zur Contrahirung von Finanzſchulden an und für ſich nicht ermächtigt iſt, ſondern der beſonderen Ermächtigung durch ein Geſetz bedarf, weil die Ausnutzung des Staatscredits außerhalb der ordentlichen, durch die Verfaſſung und Geſetzgebung geregelten Aufgaben der Staatsverwaltung liegt. Dagegen iſt die Entſtehung von Verwaltungsſchulden theils eine unmittelbare Folge der Geſetzgebung ſelbſt, welche dem Fiskus laufende Geldverpflichtungen auferlegt, z. B. die Zahlung von Penſionen, Entſchädigungen, Subventionen u. dgl., theils eine noth- wendige Conſequenz der Führung der Verwaltung. Die Regierung bedarf daher keiner beſonderen Autoriſation zur Uebernahme dieſer Schulden; ſie iſt vielmehr durch den allgemeinen Verwal- tungs-Auftrag befugt, mit gültiger Wirkſamkeit für den Fiskus alle diejenigen Schulden zu contrahiren und zu bezahlen, welche aus der Durchführung dieſes Verwaltungs-Auftrages nach Maß- gabe der beſtehenden Geſetze ſich ergeben. Das poſitive Recht des Deutſchen Reiches zieht aber die Grenzlinie zwiſchen beiden Arten von Schulden etwas anders. Art. 73 der R.V. beſtimmt: „In Fällen eines außerordentlichen Bedürfniſſes kann im Wege der Reichsgeſetzgebung die Aufnahme einer Anleihe, ſowie die Uebernahme einer Garantie zu Laſten des Reichs erfolgen.“ Es iſt nicht zu bezweifeln, daß dieſer Artikel im Weſentlichen die Finanzſchulden treffen will. Im Zuſammenhange mit Art. 69 bis 72, welche die Einnahmen und Ausgaben des Reiches behan- deln, bezieht der Art. 73 ſich auf den Fall, daß die durch Reichs- 1) Vgl. hierüber Bd. II. S. 212 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/239>, abgerufen am 21.11.2024.