Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 125. Die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben etc. einem "vorläufig auf einen Monat erstreckten" Etat ist im Hinblickauf Art. 69 der R.V. eine anomale 1). Indessen, wenn man hiervon absehen und die provisorische II. Geht man von der Vorstellung aus, daß das Budget- 1) Wenn man mit dem Art. 69 der R.V. Monats- oder Vierteljahres- Etats für verträglich hält, so ist nicht recht einzusehen, warum nicht auch Etats für Finanzperioden von zwei oder mehreren Jahren damit vereinbar sein sollen. Verfassungsgemäß sind allein Jahresetats. 2) Dies galt früher als "konstitutionell" und wurde a priori als Axiom hingestellt. Vgl. die aus dem Jahre 1862 stammende Ausführung von Lasker, Zur Verfassungsgeschichte Preußens 1874 S. 355 ff. Diese Theorie wird jetzt noch vertheidigt von v. Rönne Staatsr. d. D. R. II. 1 S. 171. v. Martitz a. a. O. S. 65 und Zorn S. 382. 3) Vgl. mein Budgetrecht S. 76 ff. Uebereinstimmend Schulze in Grün-
hut's Zeitschr. S. 196 und Lehrbuch I. S. 591 fg. §. 125. Die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben ꝛc. einem „vorläufig auf einen Monat erſtreckten“ Etat iſt im Hinblickauf Art. 69 der R.V. eine anomale 1). Indeſſen, wenn man hiervon abſehen und die proviſoriſche II. Geht man von der Vorſtellung aus, daß das Budget- 1) Wenn man mit dem Art. 69 der R.V. Monats- oder Vierteljahres- Etats für verträglich hält, ſo iſt nicht recht einzuſehen, warum nicht auch Etats für Finanzperioden von zwei oder mehreren Jahren damit vereinbar ſein ſollen. Verfaſſungsgemäß ſind allein Jahresetats. 2) Dies galt früher als „konſtitutionell“ und wurde a priori als Axiom hingeſtellt. Vgl. die aus dem Jahre 1862 ſtammende Ausführung von Lasker, Zur Verfaſſungsgeſchichte Preußens 1874 S. 355 ff. Dieſe Theorie wird jetzt noch vertheidigt von v. Rönne Staatsr. d. D. R. II. 1 S. 171. v. Martitz a. a. O. S. 65 und Zorn S. 382. 3) Vgl. mein Budgetrecht S. 76 ff. Uebereinſtimmend Schulze in Grün-
hut’s Zeitſchr. S. 196 und Lehrbuch I. S. 591 fg. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0380" n="370"/><fw place="top" type="header">§. 125. Die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben ꝛc.</fw><lb/> einem „vorläufig auf einen Monat erſtreckten“ Etat iſt im Hinblick<lb/> auf Art. 69 der R.V. eine anomale <note place="foot" n="1)">Wenn man mit dem Art. 69 der R.V. Monats- oder Vierteljahres-<lb/> Etats für verträglich hält, ſo iſt nicht recht einzuſehen, warum nicht auch<lb/> Etats für Finanzperioden von zwei oder mehreren Jahren damit vereinbar<lb/> ſein ſollen. <hi rendition="#g">Verfaſſungsgemäß</hi> ſind allein <hi rendition="#g">Jahres</hi>etats.</note>.</p><lb/> <p>Indeſſen, wenn man hiervon abſehen und die proviſoriſche<lb/> Erſtreckung des letzten Etatsgeſetzes für die correcte und dem „con-<lb/> ſtitutionellen Princip“ entſprechende Aushülfe anerkennen will, ſo<lb/> iſt damit die Frage keineswegs abgethan; denn ſo gut wie das<lb/> Etatsgeſetz ſelbſt kann auch das Geſetz betreffend die vorläufige<lb/> Erſtreckung des vorigen Etats an Hinderniſſen aller Art ſcheitern.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">II.</hi> Geht man von der Vorſtellung aus, daß das Budget-<lb/> geſetz die alleinige und ausſchließliche geſetzliche Grundlage für die<lb/> Finanzwirthſchaft ſei, daß nur durch das Budget-Geſetz die Regie-<lb/> rung ſtaatsrechtlich ermächtigt werde, Ausgaben zu leiſten und Ein-<lb/> nahmen zu erheben <note place="foot" n="2)">Dies galt früher als „konſtitutionell“ und wurde <hi rendition="#aq">a priori</hi> als Axiom<lb/> hingeſtellt. Vgl. die aus dem Jahre 1862 ſtammende Ausführung von<lb/><hi rendition="#g">Lasker</hi>, Zur Verfaſſungsgeſchichte Preußens 1874 S. 355 ff. Dieſe Theorie<lb/> wird jetzt noch vertheidigt von v. <hi rendition="#g">Rönne</hi> Staatsr. d. D. R. <hi rendition="#aq">II.</hi> 1 S. 171.<lb/> v. <hi rendition="#g">Martitz</hi> a. a. O. S. 65 und <hi rendition="#g">Zorn</hi> S. 382.</note>, ſo kommt man folgerichtig zu dem Reſultat,<lb/> daß, wenn ein Budgetgeſetz nicht zu Stande kommt, die Finanz-<lb/> wirthſchaft, d. h. überhaupt die ſtaatliche Thätigkeit, ſtille ſtehen<lb/> muß <note place="foot" n="3)">Vgl. mein Budgetrecht S. 76 ff. Uebereinſtimmend <hi rendition="#g">Schulze</hi> in Grün-<lb/> hut’s Zeitſchr. S. 196 und Lehrbuch <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 591 fg.</note>. An dieſer abſurden Conſequenz erweist ſich die Unrichtig-<lb/> keit der Theorie; denn ſie bedeutet die Desorganiſirung und Auf-<lb/> löſung des Staates. Hält man dagegen an der Bedeutung des<lb/> Etatsgeſetzes, wie ſie in den vorhergehenden Erörterungen darge-<lb/> legt worden iſt, feſt, ſo ergibt ſich als das oberſte Princip der<lb/> Satz, daß, ſoweit die Regierung <hi rendition="#g">nur durch den Etat</hi> zur Er-<lb/> hebung von Einnahmen und zur Leiſtung von Ausgaben ermächtigt<lb/> iſt, ihr dieſe Befugniß beim Mangel eines ordnungsmäßig zu<lb/> Stande gekommenen Etats fehlt, daß dagegen diejenigen Befugniſſe,<lb/> welche die Regierung <hi rendition="#g">auf Grund dauernd wirkſamer Ge-<lb/> ſetze</hi> hat, ihr durch das bloße Nichtzuſtandekommen des Etats,<lb/> alſo durch das Nichthinzutreten eines neuen formalen Rechtsgrundes,<lb/> nicht entzogen werden, da es einer alljährlichen Prolongation oder<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [370/0380]
§. 125. Die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben ꝛc.
einem „vorläufig auf einen Monat erſtreckten“ Etat iſt im Hinblick
auf Art. 69 der R.V. eine anomale 1).
Indeſſen, wenn man hiervon abſehen und die proviſoriſche
Erſtreckung des letzten Etatsgeſetzes für die correcte und dem „con-
ſtitutionellen Princip“ entſprechende Aushülfe anerkennen will, ſo
iſt damit die Frage keineswegs abgethan; denn ſo gut wie das
Etatsgeſetz ſelbſt kann auch das Geſetz betreffend die vorläufige
Erſtreckung des vorigen Etats an Hinderniſſen aller Art ſcheitern.
II. Geht man von der Vorſtellung aus, daß das Budget-
geſetz die alleinige und ausſchließliche geſetzliche Grundlage für die
Finanzwirthſchaft ſei, daß nur durch das Budget-Geſetz die Regie-
rung ſtaatsrechtlich ermächtigt werde, Ausgaben zu leiſten und Ein-
nahmen zu erheben 2), ſo kommt man folgerichtig zu dem Reſultat,
daß, wenn ein Budgetgeſetz nicht zu Stande kommt, die Finanz-
wirthſchaft, d. h. überhaupt die ſtaatliche Thätigkeit, ſtille ſtehen
muß 3). An dieſer abſurden Conſequenz erweist ſich die Unrichtig-
keit der Theorie; denn ſie bedeutet die Desorganiſirung und Auf-
löſung des Staates. Hält man dagegen an der Bedeutung des
Etatsgeſetzes, wie ſie in den vorhergehenden Erörterungen darge-
legt worden iſt, feſt, ſo ergibt ſich als das oberſte Princip der
Satz, daß, ſoweit die Regierung nur durch den Etat zur Er-
hebung von Einnahmen und zur Leiſtung von Ausgaben ermächtigt
iſt, ihr dieſe Befugniß beim Mangel eines ordnungsmäßig zu
Stande gekommenen Etats fehlt, daß dagegen diejenigen Befugniſſe,
welche die Regierung auf Grund dauernd wirkſamer Ge-
ſetze hat, ihr durch das bloße Nichtzuſtandekommen des Etats,
alſo durch das Nichthinzutreten eines neuen formalen Rechtsgrundes,
nicht entzogen werden, da es einer alljährlichen Prolongation oder
1) Wenn man mit dem Art. 69 der R.V. Monats- oder Vierteljahres-
Etats für verträglich hält, ſo iſt nicht recht einzuſehen, warum nicht auch
Etats für Finanzperioden von zwei oder mehreren Jahren damit vereinbar
ſein ſollen. Verfaſſungsgemäß ſind allein Jahresetats.
2) Dies galt früher als „konſtitutionell“ und wurde a priori als Axiom
hingeſtellt. Vgl. die aus dem Jahre 1862 ſtammende Ausführung von
Lasker, Zur Verfaſſungsgeſchichte Preußens 1874 S. 355 ff. Dieſe Theorie
wird jetzt noch vertheidigt von v. Rönne Staatsr. d. D. R. II. 1 S. 171.
v. Martitz a. a. O. S. 65 und Zorn S. 382.
3) Vgl. mein Budgetrecht S. 76 ff. Uebereinſtimmend Schulze in Grün-
hut’s Zeitſchr. S. 196 und Lehrbuch I. S. 591 fg.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |