Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 98. Die Gerichtsbarkeit der Einzelstaaten. überlassen, wobei allerdings die Reichsgesetze über Strafrecht,bürgerliches Recht und über die verschiedenen Gebiete des öffent- lichen Rechts der Selbstbestimmung der Einzelstaaten erhebliche Schranken setzen. Für das Reichsstaatsrecht bietet diese Materie keinen Anlaß Da die Bestellung und Organisation der Behörden, durch 1) Einf.Ges. z. Gerichtsverf.Ges. Art. 4. Ueber den Kreis der Geschäfte,
welche zur Justizverwaltung gehören, vgl. die Verhandlungen der Reichstags- kommission Protot. I. Les. S. 436 ff. (Hahn S. 647). Abg. Dr. Lasker zählt dahin: "Alle Geschäfte, welche zur Herbeiführung und Vollziehung des Richterspruchs erforderlich seien; auch äußere Angelegenheiten, sofern sie zu dem bezeichneten Zwecke erledigt werden müssen; unter diesen Gesichtspunkt falle auch die Beschaffung der Schreibmaterialien, die Aufsicht über die Straf- anstalten." §. 98. Die Gerichtsbarkeit der Einzelſtaaten. überlaſſen, wobei allerdings die Reichsgeſetze über Strafrecht,bürgerliches Recht und über die verſchiedenen Gebiete des öffent- lichen Rechts der Selbſtbeſtimmung der Einzelſtaaten erhebliche Schranken ſetzen. Für das Reichsſtaatsrecht bietet dieſe Materie keinen Anlaß Da die Beſtellung und Organiſation der Behörden, durch 1) Einf.Geſ. z. Gerichtsverf.Geſ. Art. 4. Ueber den Kreis der Geſchäfte,
welche zur Juſtizverwaltung gehören, vgl. die Verhandlungen der Reichstags- kommiſſion Protot. I. Leſ. S. 436 ff. (Hahn S. 647). Abg. Dr. Lasker zählt dahin: „Alle Geſchäfte, welche zur Herbeiführung und Vollziehung des Richterſpruchs erforderlich ſeien; auch äußere Angelegenheiten, ſofern ſie zu dem bezeichneten Zwecke erledigt werden müſſen; unter dieſen Geſichtspunkt falle auch die Beſchaffung der Schreibmaterialien, die Aufſicht über die Straf- anſtalten.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0063" n="53"/><fw place="top" type="header">§. 98. Die Gerichtsbarkeit der Einzelſtaaten.</fw><lb/> überlaſſen, wobei allerdings die Reichsgeſetze über Strafrecht,<lb/> bürgerliches Recht und über die verſchiedenen Gebiete des öffent-<lb/> lichen Rechts der Selbſtbeſtimmung der Einzelſtaaten erhebliche<lb/> Schranken ſetzen.</p><lb/> <p>Für das <choice><sic>Reichsſtaatsrechts</sic><corr>Reichsſtaatsrecht</corr></choice> bietet dieſe Materie keinen Anlaß<lb/> zu ſpeziellen Erörterungen; es gelten keine anderen Rechtsregeln<lb/> als diejenigen, welche ſich aus dem allgemeinen Unterordnungs-<lb/> Verhältniß der Bundesſtaaten unter die Reichsgewalt ergeben; in<lb/> dieſer Beziehung iſt auf die Erörterungen Bd. <hi rendition="#aq">II</hi> S. 231—232<lb/> zu verweiſen.</p><lb/> <p>Da die Beſtellung und Organiſation der Behörden, durch<lb/> welche dieſe Gerichtsbarkeit ausgeübt wird, den Einzelſtaaten über-<lb/> laſſen iſt, ſo ſteht es ihnen auch frei, dazu die <hi rendition="#g">ordentlichen</hi><lb/> Gerichte zu verwenden und die Zuſtändigkeit derſelben und das<lb/> von ihnen zu befolgende Verfahren vorzuſchreiben. Nur in <hi rendition="#g">einer</hi><lb/> Beziehung iſt den Einzelſtaaten hier eine Schranke gezogen; es iſt<lb/> ihnen verboten, andere Geſchäfte der Verwaltung als diejenigen<lb/> der Juſtizverwaltung den ordentlichen Gerichten zu übertragen <note place="foot" n="1)">Einf.Geſ. z. Gerichtsverf.Geſ. Art. 4. Ueber den Kreis der Geſchäfte,<lb/> welche zur Juſtizverwaltung gehören, vgl. die Verhandlungen der Reichstags-<lb/> kommiſſion Protot. <hi rendition="#aq">I.</hi> Leſ. S. 436 ff. (Hahn S. 647). Abg. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Lasker</hi><lb/> zählt dahin: „Alle Geſchäfte, welche zur Herbeiführung und Vollziehung des<lb/> Richterſpruchs erforderlich ſeien; auch äußere Angelegenheiten, ſofern ſie zu<lb/> dem bezeichneten Zwecke erledigt werden müſſen; unter dieſen Geſichtspunkt<lb/> falle auch die Beſchaffung der Schreibmaterialien, die Aufſicht über die Straf-<lb/> anſtalten.“</note>.<lb/> Hierdurch iſt der Grundſatz von der Trennung der Rechtspflege<lb/> von der Verwaltung, welcher bei Einführung der neuen Gerichts-<lb/> verfaſſung in allen deutſchen Staaten bis auf ein Paar unbedeu-<lb/> tende Ausnahmen landesrechtlich bereits durchgeführt war, <hi rendition="#g">reichs-<lb/> geſetzlich</hi> ſanctionirt worden, ſo daß den Einzelſtaaten jede Ab-<lb/> weichung von demſelben unmöglich gemacht worden iſt. Wenngleich<lb/> daher die praktiſche Wirkung dieſer Beſtimmung nur gering war,<lb/> ſo kömmt ihr doch ſtaatsrechtlich eine große Tragweite zu, indem<lb/> ſie eine einſchneidende Beſchränkung der Autonomie der Einzel-<lb/> ſtaaten enthält. Das Reich verbietet aber nur, Verwaltungsge-<lb/> ſchäfte den ordentlichen „Gerichten“ zu übertragen, nicht den<lb/> „Richtern“; d. h. es müſſen geſonderte „Behörden“ für die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0063]
§. 98. Die Gerichtsbarkeit der Einzelſtaaten.
überlaſſen, wobei allerdings die Reichsgeſetze über Strafrecht,
bürgerliches Recht und über die verſchiedenen Gebiete des öffent-
lichen Rechts der Selbſtbeſtimmung der Einzelſtaaten erhebliche
Schranken ſetzen.
Für das Reichsſtaatsrecht bietet dieſe Materie keinen Anlaß
zu ſpeziellen Erörterungen; es gelten keine anderen Rechtsregeln
als diejenigen, welche ſich aus dem allgemeinen Unterordnungs-
Verhältniß der Bundesſtaaten unter die Reichsgewalt ergeben; in
dieſer Beziehung iſt auf die Erörterungen Bd. II S. 231—232
zu verweiſen.
Da die Beſtellung und Organiſation der Behörden, durch
welche dieſe Gerichtsbarkeit ausgeübt wird, den Einzelſtaaten über-
laſſen iſt, ſo ſteht es ihnen auch frei, dazu die ordentlichen
Gerichte zu verwenden und die Zuſtändigkeit derſelben und das
von ihnen zu befolgende Verfahren vorzuſchreiben. Nur in einer
Beziehung iſt den Einzelſtaaten hier eine Schranke gezogen; es iſt
ihnen verboten, andere Geſchäfte der Verwaltung als diejenigen
der Juſtizverwaltung den ordentlichen Gerichten zu übertragen 1).
Hierdurch iſt der Grundſatz von der Trennung der Rechtspflege
von der Verwaltung, welcher bei Einführung der neuen Gerichts-
verfaſſung in allen deutſchen Staaten bis auf ein Paar unbedeu-
tende Ausnahmen landesrechtlich bereits durchgeführt war, reichs-
geſetzlich ſanctionirt worden, ſo daß den Einzelſtaaten jede Ab-
weichung von demſelben unmöglich gemacht worden iſt. Wenngleich
daher die praktiſche Wirkung dieſer Beſtimmung nur gering war,
ſo kömmt ihr doch ſtaatsrechtlich eine große Tragweite zu, indem
ſie eine einſchneidende Beſchränkung der Autonomie der Einzel-
ſtaaten enthält. Das Reich verbietet aber nur, Verwaltungsge-
ſchäfte den ordentlichen „Gerichten“ zu übertragen, nicht den
„Richtern“; d. h. es müſſen geſonderte „Behörden“ für die
1) Einf.Geſ. z. Gerichtsverf.Geſ. Art. 4. Ueber den Kreis der Geſchäfte,
welche zur Juſtizverwaltung gehören, vgl. die Verhandlungen der Reichstags-
kommiſſion Protot. I. Leſ. S. 436 ff. (Hahn S. 647). Abg. Dr. Lasker
zählt dahin: „Alle Geſchäfte, welche zur Herbeiführung und Vollziehung des
Richterſpruchs erforderlich ſeien; auch äußere Angelegenheiten, ſofern ſie zu
dem bezeichneten Zwecke erledigt werden müſſen; unter dieſen Geſichtspunkt
falle auch die Beſchaffung der Schreibmaterialien, die Aufſicht über die Straf-
anſtalten.“
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