Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.
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Do kundes leider niht geſchehen.
Wir horten ſi des beide jehen.
Daz ir vil leit wœre,
Ob iemen deheinu̓ ſwœre
Von ir ſchulde ſolde han,
Nu̓wan der einige man;
Daz hete ſi gerne gebroͧwen.
Dieterich und Hildebrand hörten das ohne Zweifel von ihr,
als ſie Dieterich zuerſt um Rath und Hülfe bat. Die Ni-
belungen (Z. 7648) laſſen ſie aber auch nur darum bitten,
ohne jene beſtimmte Äußerung, daß ſie die übrigen, außer
Hagen, wollte geſchont haben. Ja ſpäterhin, wo ſie um
Frieden bitten, antwortet ſie (Z. 8509):
Ine mac u̓ niht genaden, ungenade ich han;
Mir hat von Tronege Hagene ſo grozu̓ leit getan;
Ez iſt vil unverſünet, du̓ wil’ ich han den lip.
Ir müzetes alle engelten, ſprach daz Etzelen
wip.
Dagegen heißt es in der Klage an einem anderen Orte
(Z. 622 — 640): Sie hatte es nicht ſo gemeint, ſie wollte
gern, daß nur der eine Mann getödtet würde; damit hätte
ihr Schmerz und Zorn eine Ende gehabt; da wollten ihn
ſeine Herren und Mage nicht erſchlagen laſſen, ſo ließ ſie
es gehen wie es wollte. Und abermahl (Z. 2098 — 2105):
Kiemhild hätte Hagen wohl von den drei Königen aus-
geſchieden; nur geht Weibesſinn ſelten weiter als eine
Spanne. Dieſer Gedanke, der in der Klage noch öfter
wiederhohlt wird, iſt, wie geſagt, den Nibelungen fremd.
Denn daß er doch dreimahl in der erſten Hohenemſer Hand-
ſchrift, und ſelbſt an der zuerſt angeführten Stelle (Z. 7653
— 7660, ferner Z. 7385 — 7388. 8441 — 8444) vorkommt,
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