Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.Anmerkungen. 1) Was Göttling in seiner Schrift: Nibelungen und Gibelinen, Rudolstadt 1816, S. 40 ff. sagt, scheint mit mei- ner Behauptung freilich geradezu im Widerspruche zu ste- hen *). Wenn er aber meint, jeder fühle, wie das Lied in Einem Geist und Sinn in Einer Zeit entstanden sei, so glaube ich dagegen auch nur, daß das Gedicht nicht bloß von Einem Dichter geordnet worden, sondern die einzelnen Lieder selbst in der jetzigen Ausbildung, wo nicht sämmt- lich, doch meistentheils nur einem einzigen Jahrhundert, dem zwölften, angehören. 2) Diese Unterscheidung ist nicht so gemeint, als wollte ich die seit mehreren Jahren in Schwang gekommenen wunderlichen Vorstellungen von Volksliedern und ihrer *) Allerdings thut es auch der Phantasie weh, das Bild,
welches sie sich einmahl von Homer oder sonst einem Dichter gemacht, dem Verstande zu Liebe aufzugeben. Anmerkungen. 1) Was Göttling in ſeiner Schrift: Nibelungen und Gibelinen, Rudolſtadt 1816, S. 40 ff. ſagt, ſcheint mit mei- ner Behauptung freilich geradezu im Widerſpruche zu ſte- hen *). Wenn er aber meint, jeder fühle, wie das Lied in Einem Geiſt und Sinn in Einer Zeit entſtanden ſei, ſo glaube ich dagegen auch nur, daß das Gedicht nicht bloß von Einem Dichter geordnet worden, ſondern die einzelnen Lieder ſelbſt in der jetzigen Ausbildung, wo nicht ſämmt- lich, doch meiſtentheils nur einem einzigen Jahrhundert, dem zwölften, angehören. 2) Dieſe Unterſcheidung iſt nicht ſo gemeint, als wollte ich die ſeit mehreren Jahren in Schwang gekommenen wunderlichen Vorſtellungen von Volksliedern und ihrer *) Allerdings thut es auch der Phantaſie weh, das Bild,
welches ſie ſich einmahl von Homer oder ſonſt einem Dichter gemacht, dem Verſtande zu Liebe aufzugeben. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0097" n="[89]"/> <div n="1"> <head><hi rendition="#g">Anmerkungen</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <note xml:id="en1-text" prev="#en1" place="end" n="1)">Was Göttling in ſeiner Schrift: Nibelungen und<lb/> Gibelinen, Rudolſtadt 1816, S. 40 ff. ſagt, ſcheint mit mei-<lb/> ner Behauptung freilich geradezu im Widerſpruche zu ſte-<lb/> hen <note place="foot" n="*)">Allerdings thut es auch der Phantaſie weh, das Bild,<lb/> welches ſie ſich einmahl von Homer oder ſonſt einem<lb/> Dichter gemacht, dem Verſtande zu Liebe aufzugeben.</note>. Wenn er aber meint, jeder fühle, wie das Lied in<lb/> Einem Geiſt und Sinn in Einer Zeit entſtanden ſei, ſo<lb/> glaube ich dagegen auch nur, daß das Gedicht nicht bloß<lb/> von Einem Dichter geordnet worden, ſondern die einzelnen<lb/> Lieder ſelbſt in der jetzigen Ausbildung, wo nicht ſämmt-<lb/> lich, doch meiſtentheils nur einem einzigen Jahrhundert,<lb/> dem zwölften, angehören.</note><lb/> <note xml:id="en2-text" prev="#en2" place="end" n="2)">Dieſe Unterſcheidung iſt nicht ſo gemeint, als wollte<lb/> ich die ſeit mehreren Jahren in Schwang gekommenen<lb/> wunderlichen Vorſtellungen von Volksliedern und ihrer<lb/></note> </div> </body> </text> </TEI> [[89]/0097]
Anmerkungen.
¹⁾ Was Göttling in ſeiner Schrift: Nibelungen und
Gibelinen, Rudolſtadt 1816, S. 40 ff. ſagt, ſcheint mit mei-
ner Behauptung freilich geradezu im Widerſpruche zu ſte-
hen *). Wenn er aber meint, jeder fühle, wie das Lied in
Einem Geiſt und Sinn in Einer Zeit entſtanden ſei, ſo
glaube ich dagegen auch nur, daß das Gedicht nicht bloß
von Einem Dichter geordnet worden, ſondern die einzelnen
Lieder ſelbſt in der jetzigen Ausbildung, wo nicht ſämmt-
lich, doch meiſtentheils nur einem einzigen Jahrhundert,
dem zwölften, angehören.
²⁾ Dieſe Unterſcheidung iſt nicht ſo gemeint, als wollte
ich die ſeit mehreren Jahren in Schwang gekommenen
wunderlichen Vorſtellungen von Volksliedern und ihrer
*) Allerdings thut es auch der Phantaſie weh, das Bild,
welches ſie ſich einmahl von Homer oder ſonſt einem
Dichter gemacht, dem Verſtande zu Liebe aufzugeben.
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