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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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Das Allgemeine und Besondere.
Fäusten, Prügeln und Degen geführten gelehrten
Krieg, wodurch entschieden werden sollte, ob die
so genannten Entia uniuersalia außer den einzeln
Dingen an sich, oder in dem göttlichen Verstan-
de, oder unter dem Bilde von Formen oder sonst
auf eine Art, etwann wie Gespenster oder andere
Abentheuer existiren? Der Streit hörete endlich
so auf, daß man anfieng in der Ontologie so ziemlich
einmüthig, und in Form einer definitiven Sentenz,
zu sprechen: daß die allgemeinen Dinge schlecht-
hin nur in den ihnen untergeordneten einzeln
Dingen existiren.
Dadurch wurde aber das onto-
logische Hauptstück vom Allgemeinen und Beson-
dern
sehr entblößt, weil außer dieser Sentenz und der
Erklärung der Wörter, allgemein, besonder, ein-
zeln, Gattung, Art
etc. nicht viel anderes darinn
vorkommen konnte. Ja da diese Erklärungen eigent-
lich zur Form der Erkenntniß gehören, und daher
bereits in der Vernunftlehre vorkommen mußten, so
blieb außer der erst angeführten Sentenz weiter nichts
mehr zu sagen. Wie reichhaltig würde hingegen die-
ses Hauptstück geworden seyn, wenn die Reales ih-
ren Satz von der Existenz vorbemeldeter Abentheuer
hätten behaupten können. Da demnach, was wir
über das Allgemeine und Besondere zu sagen ha-
ben, vielmehr logisch, als ontologisch ist, so werde
ich mich auch auf diese Seite wenden, und die Lehre
vom Allgemeinen und Besondern, von den Ar-
ten
und Gattungen in Absicht auf die daher rüh-
rende Form unserer gesammten Erkenntniß be-
trachten. Die darüber anzustellende Untersuchung
wird daher größtentheils logisch seyn. Sie wird
aber dadurch wichtig, weil sie auf die Frage geht;
wie fern die Eintheilung der Begriffe und Dinge,

wenn
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Das Allgemeine und Beſondere.
Faͤuſten, Pruͤgeln und Degen gefuͤhrten gelehrten
Krieg, wodurch entſchieden werden ſollte, ob die
ſo genannten Entia uniuerſalia außer den einzeln
Dingen an ſich, oder in dem goͤttlichen Verſtan-
de, oder unter dem Bilde von Formen oder ſonſt
auf eine Art, etwann wie Geſpenſter oder andere
Abentheuer exiſtiren? Der Streit hoͤrete endlich
ſo auf, daß man anfieng in der Ontologie ſo ziemlich
einmuͤthig, und in Form einer definitiven Sentenz,
zu ſprechen: daß die allgemeinen Dinge ſchlecht-
hin nur in den ihnen untergeordneten einzeln
Dingen exiſtiren.
Dadurch wurde aber das onto-
logiſche Hauptſtuͤck vom Allgemeinen und Beſon-
dern
ſehr entbloͤßt, weil außer dieſer Sentenz und der
Erklaͤrung der Woͤrter, allgemein, beſonder, ein-
zeln, Gattung, Art
ꝛc. nicht viel anderes darinn
vorkommen konnte. Ja da dieſe Erklaͤrungen eigent-
lich zur Form der Erkenntniß gehoͤren, und daher
bereits in der Vernunftlehre vorkommen mußten, ſo
blieb außer der erſt angefuͤhrten Sentenz weiter nichts
mehr zu ſagen. Wie reichhaltig wuͤrde hingegen die-
ſes Hauptſtuͤck geworden ſeyn, wenn die Reales ih-
ren Satz von der Exiſtenz vorbemeldeter Abentheuer
haͤtten behaupten koͤnnen. Da demnach, was wir
uͤber das Allgemeine und Beſondere zu ſagen ha-
ben, vielmehr logiſch, als ontologiſch iſt, ſo werde
ich mich auch auf dieſe Seite wenden, und die Lehre
vom Allgemeinen und Beſondern, von den Ar-
ten
und Gattungen in Abſicht auf die daher ruͤh-
rende Form unſerer geſammten Erkenntniß be-
trachten. Die daruͤber anzuſtellende Unterſuchung
wird daher groͤßtentheils logiſch ſeyn. Sie wird
aber dadurch wichtig, weil ſie auf die Frage geht;
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[121/0157] Das Allgemeine und Beſondere. Faͤuſten, Pruͤgeln und Degen gefuͤhrten gelehrten Krieg, wodurch entſchieden werden ſollte, ob die ſo genannten Entia uniuerſalia außer den einzeln Dingen an ſich, oder in dem goͤttlichen Verſtan- de, oder unter dem Bilde von Formen oder ſonſt auf eine Art, etwann wie Geſpenſter oder andere Abentheuer exiſtiren? Der Streit hoͤrete endlich ſo auf, daß man anfieng in der Ontologie ſo ziemlich einmuͤthig, und in Form einer definitiven Sentenz, zu ſprechen: daß die allgemeinen Dinge ſchlecht- hin nur in den ihnen untergeordneten einzeln Dingen exiſtiren. Dadurch wurde aber das onto- logiſche Hauptſtuͤck vom Allgemeinen und Beſon- dern ſehr entbloͤßt, weil außer dieſer Sentenz und der Erklaͤrung der Woͤrter, allgemein, beſonder, ein- zeln, Gattung, Art ꝛc. nicht viel anderes darinn vorkommen konnte. Ja da dieſe Erklaͤrungen eigent- lich zur Form der Erkenntniß gehoͤren, und daher bereits in der Vernunftlehre vorkommen mußten, ſo blieb außer der erſt angefuͤhrten Sentenz weiter nichts mehr zu ſagen. Wie reichhaltig wuͤrde hingegen die- ſes Hauptſtuͤck geworden ſeyn, wenn die Reales ih- ren Satz von der Exiſtenz vorbemeldeter Abentheuer haͤtten behaupten koͤnnen. Da demnach, was wir uͤber das Allgemeine und Beſondere zu ſagen ha- ben, vielmehr logiſch, als ontologiſch iſt, ſo werde ich mich auch auf dieſe Seite wenden, und die Lehre vom Allgemeinen und Beſondern, von den Ar- ten und Gattungen in Abſicht auf die daher ruͤh- rende Form unſerer geſammten Erkenntniß be- trachten. Die daruͤber anzuſtellende Unterſuchung wird daher groͤßtentheils logiſch ſeyn. Sie wird aber dadurch wichtig, weil ſie auf die Frage geht; wie fern die Eintheilung der Begriffe und Dinge, wenn H 5

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/157>, abgerufen am 24.11.2024.