Wir haben im vorhergehenden schon verschiedene male angemerket, daß der Begriff der Kraft tran- scendent gemacht, oder so wohl auf die Körperwelt, als auf die Geisterwelt angewandt wird. Jn glei- cher Absicht kann auch die metaphysische Wahrheit, als transcendent betrachtet werden. So z. E. ist die Gedenkbarkeit nichts, daferne nicht die metaphysische Wahrheit mit dazu kömmt, das will sagen, daferne nicht ein denkendes Wesen existirt, welches das Ge- denkbare wirklich denke. Das Reich der logi- schen Wahrheit, wäre ohne die metaphysische Wahrheit, die in den Dingen selbst ist, ein lee- rer Traum, und ohne ein existirendesSupposi- tum intelligenswürde es auch nicht einmal ein Traum, sondern vollends gar nichts seyn. Man kann demnach sagen, daß das Reich der logi- schen Wahrheit eine gedoppelte Basin oder Grund, worauf es beruhen könne, haben müsse. Einmal ein denkendes Wesen, damit sie in der That ge- dacht werde; und sodann die Sache selbst, die der Gegenstand des Gedenkbaren ist. Ersteres ist der subjective, letztere der objective Grund, wodurch die logische Wahrheit in die metaphysische verwandelt wird. Wenn wir daher von ewigen, unveränder- lichen, absolute nothwendigen Wahrheiten reden, und sagen, daß diese, Wahrheit bleiben würde, wenn auch weder Gott, noch Welt, noch nichts wäre; so stoßen wir durch diese letztere Bedingung die erstere Aussage um, weil wir dadurch sowohl den subjecti- ven, als den objectiven realen Grund solcher Wahr- heiten wegnehmen, und diese folglich nicht etwann nur in einen leeren Traum, sondern vollends in Nichts verwandeln. Demnach zieht der Satz, daß es
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Lamb. Archit.I.B. T
und das Nicht wahr ſeyn.
§. 299.
Wir haben im vorhergehenden ſchon verſchiedene male angemerket, daß der Begriff der Kraft tran- ſcendent gemacht, oder ſo wohl auf die Koͤrperwelt, als auf die Geiſterwelt angewandt wird. Jn glei- cher Abſicht kann auch die metaphyſiſche Wahrheit, als tranſcendent betrachtet werden. So z. E. iſt die Gedenkbarkeit nichts, daferne nicht die metaphyſiſche Wahrheit mit dazu koͤmmt, das will ſagen, daferne nicht ein denkendes Weſen exiſtirt, welches das Ge- denkbare wirklich denke. Das Reich der logi- ſchen Wahrheit, waͤre ohne die metaphyſiſche Wahrheit, die in den Dingen ſelbſt iſt, ein lee- rer Traum, und ohne ein exiſtirendesSuppoſi- tum intelligenswuͤrde es auch nicht einmal ein Traum, ſondern vollends gar nichts ſeyn. Man kann demnach ſagen, daß das Reich der logi- ſchen Wahrheit eine gedoppelte Baſin oder Grund, worauf es beruhen koͤnne, haben muͤſſe. Einmal ein denkendes Weſen, damit ſie in der That ge- dacht werde; und ſodann die Sache ſelbſt, die der Gegenſtand des Gedenkbaren iſt. Erſteres iſt der ſubjective, letztere der objective Grund, wodurch die logiſche Wahrheit in die metaphyſiſche verwandelt wird. Wenn wir daher von ewigen, unveraͤnder- lichen, abſolute nothwendigen Wahrheiten reden, und ſagen, daß dieſe, Wahrheit bleiben wuͤrde, wenn auch weder Gott, noch Welt, noch nichts waͤre; ſo ſtoßen wir durch dieſe letztere Bedingung die erſtere Ausſage um, weil wir dadurch ſowohl den ſubjecti- ven, als den objectiven realen Grund ſolcher Wahr- heiten wegnehmen, und dieſe folglich nicht etwann nur in einen leeren Traum, ſondern vollends in Nichts verwandeln. Demnach zieht der Satz, daß es
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und das Nicht wahr ſeyn.
§. 299.
Wir haben im vorhergehenden ſchon verſchiedene
male angemerket, daß der Begriff der Kraft tran-
ſcendent gemacht, oder ſo wohl auf die Koͤrperwelt,
als auf die Geiſterwelt angewandt wird. Jn glei-
cher Abſicht kann auch die metaphyſiſche Wahrheit,
als tranſcendent betrachtet werden. So z. E. iſt die
Gedenkbarkeit nichts, daferne nicht die metaphyſiſche
Wahrheit mit dazu koͤmmt, das will ſagen, daferne
nicht ein denkendes Weſen exiſtirt, welches das Ge-
denkbare wirklich denke. Das Reich der logi-
ſchen Wahrheit, waͤre ohne die metaphyſiſche
Wahrheit, die in den Dingen ſelbſt iſt, ein lee-
rer Traum, und ohne ein exiſtirendes Suppoſi-
tum intelligens wuͤrde es auch nicht einmal ein
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Man kann demnach ſagen, daß das Reich der logi-
ſchen Wahrheit eine gedoppelte Baſin oder Grund,
worauf es beruhen koͤnne, haben muͤſſe. Einmal
ein denkendes Weſen, damit ſie in der That ge-
dacht werde; und ſodann die Sache ſelbſt, die der
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ſubjective, letztere der objective Grund, wodurch die
logiſche Wahrheit in die metaphyſiſche verwandelt
wird. Wenn wir daher von ewigen, unveraͤnder-
lichen, abſolute nothwendigen Wahrheiten reden, und
ſagen, daß dieſe, Wahrheit bleiben wuͤrde, wenn
auch weder Gott, noch Welt, noch nichts waͤre; ſo
ſtoßen wir durch dieſe letztere Bedingung die erſtere
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ven, als den objectiven realen Grund ſolcher Wahr-
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/325>, abgerufen am 24.11.2024.
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