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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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Das Zusammensetzen.
deren verschiedene Arten und Stufen schlechthin von
den besondern Modificationen der Kräfte abhängt,
womit die Theilchen verbunden sind. Die meisten
Versuche zeigen, daß jede Kraft einen Wirkungs-
kreis hat, in welchem sie gleichsam im Ruhestande
ist, und daß die Vergrößerung und die Verkleine-
rung dieses Wirkungskreises das Gleichgewicht auf-
hebt, und die Kraft zur Wiederherstellung desselben
ihre Wirkung äußert.

§. 545.

Da wir den Begriff der Kräfte, sowohl des Den-
kens als des Wollens und des Wirkens, nur aus den
Wirkungen derselben haben, so fällt es auch schwe-
rer, die Art, wie sie wirken, sich vorzustellen, wenn
man es nicht bey dem bloß symbolischen, welches al-
lerdings über unsere Sinnen und Einbildungskraft
hinaus reichen kann, will bewenden lassen. Man
ist, vermuthlich wegen dieser Schwierigkeit, auf den
Einfall gekommen, die Wirkung der Kräfte bloß
ideal zu machen, und den physischen Einfluß dersel-
ben in eine bloße Harmonie zu verwandeln. Die
Kraft wurde durch den zureichenden Grund definirt,
warum die Accidenzen in den Substanzen sind, un-
gefähr eben so, wie man die Existenz durch das Com-
plementum possibilitatis,
oder durch das Comple-
mentum complexus determinationum
definirte. Das
will nun sagen: die Kraft ist die Ursache, warum
das Solide mit anderm Solidem verbunden, und
dadurch etwas mehr als ein bloßer Haufen ist, und
die Existenz machet; daß das, was wirklich ist, et-
was mehr als schlechthin nur möglich ist. Dieses
sind aber Sätze, und keine vollständige und reale
Erklärungen. Denn da die Begriffe der Kraft und

der
L 2

Das Zuſammenſetzen.
deren verſchiedene Arten und Stufen ſchlechthin von
den beſondern Modificationen der Kraͤfte abhaͤngt,
womit die Theilchen verbunden ſind. Die meiſten
Verſuche zeigen, daß jede Kraft einen Wirkungs-
kreis hat, in welchem ſie gleichſam im Ruheſtande
iſt, und daß die Vergroͤßerung und die Verkleine-
rung dieſes Wirkungskreiſes das Gleichgewicht auf-
hebt, und die Kraft zur Wiederherſtellung deſſelben
ihre Wirkung aͤußert.

§. 545.

Da wir den Begriff der Kraͤfte, ſowohl des Den-
kens als des Wollens und des Wirkens, nur aus den
Wirkungen derſelben haben, ſo faͤllt es auch ſchwe-
rer, die Art, wie ſie wirken, ſich vorzuſtellen, wenn
man es nicht bey dem bloß ſymboliſchen, welches al-
lerdings uͤber unſere Sinnen und Einbildungskraft
hinaus reichen kann, will bewenden laſſen. Man
iſt, vermuthlich wegen dieſer Schwierigkeit, auf den
Einfall gekommen, die Wirkung der Kraͤfte bloß
ideal zu machen, und den phyſiſchen Einfluß derſel-
ben in eine bloße Harmonie zu verwandeln. Die
Kraft wurde durch den zureichenden Grund definirt,
warum die Accidenzen in den Subſtanzen ſind, un-
gefaͤhr eben ſo, wie man die Exiſtenz durch das Com-
plementum poſſibilitatis,
oder durch das Comple-
mentum complexus determinationum
definirte. Das
will nun ſagen: die Kraft iſt die Urſache, warum
das Solide mit anderm Solidem verbunden, und
dadurch etwas mehr als ein bloßer Haufen iſt, und
die Exiſtenz machet; daß das, was wirklich iſt, et-
was mehr als ſchlechthin nur moͤglich iſt. Dieſes
ſind aber Saͤtze, und keine vollſtaͤndige und reale
Erklaͤrungen. Denn da die Begriffe der Kraft und

der
L 2
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[163/0171] Das Zuſammenſetzen. deren verſchiedene Arten und Stufen ſchlechthin von den beſondern Modificationen der Kraͤfte abhaͤngt, womit die Theilchen verbunden ſind. Die meiſten Verſuche zeigen, daß jede Kraft einen Wirkungs- kreis hat, in welchem ſie gleichſam im Ruheſtande iſt, und daß die Vergroͤßerung und die Verkleine- rung dieſes Wirkungskreiſes das Gleichgewicht auf- hebt, und die Kraft zur Wiederherſtellung deſſelben ihre Wirkung aͤußert. §. 545. Da wir den Begriff der Kraͤfte, ſowohl des Den- kens als des Wollens und des Wirkens, nur aus den Wirkungen derſelben haben, ſo faͤllt es auch ſchwe- rer, die Art, wie ſie wirken, ſich vorzuſtellen, wenn man es nicht bey dem bloß ſymboliſchen, welches al- lerdings uͤber unſere Sinnen und Einbildungskraft hinaus reichen kann, will bewenden laſſen. Man iſt, vermuthlich wegen dieſer Schwierigkeit, auf den Einfall gekommen, die Wirkung der Kraͤfte bloß ideal zu machen, und den phyſiſchen Einfluß derſel- ben in eine bloße Harmonie zu verwandeln. Die Kraft wurde durch den zureichenden Grund definirt, warum die Accidenzen in den Subſtanzen ſind, un- gefaͤhr eben ſo, wie man die Exiſtenz durch das Com- plementum poſſibilitatis, oder durch das Comple- mentum complexus determinationum definirte. Das will nun ſagen: die Kraft iſt die Urſache, warum das Solide mit anderm Solidem verbunden, und dadurch etwas mehr als ein bloßer Haufen iſt, und die Exiſtenz machet; daß das, was wirklich iſt, et- was mehr als ſchlechthin nur moͤglich iſt. Dieſes ſind aber Saͤtze, und keine vollſtaͤndige und reale Erklaͤrungen. Denn da die Begriffe der Kraft und der L 2

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/171>, abgerufen am 23.11.2024.