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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XXVII. Hauptstück.
der Existenz der Begriff der Dauer enger verbunden,
doch nicht so, daß mit der Dauer zugleich die Exi-
stenz größer werden sollte, weil man statt dessen
schlechthin saget, die Sache existire länger, oder auch
nur sie sey von längerer Dauer, sie währe länger etc.
Auf eine ähnliche Art saget man auch, daß eine Sa-
che mit größern Kräften existire, oder auch nur, daß
sie größere Kräfte habe. Denn da wird in dem Worte
haben, wenn von wirklichen Dingen die Rede ist,
der Begriff der Existenz, wenn aber von bloß mög-
lichen Dingen die Rede ist, die Möglichkeit zu exi-
stiren bereits mit inbegriffen, oder wie vorausgesetzt,
und die Kräfte werden nicht der Existenz, sondern
der Sache zugeeignet. Wenn man aber jedoch der
Existenz Grade geben will, so kann dieses mit Verän-
derung der Bedeutung auf eine symbolische und bloß
eingebildete Art geschehen, weil sich dadurch die Gra-
de der Wahrscheinlichkeit vorstellen lassen, (§. 104.).

§. 797.

Da demnach die vorhin angeführten Fragen nicht
so unbedingt bey allem Gedenkbaren vorkommen, so
muß man, wo man das Ausmeßbare an einer Sa-
che finden will, die Theile und die Verschiedenheiten
in derselben sorgfältig aus einander lesen, um zu se-
hen, wo und wie fern jede dieser Fragen gemacht wer-
den kann. Wir weisen hiebey unmittelbar auf die
Sache selbst und auf den Begriff, den man sich da-
von zu machen hat, weil die Definitionen ebenfalls
erst aus demselben müssen gebildet werden, und weil
diese gewöhnlich nicht alle Verschiedenheiten angeben,
auf die man zu sehen hat, wenn man das Ausmeß-
bare aufsuchen und die Regeln dazu finden will.
Denn es ist allerdings da etwas Ausmeßbares, wo

diese

XXVII. Hauptſtuͤck.
der Exiſtenz der Begriff der Dauer enger verbunden,
doch nicht ſo, daß mit der Dauer zugleich die Exi-
ſtenz groͤßer werden ſollte, weil man ſtatt deſſen
ſchlechthin ſaget, die Sache exiſtire laͤnger, oder auch
nur ſie ſey von laͤngerer Dauer, ſie waͤhre laͤnger ꝛc.
Auf eine aͤhnliche Art ſaget man auch, daß eine Sa-
che mit groͤßern Kraͤften exiſtire, oder auch nur, daß
ſie groͤßere Kraͤfte habe. Denn da wird in dem Worte
haben, wenn von wirklichen Dingen die Rede iſt,
der Begriff der Exiſtenz, wenn aber von bloß moͤg-
lichen Dingen die Rede iſt, die Moͤglichkeit zu exi-
ſtiren bereits mit inbegriffen, oder wie vorausgeſetzt,
und die Kraͤfte werden nicht der Exiſtenz, ſondern
der Sache zugeeignet. Wenn man aber jedoch der
Exiſtenz Grade geben will, ſo kann dieſes mit Veraͤn-
derung der Bedeutung auf eine ſymboliſche und bloß
eingebildete Art geſchehen, weil ſich dadurch die Gra-
de der Wahrſcheinlichkeit vorſtellen laſſen, (§. 104.).

§. 797.

Da demnach die vorhin angefuͤhrten Fragen nicht
ſo unbedingt bey allem Gedenkbaren vorkommen, ſo
muß man, wo man das Ausmeßbare an einer Sa-
che finden will, die Theile und die Verſchiedenheiten
in derſelben ſorgfaͤltig aus einander leſen, um zu ſe-
hen, wo und wie fern jede dieſer Fragen gemacht wer-
den kann. Wir weiſen hiebey unmittelbar auf die
Sache ſelbſt und auf den Begriff, den man ſich da-
von zu machen hat, weil die Definitionen ebenfalls
erſt aus demſelben muͤſſen gebildet werden, und weil
dieſe gewoͤhnlich nicht alle Verſchiedenheiten angeben,
auf die man zu ſehen hat, wenn man das Ausmeß-
bare aufſuchen und die Regeln dazu finden will.
Denn es iſt allerdings da etwas Ausmeßbares, wo

dieſe
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[420/0428] XXVII. Hauptſtuͤck. der Exiſtenz der Begriff der Dauer enger verbunden, doch nicht ſo, daß mit der Dauer zugleich die Exi- ſtenz groͤßer werden ſollte, weil man ſtatt deſſen ſchlechthin ſaget, die Sache exiſtire laͤnger, oder auch nur ſie ſey von laͤngerer Dauer, ſie waͤhre laͤnger ꝛc. Auf eine aͤhnliche Art ſaget man auch, daß eine Sa- che mit groͤßern Kraͤften exiſtire, oder auch nur, daß ſie groͤßere Kraͤfte habe. Denn da wird in dem Worte haben, wenn von wirklichen Dingen die Rede iſt, der Begriff der Exiſtenz, wenn aber von bloß moͤg- lichen Dingen die Rede iſt, die Moͤglichkeit zu exi- ſtiren bereits mit inbegriffen, oder wie vorausgeſetzt, und die Kraͤfte werden nicht der Exiſtenz, ſondern der Sache zugeeignet. Wenn man aber jedoch der Exiſtenz Grade geben will, ſo kann dieſes mit Veraͤn- derung der Bedeutung auf eine ſymboliſche und bloß eingebildete Art geſchehen, weil ſich dadurch die Gra- de der Wahrſcheinlichkeit vorſtellen laſſen, (§. 104.). §. 797. Da demnach die vorhin angefuͤhrten Fragen nicht ſo unbedingt bey allem Gedenkbaren vorkommen, ſo muß man, wo man das Ausmeßbare an einer Sa- che finden will, die Theile und die Verſchiedenheiten in derſelben ſorgfaͤltig aus einander leſen, um zu ſe- hen, wo und wie fern jede dieſer Fragen gemacht wer- den kann. Wir weiſen hiebey unmittelbar auf die Sache ſelbſt und auf den Begriff, den man ſich da- von zu machen hat, weil die Definitionen ebenfalls erſt aus demſelben muͤſſen gebildet werden, und weil dieſe gewoͤhnlich nicht alle Verſchiedenheiten angeben, auf die man zu ſehen hat, wenn man das Ausmeß- bare aufſuchen und die Regeln dazu finden will. Denn es iſt allerdings da etwas Ausmeßbares, wo dieſe

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/428>, abgerufen am 22.11.2024.