Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.über die Einrichtung des Weltbaues. Naturlehre schüchtern zu seyn, und die Erfahrungmacht sich in dieser Wissenschaft auf eine vorzügliche Art nothwendig. Man ist längst schon daran ge- wöhnt, Schlüsse nur als wahrscheinlich anzusehen, die sich nicht in ihrem ganzen Umfange auf die Erfahrung gründen, und die grossen Theils nur aus allgemeinen Betrachtungen hergeleitet sind. So hielte man in den ältern Zeiten die Figur der Erde, nachgehends ih- ren Umlauf, und hernach die Einwohner der Planeten, nicht wohl für mehr als wahrscheinlich erwiesen, und für die letztern mangelt noch dermalen die Autopsie, für alle, die ohne Sehen nicht glauben, und denen all- gemeine Beweise nicht einleuchten. Ich kann also mein System nur für wahrscheinlich angeben, aber die- sen Vortheil habe ich dabey, daß man nun immer mehr bemüht ist, keinen Cometen unbeobachtet vorbey zu lassen. Das Register wird vollständiger, und wer meine Schlüsse des Beyfalls würdig findet, wird zuge- ben, daß dieses Register erst in vielen Jahrhunderten ihre Richtigkeit wird bekräftigen können. Jeder Co- met, der von den vorhergehenden verschieden ist, ge- hört mit auf die Waagschal, die in künftigen Zeiten augenscheinlich überwiegen solle. Mit allem deme wird ein solches Register noch sphäre G 2
uͤber die Einrichtung des Weltbaues. Naturlehre ſchuͤchtern zu ſeyn, und die Erfahrungmacht ſich in dieſer Wiſſenſchaft auf eine vorzuͤgliche Art nothwendig. Man iſt laͤngſt ſchon daran ge- woͤhnt, Schluͤſſe nur als wahrſcheinlich anzuſehen, die ſich nicht in ihrem ganzen Umfange auf die Erfahrung gruͤnden, und die groſſen Theils nur aus allgemeinen Betrachtungen hergeleitet ſind. So hielte man in den aͤltern Zeiten die Figur der Erde, nachgehends ih- ren Umlauf, und hernach die Einwohner der Planeten, nicht wohl fuͤr mehr als wahrſcheinlich erwieſen, und fuͤr die letztern mangelt noch dermalen die Autopſie, fuͤr alle, die ohne Sehen nicht glauben, und denen all- gemeine Beweiſe nicht einleuchten. Ich kann alſo mein Syſtem nur fuͤr wahrſcheinlich angeben, aber die- ſen Vortheil habe ich dabey, daß man nun immer mehr bemuͤht iſt, keinen Cometen unbeobachtet vorbey zu laſſen. Das Regiſter wird vollſtaͤndiger, und wer meine Schluͤſſe des Beyfalls wuͤrdig findet, wird zuge- ben, daß dieſes Regiſter erſt in vielen Jahrhunderten ihre Richtigkeit wird bekraͤftigen koͤnnen. Jeder Co- met, der von den vorhergehenden verſchieden iſt, ge- hoͤrt mit auf die Waagſchal, die in kuͤnftigen Zeiten augenſcheinlich uͤberwiegen ſolle. Mit allem deme wird ein ſolches Regiſter noch ſphaͤre G 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0132" n="99"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">uͤber die Einrichtung des Weltbaues.</hi></fw><lb/> Naturlehre ſchuͤchtern zu ſeyn, und die Erfahrung<lb/> macht ſich in dieſer Wiſſenſchaft auf eine vorzuͤgliche<lb/> Art nothwendig. Man iſt laͤngſt ſchon daran ge-<lb/> woͤhnt, Schluͤſſe nur als wahrſcheinlich anzuſehen, die<lb/> ſich nicht in ihrem ganzen Umfange auf die Erfahrung<lb/> gruͤnden, und die groſſen Theils nur aus allgemeinen<lb/> Betrachtungen hergeleitet ſind. So hielte man in<lb/> den aͤltern Zeiten die Figur der Erde, nachgehends ih-<lb/> ren Umlauf, und hernach die Einwohner der Planeten,<lb/> nicht wohl fuͤr mehr als wahrſcheinlich erwieſen, und<lb/> fuͤr die letztern mangelt noch dermalen die <hi rendition="#aq">Autopſie,</hi><lb/> fuͤr alle, die ohne Sehen nicht glauben, und denen all-<lb/> gemeine Beweiſe nicht einleuchten. Ich kann alſo<lb/> mein <hi rendition="#aq">Syſtem</hi> nur fuͤr wahrſcheinlich angeben, aber die-<lb/> ſen Vortheil habe ich dabey, daß man nun immer mehr<lb/> bemuͤht iſt, keinen Cometen unbeobachtet vorbey zu<lb/> laſſen. Das Regiſter wird vollſtaͤndiger, und wer<lb/> meine Schluͤſſe des Beyfalls wuͤrdig findet, wird zuge-<lb/> ben, daß dieſes Regiſter erſt in vielen Jahrhunderten<lb/> ihre Richtigkeit wird bekraͤftigen koͤnnen. Jeder Co-<lb/> met, der von den vorhergehenden verſchieden iſt, ge-<lb/> hoͤrt mit auf die Waagſchal, die in kuͤnftigen Zeiten<lb/> augenſcheinlich uͤberwiegen ſolle.</p><lb/> <p>Mit allem deme wird ein ſolches Regiſter noch<lb/> in gedoppelter Abſicht unvollſtaͤndig bleiben. Einmal<lb/> fehlen darinn nothwendig alle Cometen, die uns nicht<lb/> nahe genug kommen, um geſehen zu werden, und da-<lb/> her meines Erachtens der groͤßte Theil, weil ich gar<lb/> keinen Grund finde, warum auſſer unſerer Geſichts-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ſphaͤre</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0132]
uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
Naturlehre ſchuͤchtern zu ſeyn, und die Erfahrung
macht ſich in dieſer Wiſſenſchaft auf eine vorzuͤgliche
Art nothwendig. Man iſt laͤngſt ſchon daran ge-
woͤhnt, Schluͤſſe nur als wahrſcheinlich anzuſehen, die
ſich nicht in ihrem ganzen Umfange auf die Erfahrung
gruͤnden, und die groſſen Theils nur aus allgemeinen
Betrachtungen hergeleitet ſind. So hielte man in
den aͤltern Zeiten die Figur der Erde, nachgehends ih-
ren Umlauf, und hernach die Einwohner der Planeten,
nicht wohl fuͤr mehr als wahrſcheinlich erwieſen, und
fuͤr die letztern mangelt noch dermalen die Autopſie,
fuͤr alle, die ohne Sehen nicht glauben, und denen all-
gemeine Beweiſe nicht einleuchten. Ich kann alſo
mein Syſtem nur fuͤr wahrſcheinlich angeben, aber die-
ſen Vortheil habe ich dabey, daß man nun immer mehr
bemuͤht iſt, keinen Cometen unbeobachtet vorbey zu
laſſen. Das Regiſter wird vollſtaͤndiger, und wer
meine Schluͤſſe des Beyfalls wuͤrdig findet, wird zuge-
ben, daß dieſes Regiſter erſt in vielen Jahrhunderten
ihre Richtigkeit wird bekraͤftigen koͤnnen. Jeder Co-
met, der von den vorhergehenden verſchieden iſt, ge-
hoͤrt mit auf die Waagſchal, die in kuͤnftigen Zeiten
augenſcheinlich uͤberwiegen ſolle.
Mit allem deme wird ein ſolches Regiſter noch
in gedoppelter Abſicht unvollſtaͤndig bleiben. Einmal
fehlen darinn nothwendig alle Cometen, die uns nicht
nahe genug kommen, um geſehen zu werden, und da-
her meines Erachtens der groͤßte Theil, weil ich gar
keinen Grund finde, warum auſſer unſerer Geſichts-
ſphaͤre
G 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |