wohnt seyn sollte. Wie, wenn in diesem so schmalen Striche so undenkbar viele Sonnen seyn konnten, wo mag es gefehlt haben, daß nicht der ganze Himmel eben so dichte damit besetzt ist? Sehen Sie, es geht mir nun vollkommen, wie den Philosophen, die ich in meinem ersten Schreiben bestraft hatte. Ich werde unvermerkt auf ihre Spur gebracht, und fange nun bald an, Fragen und Zweifel auf einander aufzuhäu- fen. Doch hoffe ich, meine Zweifel werden nicht so fürchterlich seyn, und wenn uns nur die Cometen in Ruhe lassen, so bin ich nicht besorgt, daß uns etwa ein Fixstern besuchen werde. Er müßte dem ganzen Sonnen-System den Krieg ankünden, dieses aber wer- de ich wohl niemals einräumen.
Was gedenken Sie aber hierüber, und wie fer- ne getrauen Sie sich, mein Herr, Ihren Grundsatz von der Bewohnbarkeit des Weltgebäudes zu rechtfer- tigen, und auch da noch zu zeigen, daß er mit der Ordnung in der Einrichtung des Ganzen und mit dem Gesetze der Schwere zusammenhängt? Wie wunderbar muß es doch in der Milchstrasse ausse- hen! Glauben Sie, daß die Sterne in diesem lichten Streife in der That dichter beysammen sind, oder liegen sie nur in unendlich langen Reihen hin- ter einander? Es mag aber das erste oder das letzte seyn, so komme ich immer wieder auf mei- ne vorige Frage, warum es nur in diesen eini- gen Streifen ist? So unzählbar die Sterne aus-
ser
Coſmologiſche Briefe
wohnt ſeyn ſollte. Wie, wenn in dieſem ſo ſchmalen Striche ſo undenkbar viele Sonnen ſeyn konnten, wo mag es gefehlt haben, daß nicht der ganze Himmel eben ſo dichte damit beſetzt iſt? Sehen Sie, es geht mir nun vollkommen, wie den Philoſophen, die ich in meinem erſten Schreiben beſtraft hatte. Ich werde unvermerkt auf ihre Spur gebracht, und fange nun bald an, Fragen und Zweifel auf einander aufzuhaͤu- fen. Doch hoffe ich, meine Zweifel werden nicht ſo fuͤrchterlich ſeyn, und wenn uns nur die Cometen in Ruhe laſſen, ſo bin ich nicht beſorgt, daß uns etwa ein Fixſtern beſuchen werde. Er muͤßte dem ganzen Sonnen-Syſtem den Krieg ankuͤnden, dieſes aber wer- de ich wohl niemals einraͤumen.
Was gedenken Sie aber hieruͤber, und wie fer- ne getrauen Sie ſich, mein Herr, Ihren Grundſatz von der Bewohnbarkeit des Weltgebaͤudes zu rechtfer- tigen, und auch da noch zu zeigen, daß er mit der Ordnung in der Einrichtung des Ganzen und mit dem Geſetze der Schwere zuſammenhaͤngt? Wie wunderbar muß es doch in der Milchſtraſſe ausſe- hen! Glauben Sie, daß die Sterne in dieſem lichten Streife in der That dichter beyſammen ſind, oder liegen ſie nur in unendlich langen Reihen hin- ter einander? Es mag aber das erſte oder das letzte ſeyn, ſo komme ich immer wieder auf mei- ne vorige Frage, warum es nur in dieſen eini- gen Streifen iſt? So unzaͤhlbar die Sterne auſ-
ſer
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Coſmologiſche Briefe
wohnt ſeyn ſollte. Wie, wenn in dieſem ſo ſchmalen
Striche ſo undenkbar viele Sonnen ſeyn konnten, wo
mag es gefehlt haben, daß nicht der ganze Himmel
eben ſo dichte damit beſetzt iſt? Sehen Sie, es geht
mir nun vollkommen, wie den Philoſophen, die ich in
meinem erſten Schreiben beſtraft hatte. Ich werde
unvermerkt auf ihre Spur gebracht, und fange nun
bald an, Fragen und Zweifel auf einander aufzuhaͤu-
fen. Doch hoffe ich, meine Zweifel werden nicht ſo
fuͤrchterlich ſeyn, und wenn uns nur die Cometen in
Ruhe laſſen, ſo bin ich nicht beſorgt, daß uns etwa
ein Fixſtern beſuchen werde. Er muͤßte dem ganzen
Sonnen-Syſtem den Krieg ankuͤnden, dieſes aber wer-
de ich wohl niemals einraͤumen.
Was gedenken Sie aber hieruͤber, und wie fer-
ne getrauen Sie ſich, mein Herr, Ihren Grundſatz
von der Bewohnbarkeit des Weltgebaͤudes zu rechtfer-
tigen, und auch da noch zu zeigen, daß er mit der
Ordnung in der Einrichtung des Ganzen und mit
dem Geſetze der Schwere zuſammenhaͤngt? Wie
wunderbar muß es doch in der Milchſtraſſe ausſe-
hen! Glauben Sie, daß die Sterne in dieſem
lichten Streife in der That dichter beyſammen ſind,
oder liegen ſie nur in unendlich langen Reihen hin-
ter einander? Es mag aber das erſte oder das
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ne vorige Frage, warum es nur in dieſen eini-
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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/151>, abgerufen am 24.11.2024.
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