nen, ungeacht sie uns noch lange wird verdeckt bleiben, weil uns Zahl und Maß zu Bestimmung so ungeheurer Räume und Zeiten fehlen. Indessen kann man sicher schliessen, daß sie nichts desto weniger wirklich ist, weil sich Ordnung und Vollkommenheit nothwendig durch die ganze Welt verbreitet.
Ungeacht ich aber zugebe, daß alle diese Systemen in einer Fläche liegen, und auch setze, diese Fläche habe eine ansehnliche Breite, so bleibt mir doch hiebey noch eine Frage unaufgelöst, weil es mir vorkömmt, die Lage der Systemen der Milchstrasse müsse eine andere Ein- richtung haben, als die Weltkugeln unseres Sonnen- Systems. Erinnern Sie sich, mein Herr, daß Sie aus guten Gründen bewiesen, es können mehr Welt- kugeln um unsere Sonne seyn, wenn ihre Bahnen nicht in gleicher Fläche liegen, sondern alle mögliche Neigung gegen einander haben. Ich würde also fast schliessen können, die Anzahl der Systemen, so die Milchstrasse ausmachen, seye lange nicht die größte, die möglich wäre. Ich weis wohl, daß dieser Schluß noch nicht nothwendig folgt, weil es unbekannt ist, wohin sich alle diese Systemen mit der Zeit durch ihren Kreyßlauf wen- den werden. Dieses einige wäre also das unbegreif- lichste dabey, daß wir eben in der Zeit leben, in wel- cher uns diese Systemen ungefehr in gleicher Fläche zu liegen scheinen. Oder wollten Sie die ganze Milch- strasse in Absicht auf das Weltgebäud nur mit dem Sy- stem des Saturns oder des Jupiters vergleichen, de- ren Trabanten auch in gleicher Fläche sind? Sie reden
mir
Coſmologiſche Briefe
nen, ungeacht ſie uns noch lange wird verdeckt bleiben, weil uns Zahl und Maß zu Beſtimmung ſo ungeheurer Raͤume und Zeiten fehlen. Indeſſen kann man ſicher ſchlieſſen, daß ſie nichts deſto weniger wirklich iſt, weil ſich Ordnung und Vollkommenheit nothwendig durch die ganze Welt verbreitet.
Ungeacht ich aber zugebe, daß alle dieſe Syſtemen in einer Flaͤche liegen, und auch ſetze, dieſe Flaͤche habe eine anſehnliche Breite, ſo bleibt mir doch hiebey noch eine Frage unaufgeloͤst, weil es mir vorkoͤmmt, die Lage der Syſtemen der Milchſtraſſe muͤſſe eine andere Ein- richtung haben, als die Weltkugeln unſeres Sonnen- Syſtems. Erinnern Sie ſich, mein Herr, daß Sie aus guten Gruͤnden bewieſen, es koͤnnen mehr Welt- kugeln um unſere Sonne ſeyn, wenn ihre Bahnen nicht in gleicher Flaͤche liegen, ſondern alle moͤgliche Neigung gegen einander haben. Ich wuͤrde alſo faſt ſchlieſſen koͤnnen, die Anzahl der Syſtemen, ſo die Milchſtraſſe ausmachen, ſeye lange nicht die groͤßte, die moͤglich waͤre. Ich weis wohl, daß dieſer Schluß noch nicht nothwendig folgt, weil es unbekannt iſt, wohin ſich alle dieſe Syſtemen mit der Zeit durch ihren Kreyßlauf wen- den werden. Dieſes einige waͤre alſo das unbegreif- lichſte dabey, daß wir eben in der Zeit leben, in wel- cher uns dieſe Syſtemen ungefehr in gleicher Flaͤche zu liegen ſcheinen. Oder wollten Sie die ganze Milch- ſtraſſe in Abſicht auf das Weltgebaͤud nur mit dem Sy- ſtem des Saturns oder des Jupiters vergleichen, de- ren Trabanten auch in gleicher Flaͤche ſind? Sie reden
mir
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Coſmologiſche Briefe
nen, ungeacht ſie uns noch lange wird verdeckt bleiben,
weil uns Zahl und Maß zu Beſtimmung ſo ungeheurer
Raͤume und Zeiten fehlen. Indeſſen kann man ſicher
ſchlieſſen, daß ſie nichts deſto weniger wirklich iſt, weil
ſich Ordnung und Vollkommenheit nothwendig durch
die ganze Welt verbreitet.
Ungeacht ich aber zugebe, daß alle dieſe Syſtemen
in einer Flaͤche liegen, und auch ſetze, dieſe Flaͤche habe
eine anſehnliche Breite, ſo bleibt mir doch hiebey noch
eine Frage unaufgeloͤst, weil es mir vorkoͤmmt, die Lage
der Syſtemen der Milchſtraſſe muͤſſe eine andere Ein-
richtung haben, als die Weltkugeln unſeres Sonnen-
Syſtems. Erinnern Sie ſich, mein Herr, daß Sie
aus guten Gruͤnden bewieſen, es koͤnnen mehr Welt-
kugeln um unſere Sonne ſeyn, wenn ihre Bahnen nicht
in gleicher Flaͤche liegen, ſondern alle moͤgliche Neigung
gegen einander haben. Ich wuͤrde alſo faſt ſchlieſſen
koͤnnen, die Anzahl der Syſtemen, ſo die Milchſtraſſe
ausmachen, ſeye lange nicht die groͤßte, die moͤglich
waͤre. Ich weis wohl, daß dieſer Schluß noch nicht
nothwendig folgt, weil es unbekannt iſt, wohin ſich alle
dieſe Syſtemen mit der Zeit durch ihren Kreyßlauf wen-
den werden. Dieſes einige waͤre alſo das unbegreif-
lichſte dabey, daß wir eben in der Zeit leben, in wel-
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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/179>, abgerufen am 16.07.2024.
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