Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

über die Einrichtung des Weltbaues.
lichen der nächst darauf folgenden einen Begriff zu
machen, um mir die Uebersetzung daraus einiger mas-
sen vorzustellen. Ich konnte die verschiedene Stuffen
der Cycloiden mit nichts genauer vergleichen, als mit
den Wellen des Wassers. Wird es von irgend einer
Ursache bewegt, sogleich wird seine Oberfläche uneben.
Es entsteht eine Reihe von auf einander folgeuden
Wellen, und zwischen jeden zwoen derselben bleibt ei-
ne Tiefe, welche wieder ausgefüllt wird, wenn die
Wellen sich legen. Diese aufeinander folgende Erhe-
bung und Vertiefung bildet im Durchschnitte auf der
Fläche des Wassers eine Art von Schlangenlinie, und
stellt mir das Bild der Cycloiden vor. Sind die Wel-
len klein, so ist auch die Erhebung und Vertiefung nur
einfach, und da habe ich eine Cycloide vom ersten Gra-
de. Werden sie aber merklich grösser, so besteht eine
grosse Welle aus sehr vielen kleinern. Die kleinern
Krümmungen bleiben zwar, allein sie ziehen sich nach
den Wendungen der grössern Welle in die Höhe, und
von da wieder in die Tiefe. Es scheint, die Natur
müsse zu dergleichen Wellenlinien und Oscillationen ei-
ne grosse Lust haben, weil wir sie fast in allen Bewe-
gungen finden. So fährt ein Schiff durch eine Reyhe
von solchen Wellenförmigen Schwankungen über das
Meer. Je grösser es ist, desto grösser muß die Wage
seyn, die es heben und sinken machen kann. Ein klei-
ner Kahn folgt schon den kleinen und grössern Erhebun-
gen zugleich, und indem sich das Orlogschiff einmal er-
hebt und sinkt, leydet der Kahn mehrere kleinere Erhe-
bungen und Senkungen, die zusammen genommen, die

grosse
S 3

uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
lichen der naͤchſt darauf folgenden einen Begriff zu
machen, um mir die Ueberſetzung daraus einiger maſ-
ſen vorzuſtellen. Ich konnte die verſchiedene Stuffen
der Cycloiden mit nichts genauer vergleichen, als mit
den Wellen des Waſſers. Wird es von irgend einer
Urſache bewegt, ſogleich wird ſeine Oberflaͤche uneben.
Es entſteht eine Reihe von auf einander folgeuden
Wellen, und zwiſchen jeden zwoen derſelben bleibt ei-
ne Tiefe, welche wieder ausgefuͤllt wird, wenn die
Wellen ſich legen. Dieſe aufeinander folgende Erhe-
bung und Vertiefung bildet im Durchſchnitte auf der
Flaͤche des Waſſers eine Art von Schlangenlinie, und
ſtellt mir das Bild der Cycloiden vor. Sind die Wel-
len klein, ſo iſt auch die Erhebung und Vertiefung nur
einfach, und da habe ich eine Cycloide vom erſten Gra-
de. Werden ſie aber merklich groͤſſer, ſo beſteht eine
groſſe Welle aus ſehr vielen kleinern. Die kleinern
Kruͤmmungen bleiben zwar, allein ſie ziehen ſich nach
den Wendungen der groͤſſern Welle in die Hoͤhe, und
von da wieder in die Tiefe. Es ſcheint, die Natur
muͤſſe zu dergleichen Wellenlinien und Oſcillationen ei-
ne groſſe Luſt haben, weil wir ſie faſt in allen Bewe-
gungen finden. So faͤhrt ein Schiff durch eine Reyhe
von ſolchen Wellenfoͤrmigen Schwankungen uͤber das
Meer. Je groͤſſer es iſt, deſto groͤſſer muß die Wage
ſeyn, die es heben und ſinken machen kann. Ein klei-
ner Kahn folgt ſchon den kleinen und groͤſſern Erhebun-
gen zugleich, und indem ſich das Orlogſchiff einmal er-
hebt und ſinkt, leydet der Kahn mehrere kleinere Erhe-
bungen und Senkungen, die zuſammen genommen, die

groſſe
S 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0310" n="277"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">u&#x0364;ber die Einrichtung des Weltbaues.</hi></fw><lb/>
lichen der na&#x0364;ch&#x017F;t darauf folgenden einen Begriff zu<lb/>
machen, um mir die Ueber&#x017F;etzung daraus einiger ma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en vorzu&#x017F;tellen. Ich konnte die ver&#x017F;chiedene Stuffen<lb/>
der Cycloiden mit nichts genauer vergleichen, als mit<lb/>
den Wellen des Wa&#x017F;&#x017F;ers. Wird es von irgend einer<lb/>
Ur&#x017F;ache bewegt, &#x017F;ogleich wird &#x017F;eine Oberfla&#x0364;che uneben.<lb/>
Es ent&#x017F;teht eine Reihe von auf einander folgeuden<lb/>
Wellen, und zwi&#x017F;chen jeden zwoen der&#x017F;elben bleibt ei-<lb/>
ne Tiefe, welche wieder ausgefu&#x0364;llt wird, wenn die<lb/>
Wellen &#x017F;ich legen. Die&#x017F;e aufeinander folgende Erhe-<lb/>
bung und Vertiefung bildet im Durch&#x017F;chnitte auf der<lb/>
Fla&#x0364;che des Wa&#x017F;&#x017F;ers eine Art von Schlangenlinie, und<lb/>
&#x017F;tellt mir das Bild der Cycloiden vor. Sind die Wel-<lb/>
len klein, &#x017F;o i&#x017F;t auch die Erhebung und Vertiefung nur<lb/>
einfach, und da habe ich eine Cycloide vom er&#x017F;ten Gra-<lb/>
de. Werden &#x017F;ie aber merklich gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;o be&#x017F;teht eine<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Welle aus &#x017F;ehr vielen kleinern. Die kleinern<lb/>
Kru&#x0364;mmungen bleiben zwar, allein &#x017F;ie ziehen &#x017F;ich nach<lb/>
den Wendungen der gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Welle in die Ho&#x0364;he, und<lb/>
von da wieder in die Tiefe. Es &#x017F;cheint, die Natur<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zu dergleichen Wellenlinien und O&#x017F;cillationen ei-<lb/>
ne gro&#x017F;&#x017F;e Lu&#x017F;t haben, weil wir &#x017F;ie fa&#x017F;t in allen Bewe-<lb/>
gungen finden. So fa&#x0364;hrt ein Schiff durch eine Reyhe<lb/>
von &#x017F;olchen Wellenfo&#x0364;rmigen Schwankungen u&#x0364;ber das<lb/>
Meer. Je gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er es i&#x017F;t, de&#x017F;to gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er muß die Wage<lb/>
&#x017F;eyn, die es heben und &#x017F;inken machen kann. Ein klei-<lb/>
ner Kahn folgt &#x017F;chon den kleinen und gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Erhebun-<lb/>
gen zugleich, und indem &#x017F;ich das Orlog&#x017F;chiff einmal er-<lb/>
hebt und &#x017F;inkt, leydet der Kahn mehrere kleinere Erhe-<lb/>
bungen und Senkungen, die zu&#x017F;ammen genommen, die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 3</fw><fw place="bottom" type="catch">gro&#x017F;&#x017F;e</fw></p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0310] uͤber die Einrichtung des Weltbaues. lichen der naͤchſt darauf folgenden einen Begriff zu machen, um mir die Ueberſetzung daraus einiger maſ- ſen vorzuſtellen. Ich konnte die verſchiedene Stuffen der Cycloiden mit nichts genauer vergleichen, als mit den Wellen des Waſſers. Wird es von irgend einer Urſache bewegt, ſogleich wird ſeine Oberflaͤche uneben. Es entſteht eine Reihe von auf einander folgeuden Wellen, und zwiſchen jeden zwoen derſelben bleibt ei- ne Tiefe, welche wieder ausgefuͤllt wird, wenn die Wellen ſich legen. Dieſe aufeinander folgende Erhe- bung und Vertiefung bildet im Durchſchnitte auf der Flaͤche des Waſſers eine Art von Schlangenlinie, und ſtellt mir das Bild der Cycloiden vor. Sind die Wel- len klein, ſo iſt auch die Erhebung und Vertiefung nur einfach, und da habe ich eine Cycloide vom erſten Gra- de. Werden ſie aber merklich groͤſſer, ſo beſteht eine groſſe Welle aus ſehr vielen kleinern. Die kleinern Kruͤmmungen bleiben zwar, allein ſie ziehen ſich nach den Wendungen der groͤſſern Welle in die Hoͤhe, und von da wieder in die Tiefe. Es ſcheint, die Natur muͤſſe zu dergleichen Wellenlinien und Oſcillationen ei- ne groſſe Luſt haben, weil wir ſie faſt in allen Bewe- gungen finden. So faͤhrt ein Schiff durch eine Reyhe von ſolchen Wellenfoͤrmigen Schwankungen uͤber das Meer. Je groͤſſer es iſt, deſto groͤſſer muß die Wage ſeyn, die es heben und ſinken machen kann. Ein klei- ner Kahn folgt ſchon den kleinen und groͤſſern Erhebun- gen zugleich, und indem ſich das Orlogſchiff einmal er- hebt und ſinkt, leydet der Kahn mehrere kleinere Erhe- bungen und Senkungen, die zuſammen genommen, die groſſe S 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/310
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/310>, abgerufen am 21.11.2024.