Auf die Beschreibung, die Sie mir, mein Herr, von der Verfassung des Weltgebäudes ma- chen, fange ich nun bald an, es mit andern Augen anzusehen, als es mir die Weltweisen vorge- malt hatten. Es hätte nicht viel gefehlt, daß ich nicht die Astronomen als verordnete Propheten, und, wenn ich es noch fürchterlicher machen solle, die Er- findung der Fernröhren und den schnellen Wachsthum der Sternwissenschaft als Vorbothen eines bevorste- henden Uebels betrachtet hätte. Wie, dachte ich, ist irgendwo ein Genius, der dem Copernicus den Weltbau, dem Kepler seine Gesetze, und dem New- ton die so schreckbare Attra[c]tion, und die Lehre von dem Lauf und der Wirkung der Cometen eingabe, da- mit sich alles zur Weissagung des Unheils anschicken, und die Bewohner der Erde sich dazu gefaßt machen möchten, damit nicht alle zu Grunde giengen, sondern ein Saame zur Fortpflanzung auf der ungeänderten Erde leben bliebe. Wäre dieses der Rathschluß der Vorsehung, die bey allen Unfällen noch für die Erhal- tung ihrer Geschöpfe sorget!
Allein Ihr Schreiben, mein Herr, dafür ich Ih- nen verbindlichst danke, benimmt mir diese ängstliche Vorstellung, da Sie solche Zufälle, wo nicht ganz in Abrede sind, doch wenigstens auf viele Jahrhunderte hinaus setzen. Ihr Weltgebäude hat unstreitig etwas
Großes
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uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
Dritter Brief.
Auf die Beſchreibung, die Sie mir, mein Herr, von der Verfaſſung des Weltgebaͤudes ma- chen, fange ich nun bald an, es mit andern Augen anzuſehen, als es mir die Weltweiſen vorge- malt hatten. Es haͤtte nicht viel gefehlt, daß ich nicht die Aſtronomen als verordnete Propheten, und, wenn ich es noch fuͤrchterlicher machen ſolle, die Er- findung der Fernroͤhren und den ſchnellen Wachsthum der Sternwiſſenſchaft als Vorbothen eines bevorſte- henden Uebels betrachtet haͤtte. Wie, dachte ich, iſt irgendwo ein Genius, der dem Copernicus den Weltbau, dem Kepler ſeine Geſetze, und dem New- ton die ſo ſchreckbare Attra[c]tion, und die Lehre von dem Lauf und der Wirkung der Cometen eingabe, da- mit ſich alles zur Weiſſagung des Unheils anſchicken, und die Bewohner der Erde ſich dazu gefaßt machen moͤchten, damit nicht alle zu Grunde giengen, ſondern ein Saame zur Fortpflanzung auf der ungeaͤnderten Erde leben bliebe. Waͤre dieſes der Rathſchluß der Vorſehung, die bey allen Unfaͤllen noch fuͤr die Erhal- tung ihrer Geſchoͤpfe ſorget!
Allein Ihr Schreiben, mein Herr, dafuͤr ich Ih- nen verbindlichſt danke, benimmt mir dieſe aͤngſtliche Vorſtellung, da Sie ſolche Zufaͤlle, wo nicht ganz in Abrede ſind, doch wenigſtens auf viele Jahrhunderte hinaus ſetzen. Ihr Weltgebaͤude hat unſtreitig etwas
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uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
Dritter Brief.
Auf die Beſchreibung, die Sie mir, mein Herr,
von der Verfaſſung des Weltgebaͤudes ma-
chen, fange ich nun bald an, es mit andern
Augen anzuſehen, als es mir die Weltweiſen vorge-
malt hatten. Es haͤtte nicht viel gefehlt, daß ich
nicht die Aſtronomen als verordnete Propheten, und,
wenn ich es noch fuͤrchterlicher machen ſolle, die Er-
findung der Fernroͤhren und den ſchnellen Wachsthum
der Sternwiſſenſchaft als Vorbothen eines bevorſte-
henden Uebels betrachtet haͤtte. Wie, dachte ich, iſt
irgendwo ein Genius, der dem Copernicus den
Weltbau, dem Kepler ſeine Geſetze, und dem New-
ton die ſo ſchreckbare Attraction, und die Lehre von
dem Lauf und der Wirkung der Cometen eingabe, da-
mit ſich alles zur Weiſſagung des Unheils anſchicken,
und die Bewohner der Erde ſich dazu gefaßt machen
moͤchten, damit nicht alle zu Grunde giengen, ſondern
ein Saame zur Fortpflanzung auf der ungeaͤnderten
Erde leben bliebe. Waͤre dieſes der Rathſchluß der
Vorſehung, die bey allen Unfaͤllen noch fuͤr die Erhal-
tung ihrer Geſchoͤpfe ſorget!
Allein Ihr Schreiben, mein Herr, dafuͤr ich Ih-
nen verbindlichſt danke, benimmt mir dieſe aͤngſtliche
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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/52>, abgerufen am 24.11.2024.
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