Sie kommen mir, mein Herr, in ihren Betrach- tungen über die Verfassung des Weltbaues zu- vor, und die Mühe, die Sie sich haben geben wollen, aus der Cosmologie und aus der Erfahrung Gründe dazu aufzusuchen, und sie mir gütigst mitzu- theilen, verbindet mich, nun auch meinen Gedanken aufzubieten, um zu sehen, ob ich etwas dazu beytra- gen kann. Ihr Eifer hierinn solle mir zum Vorbilde dienen, aber sagen Sie mir, ist es denn nur eine freundschaftliche Willfährigkeit, daß Sie mir keine Einwürfe wider mein System machen, oder wollen Sie mit der nächsten Art, das Fürchterliche aus der Welt zu verbannen, zufrieden seyn? Sie sind ja so gut ein Philosoph, als die, so diese Schrecknisse ausge- dacht haben, und das Recht, das uns die Weltweiß- heit giebt, von jedem Vorgeben einen zureichenden Grund zu fordern, ist Ihnen, ich weiß es, in allem seinem Umfange bekannt.
Ich gestehe Ihnen gerne, daß mir mein System nur deßwegen mehr einleuchtete, weil es mir vorkame, daß es sich für eine Welt besser schickte, die die voll- kommenste seyn solle, und aus diesem Grunde schiene mir auf die rechtmäßigste Art zu folgen, daß die Ue- bel desto seltener seyn müssen, je grösser sie sind. Ich fande keine Ursache, eine neue Schöpfung anzunehmen, und noch viel weniger wollte ich ganze Weltgebäude
öde
uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
Vierter Brief.
Sie kommen mir, mein Herr, in ihren Betrach- tungen uͤber die Verfaſſung des Weltbaues zu- vor, und die Muͤhe, die Sie ſich haben geben wollen, aus der Coſmologie und aus der Erfahrung Gruͤnde dazu aufzuſuchen, und ſie mir guͤtigſt mitzu- theilen, verbindet mich, nun auch meinen Gedanken aufzubieten, um zu ſehen, ob ich etwas dazu beytra- gen kann. Ihr Eifer hierinn ſolle mir zum Vorbilde dienen, aber ſagen Sie mir, iſt es denn nur eine freundſchaftliche Willfaͤhrigkeit, daß Sie mir keine Einwuͤrfe wider mein Syſtem machen, oder wollen Sie mit der naͤchſten Art, das Fuͤrchterliche aus der Welt zu verbannen, zufrieden ſeyn? Sie ſind ja ſo gut ein Philoſoph, als die, ſo dieſe Schreckniſſe ausge- dacht haben, und das Recht, das uns die Weltweiß- heit giebt, von jedem Vorgeben einen zureichenden Grund zu fordern, iſt Ihnen, ich weiß es, in allem ſeinem Umfange bekannt.
Ich geſtehe Ihnen gerne, daß mir mein Syſtem nur deßwegen mehr einleuchtete, weil es mir vorkame, daß es ſich fuͤr eine Welt beſſer ſchickte, die die voll- kommenſte ſeyn ſolle, und aus dieſem Grunde ſchiene mir auf die rechtmaͤßigſte Art zu folgen, daß die Ue- bel deſto ſeltener ſeyn muͤſſen, je groͤſſer ſie ſind. Ich fande keine Urſache, eine neue Schoͤpfung anzunehmen, und noch viel weniger wollte ich ganze Weltgebaͤude
oͤde
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uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
Vierter Brief.
Sie kommen mir, mein Herr, in ihren Betrach-
tungen uͤber die Verfaſſung des Weltbaues zu-
vor, und die Muͤhe, die Sie ſich haben geben
wollen, aus der Coſmologie und aus der Erfahrung
Gruͤnde dazu aufzuſuchen, und ſie mir guͤtigſt mitzu-
theilen, verbindet mich, nun auch meinen Gedanken
aufzubieten, um zu ſehen, ob ich etwas dazu beytra-
gen kann. Ihr Eifer hierinn ſolle mir zum Vorbilde
dienen, aber ſagen Sie mir, iſt es denn nur eine
freundſchaftliche Willfaͤhrigkeit, daß Sie mir keine
Einwuͤrfe wider mein Syſtem machen, oder wollen
Sie mit der naͤchſten Art, das Fuͤrchterliche aus der
Welt zu verbannen, zufrieden ſeyn? Sie ſind ja ſo
gut ein Philoſoph, als die, ſo dieſe Schreckniſſe ausge-
dacht haben, und das Recht, das uns die Weltweiß-
heit giebt, von jedem Vorgeben einen zureichenden
Grund zu fordern, iſt Ihnen, ich weiß es, in allem
ſeinem Umfange bekannt.
Ich geſtehe Ihnen gerne, daß mir mein Syſtem
nur deßwegen mehr einleuchtete, weil es mir vorkame,
daß es ſich fuͤr eine Welt beſſer ſchickte, die die voll-
kommenſte ſeyn ſolle, und aus dieſem Grunde ſchiene
mir auf die rechtmaͤßigſte Art zu folgen, daß die Ue-
bel deſto ſeltener ſeyn muͤſſen, je groͤſſer ſie ſind. Ich
fande keine Urſache, eine neue Schoͤpfung anzunehmen,
und noch viel weniger wollte ich ganze Weltgebaͤude
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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/64>, abgerufen am 21.11.2024.
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