keine Ecken hat, und weil in den Vierteln des Mondes gar keine Finsternisse geschehen etc.
§. 427.
Auf diesen Unterschied der Fragen hat man bey der Beantwortung derselben allerdings zu sehen. Denn ehe man auf die Beantwortung denkt, muß man vorerst sehen, ob sich die Frage machen lasse, und ob sie richtig abgefaßt sey? Denn wäre das eine oder das andre, oder beydes nicht, so ist die Anzeige, und wo es nöthig ist, der Beweis, daß die Frage gar nicht angehe, alle Antwort, die man geben kann.
§. 428.
Es kömmt demnach auf die Bedingung an, die eine Frage voraussetzt. Diese Bedingung muß mög- lich und richtig seyn, wenn die Frage soll können beantwortet werden. Sie liegt aber entweder in den Begriffen, oder in der Form der Frage, oder in bey- den zugleich. Die Begriffe müssen an sich möglich seyn. Ferner müssen die Dinge existiren, so bald die Frage sie als existirend voraussetzt, und überhaupt müssen alle Umstände und Bestimmungen dabey seyn, die die Frage fordert, wenn sie solle können gemacht werden. Z. E. Wenn man fragte, ob Aristoteles seine Sätze aus Cartesii Schriften genommen, so würde diese Frage gleich eine Ungereimtheit in der Zeitrechnung anzeigen, und folglich die Frage, deren Beantwortung aus der Bergleichung beyder Schrif- ten genommen werden müßte, ganz wegfallen.
§. 429.
Die Form der Fragen kömmt besonders bey solchen zu untersuchen, die aus disjunctiven Gliedern bestehen, weil diese Glieder nicht nur einander behörig entgegen gesetzt, sondern auch alle mitgenommen werden müssen. Z. E. Wenn man fragt: ob ein Schluß in der zwey-
ten
VII. Hauptſtuͤck,
keine Ecken hat, und weil in den Vierteln des Mondes gar keine Finſterniſſe geſchehen ꝛc.
§. 427.
Auf dieſen Unterſchied der Fragen hat man bey der Beantwortung derſelben allerdings zu ſehen. Denn ehe man auf die Beantwortung denkt, muß man vorerſt ſehen, ob ſich die Frage machen laſſe, und ob ſie richtig abgefaßt ſey? Denn waͤre das eine oder das andre, oder beydes nicht, ſo iſt die Anzeige, und wo es noͤthig iſt, der Beweis, daß die Frage gar nicht angehe, alle Antwort, die man geben kann.
§. 428.
Es koͤmmt demnach auf die Bedingung an, die eine Frage vorausſetzt. Dieſe Bedingung muß moͤg- lich und richtig ſeyn, wenn die Frage ſoll koͤnnen beantwortet werden. Sie liegt aber entweder in den Begriffen, oder in der Form der Frage, oder in bey- den zugleich. Die Begriffe muͤſſen an ſich moͤglich ſeyn. Ferner muͤſſen die Dinge exiſtiren, ſo bald die Frage ſie als exiſtirend vorausſetzt, und uͤberhaupt muͤſſen alle Umſtaͤnde und Beſtimmungen dabey ſeyn, die die Frage fordert, wenn ſie ſolle koͤnnen gemacht werden. Z. E. Wenn man fragte, ob Ariſtoteles ſeine Saͤtze aus Carteſii Schriften genommen, ſo wuͤrde dieſe Frage gleich eine Ungereimtheit in der Zeitrechnung anzeigen, und folglich die Frage, deren Beantwortung aus der Bergleichung beyder Schrif- ten genommen werden muͤßte, ganz wegfallen.
§. 429.
Die Form der Fragen koͤmmt beſonders bey ſolchen zu unterſuchen, die aus disjunctiven Gliedern beſtehen, weil dieſe Glieder nicht nur einander behoͤrig entgegen geſetzt, ſondern auch alle mitgenommen werden muͤſſen. Z. E. Wenn man fragt: ob ein Schluß in der zwey-
ten
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VII. Hauptſtuͤck,
keine Ecken hat, und weil in den Vierteln des Mondes
gar keine Finſterniſſe geſchehen ꝛc.
§. 427.
Auf dieſen Unterſchied der Fragen hat man bey
der Beantwortung derſelben allerdings zu ſehen.
Denn ehe man auf die Beantwortung denkt, muß
man vorerſt ſehen, ob ſich die Frage machen laſſe,
und ob ſie richtig abgefaßt ſey? Denn waͤre das eine
oder das andre, oder beydes nicht, ſo iſt die Anzeige,
und wo es noͤthig iſt, der Beweis, daß die Frage gar
nicht angehe, alle Antwort, die man geben kann.
§. 428.
Es koͤmmt demnach auf die Bedingung an, die
eine Frage vorausſetzt. Dieſe Bedingung muß moͤg-
lich und richtig ſeyn, wenn die Frage ſoll koͤnnen
beantwortet werden. Sie liegt aber entweder in den
Begriffen, oder in der Form der Frage, oder in bey-
den zugleich. Die Begriffe muͤſſen an ſich moͤglich
ſeyn. Ferner muͤſſen die Dinge exiſtiren, ſo bald die
Frage ſie als exiſtirend vorausſetzt, und uͤberhaupt
muͤſſen alle Umſtaͤnde und Beſtimmungen dabey ſeyn,
die die Frage fordert, wenn ſie ſolle koͤnnen gemacht
werden. Z. E. Wenn man fragte, ob Ariſtoteles
ſeine Saͤtze aus Carteſii Schriften genommen, ſo
wuͤrde dieſe Frage gleich eine Ungereimtheit in der
Zeitrechnung anzeigen, und folglich die Frage, deren
Beantwortung aus der Bergleichung beyder Schrif-
ten genommen werden muͤßte, ganz wegfallen.
§. 429.
Die Form der Fragen koͤmmt beſonders bey ſolchen
zu unterſuchen, die aus disjunctiven Gliedern beſtehen,
weil dieſe Glieder nicht nur einander behoͤrig entgegen
geſetzt, ſondern auch alle mitgenommen werden muͤſſen.
Z. E. Wenn man fragt: ob ein Schluß in der zwey-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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