Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.von der Erfahrung. bewußt. Folglich, wenn wir zu der Erfah-rung nicht vorbereitet sind, und daher nicht voraus wissen, worauf wir vorzüglich acht haben sollen, so bemerken wir fast immer nur das, was die Sinnen stärker rührt, und dieses ist nicht immer das wichtigste. Es gehört daher eine gewisse Uebung dazu, wenn man sich nicht will von der Empfindung, die an sich stärker ist, hinreißen lassen, sondern auf das Acht haben, was bey der Empfindung neu und in Absicht auf die Folgen wich- tiger ist. So sind uns immer noch unbemerkte Sa- chen vor Augen, und, die oben (§. 549.) angezeigte Geschicklichkeit ist ein Requisitum, wenn sie sollen be- merkt werden. Pythagoras gieng vor einer Schmiede vorbey, und hörte die Schmiede auf den Amboß schlagen. Dieses hatte nichts besonders. Er be- merkte aber, daß der Schall ungleich war, und die Frage, wie ein Amboß ungleich tönen könne, brachte ihn auf die Erfindung der Tonkunst. Galiläus sah Leuchter an ungleich langen Seilen vom Winde schwanken. Vielleicht hatten sie tausend andre auch gesehen. Er bemerkte, daß die Schwankungen bey den kürzern geschwinder waren, und dieses verleitete ihn auf die Theorie der Pendul, welche nachgehends Huygens zu den Penduluhren gebrauchte, die eine der schönsten Erfindungen des vorigen Jahrhunderts sind. Die Hydrostatik wurde von dem Archimedes dadurch erfunden, daß er bemerkte, daß er im Wasser just um so viel leichter sey, als das Wasser wiegt, dessen Raum er einnahm. Daß man im Wasser leichter sey, wußte man vor ihm längst schon. §. 565. Das andre, so bey unsern eignen Erfahrungen gen Z 3
von der Erfahrung. bewußt. Folglich, wenn wir zu der Erfah-rung nicht vorbereitet ſind, und daher nicht voraus wiſſen, worauf wir vorzuͤglich acht haben ſollen, ſo bemerken wir faſt immer nur das, was die Sinnen ſtaͤrker ruͤhrt, und dieſes iſt nicht immer das wichtigſte. Es gehoͤrt daher eine gewiſſe Uebung dazu, wenn man ſich nicht will von der Empfindung, die an ſich ſtaͤrker iſt, hinreißen laſſen, ſondern auf das Acht haben, was bey der Empfindung neu und in Abſicht auf die Folgen wich- tiger iſt. So ſind uns immer noch unbemerkte Sa- chen vor Augen, und, die oben (§. 549.) angezeigte Geſchicklichkeit iſt ein Requiſitum, wenn ſie ſollen be- merkt werden. Pythagoras gieng vor einer Schmiede vorbey, und hoͤrte die Schmiede auf den Amboß ſchlagen. Dieſes hatte nichts beſonders. Er be- merkte aber, daß der Schall ungleich war, und die Frage, wie ein Amboß ungleich toͤnen koͤnne, brachte ihn auf die Erfindung der Tonkunſt. Galilaͤus ſah Leuchter an ungleich langen Seilen vom Winde ſchwanken. Vielleicht hatten ſie tauſend andre auch geſehen. Er bemerkte, daß die Schwankungen bey den kuͤrzern geſchwinder waren, und dieſes verleitete ihn auf die Theorie der Pendul, welche nachgehends Huygens zu den Penduluhren gebrauchte, die eine der ſchoͤnſten Erfindungen des vorigen Jahrhunderts ſind. Die Hydroſtatik wurde von dem Archimedes dadurch erfunden, daß er bemerkte, daß er im Waſſer juſt um ſo viel leichter ſey, als das Waſſer wiegt, deſſen Raum er einnahm. Daß man im Waſſer leichter ſey, wußte man vor ihm laͤngſt ſchon. §. 565. Das andre, ſo bey unſern eignen Erfahrungen gen Z 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0379" n="357"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von der Erfahrung.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">bewußt.</hi> Folglich, <hi rendition="#fr">wenn wir zu der Erfah-<lb/> rung nicht vorbereitet ſind, und daher nicht<lb/> voraus wiſſen, worauf wir vorzuͤglich acht<lb/> haben ſollen, ſo bemerken wir faſt immer nur<lb/> das, was die Sinnen ſtaͤrker ruͤhrt, und dieſes<lb/> iſt nicht immer das wichtigſte.</hi> Es gehoͤrt daher<lb/> eine gewiſſe Uebung dazu, wenn man ſich nicht will<lb/> von der Empfindung, die an ſich ſtaͤrker iſt, hinreißen<lb/> laſſen, ſondern auf das Acht haben, was bey der<lb/> Empfindung neu und in Abſicht auf die Folgen wich-<lb/> tiger iſt. So ſind uns immer noch unbemerkte Sa-<lb/> chen vor Augen, und, die oben (§. 549.) angezeigte<lb/> Geſchicklichkeit iſt ein <hi rendition="#aq">Requiſitum,</hi> wenn ſie ſollen be-<lb/> merkt werden. <hi rendition="#fr">Pythagoras</hi> gieng vor einer Schmiede<lb/> vorbey, und hoͤrte die Schmiede auf den Amboß<lb/> ſchlagen. Dieſes hatte nichts beſonders. Er be-<lb/> merkte aber, daß der Schall ungleich war, und die<lb/> Frage, wie ein Amboß ungleich toͤnen koͤnne, brachte<lb/> ihn auf die Erfindung der Tonkunſt. <hi rendition="#fr">Galilaͤus</hi> ſah<lb/> Leuchter an ungleich langen Seilen vom Winde<lb/> ſchwanken. Vielleicht hatten ſie tauſend andre auch<lb/> geſehen. Er bemerkte, daß die Schwankungen bey<lb/> den kuͤrzern geſchwinder waren, und dieſes verleitete<lb/> ihn auf die Theorie der Pendul, welche nachgehends<lb/><hi rendition="#fr">Huygens</hi> zu den Penduluhren gebrauchte, die eine der<lb/> ſchoͤnſten Erfindungen des vorigen Jahrhunderts ſind.<lb/> Die Hydroſtatik wurde von dem <hi rendition="#fr">Archimedes</hi> dadurch<lb/> erfunden, daß er bemerkte, daß er im Waſſer juſt<lb/> um ſo viel leichter ſey, als das Waſſer wiegt, deſſen<lb/> Raum er einnahm. Daß man im Waſſer leichter<lb/> ſey, wußte man vor ihm laͤngſt ſchon.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 565.</head><lb/> <p>Das andre, ſo bey unſern eignen Erfahrungen<lb/> ſtatt findet, iſt, <hi rendition="#fr">daß ſich mit den Empfindun-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">Z 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">gen</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [357/0379]
von der Erfahrung.
bewußt. Folglich, wenn wir zu der Erfah-
rung nicht vorbereitet ſind, und daher nicht
voraus wiſſen, worauf wir vorzuͤglich acht
haben ſollen, ſo bemerken wir faſt immer nur
das, was die Sinnen ſtaͤrker ruͤhrt, und dieſes
iſt nicht immer das wichtigſte. Es gehoͤrt daher
eine gewiſſe Uebung dazu, wenn man ſich nicht will
von der Empfindung, die an ſich ſtaͤrker iſt, hinreißen
laſſen, ſondern auf das Acht haben, was bey der
Empfindung neu und in Abſicht auf die Folgen wich-
tiger iſt. So ſind uns immer noch unbemerkte Sa-
chen vor Augen, und, die oben (§. 549.) angezeigte
Geſchicklichkeit iſt ein Requiſitum, wenn ſie ſollen be-
merkt werden. Pythagoras gieng vor einer Schmiede
vorbey, und hoͤrte die Schmiede auf den Amboß
ſchlagen. Dieſes hatte nichts beſonders. Er be-
merkte aber, daß der Schall ungleich war, und die
Frage, wie ein Amboß ungleich toͤnen koͤnne, brachte
ihn auf die Erfindung der Tonkunſt. Galilaͤus ſah
Leuchter an ungleich langen Seilen vom Winde
ſchwanken. Vielleicht hatten ſie tauſend andre auch
geſehen. Er bemerkte, daß die Schwankungen bey
den kuͤrzern geſchwinder waren, und dieſes verleitete
ihn auf die Theorie der Pendul, welche nachgehends
Huygens zu den Penduluhren gebrauchte, die eine der
ſchoͤnſten Erfindungen des vorigen Jahrhunderts ſind.
Die Hydroſtatik wurde von dem Archimedes dadurch
erfunden, daß er bemerkte, daß er im Waſſer juſt
um ſo viel leichter ſey, als das Waſſer wiegt, deſſen
Raum er einnahm. Daß man im Waſſer leichter
ſey, wußte man vor ihm laͤngſt ſchon.
§. 565.
Das andre, ſo bey unſern eignen Erfahrungen
ſtatt findet, iſt, daß ſich mit den Empfindun-
gen
Z 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |