man dreiste genug, zu fragen, wer denn den Weg nach dem Monde zurück gelegt habe, um uns das Maaß seiner Entfernung und seiner Größe zurück zu bringen, und man verlacht einen Geometer, wenn man ihn im Begriffe sieht, die Höhe eines Thurms zu messen, ohne darauf zu gehen und eine Senkschnur herunter zu lassen.
§. 604.
Solche Schlüsse würden nun allerdings angehen, wenn wir keine andre Mittel hätten, als die wirkliche Ausmessung. Man sieht aber auch, daß diese Mit- tel über die gemeine Erkenntniß hinaus sind, und daß etwas mehr dazu erfordert werde. Dieses meh- rere ist nun eben das, was die Geometrie wissen- schaftlich macht, und welches wir hier genauer be- stimmen wollen. Es ist klar, daß es, wenigstens zum Theil, darauf ankomme: daß man aus anderm finde, was an sich nicht kann gefunden wer- den, und daß man sich allenfalls, wenn letzte- res zu mühsam, aber doch an sich möglich wäre, die Mühe sparen könne. Beydes wird durch einerley Mittel erhalten. Denn läßt sich A aus B finden, so ist es gleich viel, ob man A, für sich, mühsam oder gar nicht finden könne.
§. 605.
Die wissenschaftliche Erkenntniß gründet sich dem- nach auf die Abhänglichkeit einer Erkenntniß von der andern, und untersucht, wie sich eine durch die andre bestimmen lasse. Darinn ist sie demnach der gemeinen Erkenntniß entgegen gesetzt, weil diese jeden Satz, jeden Begriff als für sich subsistirend und oh- ne allen Zusammenhang ansieht, oder höchstens nur durch einzelne Schlüsse und Vergleichungen der ge- meinen Erfahrungen dieselben harmonirend findet,
hingegen
B b 3
von der wiſſentſchaftlichen Erkenntniß.
man dreiſte genug, zu fragen, wer denn den Weg nach dem Monde zuruͤck gelegt habe, um uns das Maaß ſeiner Entfernung und ſeiner Groͤße zuruͤck zu bringen, und man verlacht einen Geometer, wenn man ihn im Begriffe ſieht, die Hoͤhe eines Thurms zu meſſen, ohne darauf zu gehen und eine Senkſchnur herunter zu laſſen.
§. 604.
Solche Schluͤſſe wuͤrden nun allerdings angehen, wenn wir keine andre Mittel haͤtten, als die wirkliche Ausmeſſung. Man ſieht aber auch, daß dieſe Mit- tel uͤber die gemeine Erkenntniß hinaus ſind, und daß etwas mehr dazu erfordert werde. Dieſes meh- rere iſt nun eben das, was die Geometrie wiſſen- ſchaftlich macht, und welches wir hier genauer be- ſtimmen wollen. Es iſt klar, daß es, wenigſtens zum Theil, darauf ankomme: daß man aus anderm finde, was an ſich nicht kann gefunden wer- den, und daß man ſich allenfalls, wenn letzte- res zu muͤhſam, aber doch an ſich moͤglich waͤre, die Muͤhe ſparen koͤnne. Beydes wird durch einerley Mittel erhalten. Denn laͤßt ſich A aus B finden, ſo iſt es gleich viel, ob man A, fuͤr ſich, muͤhſam oder gar nicht finden koͤnne.
§. 605.
Die wiſſenſchaftliche Erkenntniß gruͤndet ſich dem- nach auf die Abhaͤnglichkeit einer Erkenntniß von der andern, und unterſucht, wie ſich eine durch die andre beſtimmen laſſe. Darinn iſt ſie demnach der gemeinen Erkenntniß entgegen geſetzt, weil dieſe jeden Satz, jeden Begriff als fuͤr ſich ſubſiſtirend und oh- ne allen Zuſammenhang anſieht, oder hoͤchſtens nur durch einzelne Schluͤſſe und Vergleichungen der ge- meinen Erfahrungen dieſelben harmonirend findet,
hingegen
B b 3
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von der wiſſentſchaftlichen Erkenntniß.
man dreiſte genug, zu fragen, wer denn den Weg
nach dem Monde zuruͤck gelegt habe, um uns das
Maaß ſeiner Entfernung und ſeiner Groͤße zuruͤck zu
bringen, und man verlacht einen Geometer, wenn
man ihn im Begriffe ſieht, die Hoͤhe eines Thurms
zu meſſen, ohne darauf zu gehen und eine Senkſchnur
herunter zu laſſen.
§. 604.
Solche Schluͤſſe wuͤrden nun allerdings angehen,
wenn wir keine andre Mittel haͤtten, als die wirkliche
Ausmeſſung. Man ſieht aber auch, daß dieſe Mit-
tel uͤber die gemeine Erkenntniß hinaus ſind, und
daß etwas mehr dazu erfordert werde. Dieſes meh-
rere iſt nun eben das, was die Geometrie wiſſen-
ſchaftlich macht, und welches wir hier genauer be-
ſtimmen wollen. Es iſt klar, daß es, wenigſtens
zum Theil, darauf ankomme: daß man aus anderm
finde, was an ſich nicht kann gefunden wer-
den, und daß man ſich allenfalls, wenn letzte-
res zu muͤhſam, aber doch an ſich moͤglich
waͤre, die Muͤhe ſparen koͤnne. Beydes wird
durch einerley Mittel erhalten. Denn laͤßt ſich A
aus B finden, ſo iſt es gleich viel, ob man A, fuͤr
ſich, muͤhſam oder gar nicht finden koͤnne.
§. 605.
Die wiſſenſchaftliche Erkenntniß gruͤndet ſich dem-
nach auf die Abhaͤnglichkeit einer Erkenntniß von
der andern, und unterſucht, wie ſich eine durch die
andre beſtimmen laſſe. Darinn iſt ſie demnach der
gemeinen Erkenntniß entgegen geſetzt, weil dieſe jeden
Satz, jeden Begriff als fuͤr ſich ſubſiſtirend und oh-
ne allen Zuſammenhang anſieht, oder hoͤchſtens nur
durch einzelne Schluͤſſe und Vergleichungen der ge-
meinen Erfahrungen dieſelben harmonirend findet,
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/411>, abgerufen am 24.11.2024.
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