Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.I. Hauptstück, wird. Um die Besorgniß, die eigene Erfahrungmöchte hierinn fehlerhafte Lücken lassen, zu heben, ist es gut, so wohl in Büchern als auch durch Nachfra- gen sich Raths zu erholen. Um die verschiedene und etwann gar widersprechenden Nachrichten hat man sich hiebey noch nicht zu bekümmern, weil vor dieser Untersuchung eine andre vorgehen muß. Und diese besteht darinn, daß alle diese gesammelten Nach- richten solche Fälle vorstellen, von denen mon sich versichern könne, daß sie an sich möglich und real sind. Diese Untersuchung legt den Grund zu der Gewißheit, daß der allgemeine Begriff, den man aus diesen Fällen abstrahiren und deutlich ma- chen will, ein realer Begriff seyn werde, und nichts erträumtes und widersprechendes in sich habe. Denn es ist klar, daß Merkmaale, die wirklich beysammen sind, beysammen seyn können, und folglich nicht etwann hölzerne Eisen, runde Vierecke, oder andre dergleichen ungereimte Dinge vorstellen. Sollten aber solche unmögliche Fälle vorkommen, so kann man sie sich als solche anmerken, wo ein Mißbrauch des Wortes statt hat, dessen Begriff man deutlich ma- chen will. Jn Ansehung der übrigen Fälle ist für sich klar, daß es in allewege besser ist, wenn man sich durch eigne Erfahrung von ihrer Beschaffen- heit und Wirklichkeit versichern kann. §. 36. Hat man auf diese Art die Fälle gesammlet, und man
I. Hauptſtuͤck, wird. Um die Beſorgniß, die eigene Erfahrungmoͤchte hierinn fehlerhafte Luͤcken laſſen, zu heben, iſt es gut, ſo wohl in Buͤchern als auch durch Nachfra- gen ſich Raths zu erholen. Um die verſchiedene und etwann gar widerſprechenden Nachrichten hat man ſich hiebey noch nicht zu bekuͤmmern, weil vor dieſer Unterſuchung eine andre vorgehen muß. Und dieſe beſteht darinn, daß alle dieſe geſammelten Nach- richten ſolche Faͤlle vorſtellen, von denen mon ſich verſichern koͤnne, daß ſie an ſich moͤglich und real ſind. Dieſe Unterſuchung legt den Grund zu der Gewißheit, daß der allgemeine Begriff, den man aus dieſen Faͤllen abſtrahiren und deutlich ma- chen will, ein realer Begriff ſeyn werde, und nichts ertraͤumtes und widerſprechendes in ſich habe. Denn es iſt klar, daß Merkmaale, die wirklich beyſammen ſind, beyſammen ſeyn koͤnnen, und folglich nicht etwann hoͤlzerne Eiſen, runde Vierecke, oder andre dergleichen ungereimte Dinge vorſtellen. Sollten aber ſolche unmoͤgliche Faͤlle vorkommen, ſo kann man ſie ſich als ſolche anmerken, wo ein Mißbrauch des Wortes ſtatt hat, deſſen Begriff man deutlich ma- chen will. Jn Anſehung der uͤbrigen Faͤlle iſt fuͤr ſich klar, daß es in allewege beſſer iſt, wenn man ſich durch eigne Erfahrung von ihrer Beſchaffen- heit und Wirklichkeit verſichern kann. §. 36. Hat man auf dieſe Art die Faͤlle geſammlet, und man
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I. Hauptſtuͤck,
wird. Um die Beſorgniß, die eigene Erfahrung
moͤchte hierinn fehlerhafte Luͤcken laſſen, zu heben, iſt
es gut, ſo wohl in Buͤchern als auch durch Nachfra-
gen ſich Raths zu erholen. Um die verſchiedene und
etwann gar widerſprechenden Nachrichten hat man
ſich hiebey noch nicht zu bekuͤmmern, weil vor dieſer
Unterſuchung eine andre vorgehen muß. Und dieſe
beſteht darinn, daß alle dieſe geſammelten Nach-
richten ſolche Faͤlle vorſtellen, von denen mon
ſich verſichern koͤnne, daß ſie an ſich moͤglich
und real ſind. Dieſe Unterſuchung legt den Grund
zu der Gewißheit, daß der allgemeine Begriff, den
man aus dieſen Faͤllen abſtrahiren und deutlich ma-
chen will, ein realer Begriff ſeyn werde, und nichts
ertraͤumtes und widerſprechendes in ſich habe. Denn
es iſt klar, daß Merkmaale, die wirklich beyſammen
ſind, beyſammen ſeyn koͤnnen, und folglich nicht
etwann hoͤlzerne Eiſen, runde Vierecke, oder andre
dergleichen ungereimte Dinge vorſtellen. Sollten
aber ſolche unmoͤgliche Faͤlle vorkommen, ſo kann man
ſie ſich als ſolche anmerken, wo ein Mißbrauch des
Wortes ſtatt hat, deſſen Begriff man deutlich ma-
chen will. Jn Anſehung der uͤbrigen Faͤlle iſt fuͤr ſich
klar, daß es in allewege beſſer iſt, wenn man ſich
durch eigne Erfahrung von ihrer Beſchaffen-
heit und Wirklichkeit verſichern kann.
§. 36.
Hat man auf dieſe Art die Faͤlle geſammlet, und
ſich von ihrer Wirklichkeit verſichert, ſo muß man
ſie mit einander vergleichen, um zu finden, wel-
che gemeinſame Merkmaale ſie haben. Denn in
dieſen beſteht ihre Aehnlichkeit, und folglich der Be-
griff der Gattung, worunter ſie gehoͤren, und den
man deutlich machen will. Man kann alles, was
man
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