Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

IX. Hauptstück,
anzeigen kann, wie sie zu den Begriffen gelangen
können, die man ihnen durch bloße Benennungen
weder klar noch bestimmt genug angeben könnte.
Aus gleichem Grunde giebt man die Beobachtungen
und Versuche mit den dazu nöthigen Cautelen um-
ständlich an, damit die Leser nicht nur das Verfah-
ren dabey beurtheilen, sondern da, wo es um
Begriffe zu thun ist, die Beobachtung, oder den
Versuch selbst anstellen und wiederholen können.

§. 699.

Solche Mittel dienen nun allerdings, wo man
zu zeigen hat, daß die Begriffe, worauf man eine
Theorie gründet, Erfahrungsbegriffe sind, weil der
Leser dadurch in Stand gesetzt wird, sie selbst zu
erlangen. Man verhütet dadurch, daß solche Be-
griffe nicht als willkührliche oder erbettelte,
ideae precariae, angesehen werden, die man etwann
dem Leser ohne fernern Beweis aufdringt, oder hoffet,
er werde sie ohne Beweis gelten lassen.

§. 700.

Es ist schwer zu bestimmen, wie weit man hier-
inn gehen soll, oder auch gehen könne? Die Spra-
chen sind bereits eingeführt, und die Wörter an
Begriffe gebunden, die mehr oder minder richtig
oder unrichtig sind. Und da man, um ein Wort
zu erklären, zehen und mehr andre gebraucht, so
scheint es, als wenn bey unsern Erklärungen ein
logischer Zirkel statt habe, der sich nicht wohl ver-
meiden lasse, wenn man in der Anforderung, jede
Wörter und Begriffe zu erklären, strenge geht.
(§. 686.) Allein diese Schwürigkeit will nicht mehr

sagen,

IX. Hauptſtuͤck,
anzeigen kann, wie ſie zu den Begriffen gelangen
koͤnnen, die man ihnen durch bloße Benennungen
weder klar noch beſtimmt genug angeben koͤnnte.
Aus gleichem Grunde giebt man die Beobachtungen
und Verſuche mit den dazu noͤthigen Cautelen um-
ſtaͤndlich an, damit die Leſer nicht nur das Verfah-
ren dabey beurtheilen, ſondern da, wo es um
Begriffe zu thun iſt, die Beobachtung, oder den
Verſuch ſelbſt anſtellen und wiederholen koͤnnen.

§. 699.

Solche Mittel dienen nun allerdings, wo man
zu zeigen hat, daß die Begriffe, worauf man eine
Theorie gruͤndet, Erfahrungsbegriffe ſind, weil der
Leſer dadurch in Stand geſetzt wird, ſie ſelbſt zu
erlangen. Man verhuͤtet dadurch, daß ſolche Be-
griffe nicht als willkuͤhrliche oder erbettelte,
ideae precariae, angeſehen werden, die man etwann
dem Leſer ohne fernern Beweis aufdringt, oder hoffet,
er werde ſie ohne Beweis gelten laſſen.

§. 700.

Es iſt ſchwer zu beſtimmen, wie weit man hier-
inn gehen ſoll, oder auch gehen koͤnne? Die Spra-
chen ſind bereits eingefuͤhrt, und die Woͤrter an
Begriffe gebunden, die mehr oder minder richtig
oder unrichtig ſind. Und da man, um ein Wort
zu erklaͤren, zehen und mehr andre gebraucht, ſo
ſcheint es, als wenn bey unſern Erklaͤrungen ein
logiſcher Zirkel ſtatt habe, der ſich nicht wohl ver-
meiden laſſe, wenn man in der Anforderung, jede
Woͤrter und Begriffe zu erklaͤren, ſtrenge geht.
(§. 686.) Allein dieſe Schwuͤrigkeit will nicht mehr

ſagen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0470" n="448"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/>
anzeigen kann, wie &#x017F;ie zu den Begriffen gelangen<lb/>
ko&#x0364;nnen, die man ihnen durch bloße Benennungen<lb/>
weder klar noch be&#x017F;timmt genug angeben ko&#x0364;nnte.<lb/>
Aus gleichem Grunde giebt man die Beobachtungen<lb/>
und Ver&#x017F;uche mit den dazu no&#x0364;thigen Cautelen um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndlich an, damit die Le&#x017F;er nicht nur das Verfah-<lb/>
ren dabey beurtheilen, &#x017F;ondern da, wo es um<lb/>
Begriffe zu thun i&#x017F;t, die Beobachtung, oder den<lb/>
Ver&#x017F;uch &#x017F;elb&#x017F;t an&#x017F;tellen und wiederholen ko&#x0364;nnen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 699.</head><lb/>
            <p>Solche Mittel dienen nun allerdings, wo man<lb/>
zu zeigen hat, daß die Begriffe, worauf man eine<lb/>
Theorie gru&#x0364;ndet, Erfahrungsbegriffe &#x017F;ind, weil der<lb/>
Le&#x017F;er dadurch in Stand ge&#x017F;etzt wird, &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t zu<lb/>
erlangen. Man verhu&#x0364;tet dadurch, daß &#x017F;olche Be-<lb/>
griffe nicht als <hi rendition="#fr">willku&#x0364;hrliche</hi> oder <hi rendition="#fr">erbettelte,</hi><lb/><hi rendition="#aq">ideae precariae,</hi> ange&#x017F;ehen werden, die man etwann<lb/>
dem Le&#x017F;er ohne fernern Beweis aufdringt, oder hoffet,<lb/>
er werde &#x017F;ie ohne Beweis gelten la&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 700.</head><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t &#x017F;chwer zu be&#x017F;timmen, wie weit man hier-<lb/>
inn gehen &#x017F;oll, oder auch gehen ko&#x0364;nne? Die Spra-<lb/>
chen &#x017F;ind bereits eingefu&#x0364;hrt, und die Wo&#x0364;rter an<lb/>
Begriffe gebunden, die mehr oder minder richtig<lb/>
oder unrichtig &#x017F;ind. Und da man, um ein Wort<lb/>
zu erkla&#x0364;ren, zehen und mehr andre gebraucht, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;cheint es, als wenn bey un&#x017F;ern Erkla&#x0364;rungen ein<lb/>
logi&#x017F;cher Zirkel &#x017F;tatt habe, der &#x017F;ich nicht wohl ver-<lb/>
meiden la&#x017F;&#x017F;e, wenn man in der Anforderung, jede<lb/>
Wo&#x0364;rter und Begriffe zu erkla&#x0364;ren, &#x017F;trenge geht.<lb/>
(§. 686.) Allein die&#x017F;e Schwu&#x0364;rigkeit will nicht mehr<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;agen,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[448/0470] IX. Hauptſtuͤck, anzeigen kann, wie ſie zu den Begriffen gelangen koͤnnen, die man ihnen durch bloße Benennungen weder klar noch beſtimmt genug angeben koͤnnte. Aus gleichem Grunde giebt man die Beobachtungen und Verſuche mit den dazu noͤthigen Cautelen um- ſtaͤndlich an, damit die Leſer nicht nur das Verfah- ren dabey beurtheilen, ſondern da, wo es um Begriffe zu thun iſt, die Beobachtung, oder den Verſuch ſelbſt anſtellen und wiederholen koͤnnen. §. 699. Solche Mittel dienen nun allerdings, wo man zu zeigen hat, daß die Begriffe, worauf man eine Theorie gruͤndet, Erfahrungsbegriffe ſind, weil der Leſer dadurch in Stand geſetzt wird, ſie ſelbſt zu erlangen. Man verhuͤtet dadurch, daß ſolche Be- griffe nicht als willkuͤhrliche oder erbettelte, ideae precariae, angeſehen werden, die man etwann dem Leſer ohne fernern Beweis aufdringt, oder hoffet, er werde ſie ohne Beweis gelten laſſen. §. 700. Es iſt ſchwer zu beſtimmen, wie weit man hier- inn gehen ſoll, oder auch gehen koͤnne? Die Spra- chen ſind bereits eingefuͤhrt, und die Woͤrter an Begriffe gebunden, die mehr oder minder richtig oder unrichtig ſind. Und da man, um ein Wort zu erklaͤren, zehen und mehr andre gebraucht, ſo ſcheint es, als wenn bey unſern Erklaͤrungen ein logiſcher Zirkel ſtatt habe, der ſich nicht wohl ver- meiden laſſe, wenn man in der Anforderung, jede Woͤrter und Begriffe zu erklaͤren, ſtrenge geht. (§. 686.) Allein dieſe Schwuͤrigkeit will nicht mehr ſagen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/470
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/470>, abgerufen am 22.11.2024.