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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück,
sicherung, daß der daraus abstrahirte Begriff ein realer
und möglicher Begriff sey, darauf beruhet. Wir
haben zu diesem Ende erinnert,| daß es gut sey,
wenn man die Fälle durch eigene Erfahrung
bewähren kann.
Denn dadurch erhält man den
wichtigen Vortheil, daß man sich ihre Merkmaale
durch unmittelbare Empfindung vorstellen kann, und
sie nicht auf die Richtigkeit der Bedeutung der Wör-
ter darf ankommen lassen, wie es sonst geschehen wür-
de, wenn man sich die Fälle durch Nachrichten oder
aus Büchern müßte bekannt machen. Man sieht
und empfindet unstreitig auf einmal mehr, als man
mit vielen Worten beschreiben könnte, und die Worte
geben nur das allgemeine der Empfindungen an. Diese
Vorzüge des unmittelbaren Empfindens tragen un-
streitig vieles zu der so unbestrittenen Gewißheit der
Meßkunst und Vernunftlehre bey, weil man in
jener die Figuren immer vor Augen haben, in dieser aber
die Gesetze des Denkens unmittelbar empfinden kann.

§. 48.

Es hat aber nicht jede Unrichtigkeit der Fälle, die
man vornimmt, um den Begriff der Gattung daraus
zu abstrahiren, gleiche Folgen. Man kann einem un-
möglichen und ganz entgegengesetzten Fall einen rich-
tigen Begriff andichten, weil dieser Begriff demsel-
ben beygelegt wird, weil wan sich ihn anders vor-
stellt als er ist. Z. E. Man kann aus einer übel-
verstandenen Jronie den Begriff des Lobes herleiten.
Eben so wenn Cajus den Titius deswegen loben wür-
de, weil er ein großer Stern-und Zeichendeuter sey,
oder die Cabalistik aus dem Grunde verstünde, so
sieht man leicht, daß er ihn deswegen lobt, weil er
glaubt, daß diese Dinge große Vortrefflichkeiten seyn.
Und vorzeiten hatte man dieses für ein wahres Lob

ange-

I. Hauptſtuͤck,
ſicherung, daß der daraus abſtrahirte Begriff ein realer
und moͤglicher Begriff ſey, darauf beruhet. Wir
haben zu dieſem Ende erinnert,| daß es gut ſey,
wenn man die Faͤlle durch eigene Erfahrung
bewaͤhren kann.
Denn dadurch erhaͤlt man den
wichtigen Vortheil, daß man ſich ihre Merkmaale
durch unmittelbare Empfindung vorſtellen kann, und
ſie nicht auf die Richtigkeit der Bedeutung der Woͤr-
ter darf ankommen laſſen, wie es ſonſt geſchehen wuͤr-
de, wenn man ſich die Faͤlle durch Nachrichten oder
aus Buͤchern muͤßte bekannt machen. Man ſieht
und empfindet unſtreitig auf einmal mehr, als man
mit vielen Worten beſchreiben koͤnnte, und die Worte
geben nur das allgemeine der Empfindungen an. Dieſe
Vorzuͤge des unmittelbaren Empfindens tragen un-
ſtreitig vieles zu der ſo unbeſtrittenen Gewißheit der
Meßkunſt und Vernunftlehre bey, weil man in
jener die Figuren immer vor Augen haben, in dieſer aber
die Geſetze des Denkens unmittelbar empfinden kann.

§. 48.

Es hat aber nicht jede Unrichtigkeit der Faͤlle, die
man vornimmt, um den Begriff der Gattung daraus
zu abſtrahiren, gleiche Folgen. Man kann einem un-
moͤglichen und ganz entgegengeſetzten Fall einen rich-
tigen Begriff andichten, weil dieſer Begriff demſel-
ben beygelegt wird, weil wan ſich ihn anders vor-
ſtellt als er iſt. Z. E. Man kann aus einer uͤbel-
verſtandenen Jronie den Begriff des Lobes herleiten.
Eben ſo wenn Cajus den Titius deswegen loben wuͤr-
de, weil er ein großer Stern-und Zeichendeuter ſey,
oder die Cabaliſtik aus dem Grunde verſtuͤnde, ſo
ſieht man leicht, daß er ihn deswegen lobt, weil er
glaubt, daß dieſe Dinge große Vortrefflichkeiten ſeyn.
Und vorzeiten hatte man dieſes fuͤr ein wahres Lob

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[30/0052] I. Hauptſtuͤck, ſicherung, daß der daraus abſtrahirte Begriff ein realer und moͤglicher Begriff ſey, darauf beruhet. Wir haben zu dieſem Ende erinnert,| daß es gut ſey, wenn man die Faͤlle durch eigene Erfahrung bewaͤhren kann. Denn dadurch erhaͤlt man den wichtigen Vortheil, daß man ſich ihre Merkmaale durch unmittelbare Empfindung vorſtellen kann, und ſie nicht auf die Richtigkeit der Bedeutung der Woͤr- ter darf ankommen laſſen, wie es ſonſt geſchehen wuͤr- de, wenn man ſich die Faͤlle durch Nachrichten oder aus Buͤchern muͤßte bekannt machen. Man ſieht und empfindet unſtreitig auf einmal mehr, als man mit vielen Worten beſchreiben koͤnnte, und die Worte geben nur das allgemeine der Empfindungen an. Dieſe Vorzuͤge des unmittelbaren Empfindens tragen un- ſtreitig vieles zu der ſo unbeſtrittenen Gewißheit der Meßkunſt und Vernunftlehre bey, weil man in jener die Figuren immer vor Augen haben, in dieſer aber die Geſetze des Denkens unmittelbar empfinden kann. §. 48. Es hat aber nicht jede Unrichtigkeit der Faͤlle, die man vornimmt, um den Begriff der Gattung daraus zu abſtrahiren, gleiche Folgen. Man kann einem un- moͤglichen und ganz entgegengeſetzten Fall einen rich- tigen Begriff andichten, weil dieſer Begriff demſel- ben beygelegt wird, weil wan ſich ihn anders vor- ſtellt als er iſt. Z. E. Man kann aus einer uͤbel- verſtandenen Jronie den Begriff des Lobes herleiten. Eben ſo wenn Cajus den Titius deswegen loben wuͤr- de, weil er ein großer Stern-und Zeichendeuter ſey, oder die Cabaliſtik aus dem Grunde verſtuͤnde, ſo ſieht man leicht, daß er ihn deswegen lobt, weil er glaubt, daß dieſe Dinge große Vortrefflichkeiten ſeyn. Und vorzeiten hatte man dieſes fuͤr ein wahres Lob ange-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/52>, abgerufen am 27.11.2024.