Da bey gleicher Geschwindigkeit gleiche Räume in gleicher Zeit durchlaufen werden, und folglich da- bey eine einförmige Succeßion statt hat: so läßt sich die Bewegung zur Ausmessung der Zeit gebrauchen. Und dieses Mittel gebrauchen wir um desto eher, weil wir sonst keinen Maaßstab der Zeit als das Gedächt- niß haben, welches uns der Succeßion unsrer Ge- danken erinnert, und uns die Zeit bald langwierig bald kürzer vorstellt, je nachdem andre Gedanken das Be- wußtseyn dieser Succeßion lassen klarer werden, oder es mehr verdunkeln.
§. 93.
Den Begriff der Solidität haben wir von dem Gefühl, und dehnen ihn durch Schlüsse und Ver- gleichung unsrer Empfindungen auch auf die übrigen Sinnen aus. Durch das, was wir solid nennen, stellen wir uns den Raum ausgefüllt vor, weil wir dem leeren Raum die Solidität, die Undurchdring- barkeit und jeden Widerstand absprechen, und zwar eben deswegen, weil nichts darinn ist. Das etwas, wodurch wir den Raum als ausgefüllt gedenken, nen- nen wir die Masse der Materie, und etwann auch nur die Materie.
§. 94.
Die Grundsätze hiebey sind: Jedes Solide schließt jedes andre von dem Ort aus, in wel- chem es ist. Ein Raum kann daher nicht mehr als bis zur völligen Continuität ausgefüllt werden. Das Solide hat die drey Dimensio- nen des Raumes. (§. 82.) Die Postulata hinge- gen sind: Jeder Theil des Raumes läßt sich als ausgefüllt gedenken. Jeder Raum läßt sich mehr oder minder ausgefüllt gedenken, bis er
ganz
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ſo die einfachen Begriffe angeben.
§. 92.
Da bey gleicher Geſchwindigkeit gleiche Raͤume in gleicher Zeit durchlaufen werden, und folglich da- bey eine einfoͤrmige Succeßion ſtatt hat: ſo laͤßt ſich die Bewegung zur Ausmeſſung der Zeit gebrauchen. Und dieſes Mittel gebrauchen wir um deſto eher, weil wir ſonſt keinen Maaßſtab der Zeit als das Gedaͤcht- niß haben, welches uns der Succeßion unſrer Ge- danken erinnert, und uns die Zeit bald langwierig bald kuͤrzer vorſtellt, je nachdem andre Gedanken das Be- wußtſeyn dieſer Succeßion laſſen klarer werden, oder es mehr verdunkeln.
§. 93.
Den Begriff der Soliditaͤt haben wir von dem Gefuͤhl, und dehnen ihn durch Schluͤſſe und Ver- gleichung unſrer Empfindungen auch auf die uͤbrigen Sinnen aus. Durch das, was wir ſolid nennen, ſtellen wir uns den Raum ausgefuͤllt vor, weil wir dem leeren Raum die Soliditaͤt, die Undurchdring- barkeit und jeden Widerſtand abſprechen, und zwar eben deswegen, weil nichts darinn iſt. Das etwas, wodurch wir den Raum als ausgefuͤllt gedenken, nen- nen wir die Maſſe der Materie, und etwann auch nur die Materie.
§. 94.
Die Grundſaͤtze hiebey ſind: Jedes Solide ſchließt jedes andre von dem Ort aus, in wel- chem es iſt. Ein Raum kann daher nicht mehr als bis zur voͤlligen Continuitaͤt ausgefuͤllt werden. Das Solide hat die drey Dimenſio- nen des Raumes. (§. 82.) Die Poſtulata hinge- gen ſind: Jeder Theil des Raumes laͤßt ſich als ausgefuͤllt gedenken. Jeder Raum laͤßt ſich mehr oder minder ausgefuͤllt gedenken, bis er
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§. 92.
Da bey gleicher Geſchwindigkeit gleiche Raͤume
in gleicher Zeit durchlaufen werden, und folglich da-
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die Bewegung zur Ausmeſſung der Zeit gebrauchen.
Und dieſes Mittel gebrauchen wir um deſto eher, weil
wir ſonſt keinen Maaßſtab der Zeit als das Gedaͤcht-
niß haben, welches uns der Succeßion unſrer Ge-
danken erinnert, und uns die Zeit bald langwierig bald
kuͤrzer vorſtellt, je nachdem andre Gedanken das Be-
wußtſeyn dieſer Succeßion laſſen klarer werden, oder
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§. 93.
Den Begriff der Soliditaͤt haben wir von dem
Gefuͤhl, und dehnen ihn durch Schluͤſſe und Ver-
gleichung unſrer Empfindungen auch auf die uͤbrigen
Sinnen aus. Durch das, was wir ſolid nennen,
ſtellen wir uns den Raum ausgefuͤllt vor, weil wir
dem leeren Raum die Soliditaͤt, die Undurchdring-
barkeit und jeden Widerſtand abſprechen, und zwar
eben deswegen, weil nichts darinn iſt. Das etwas,
wodurch wir den Raum als ausgefuͤllt gedenken, nen-
nen wir die Maſſe der Materie, und etwann auch nur
die Materie.
§. 94.
Die Grundſaͤtze hiebey ſind: Jedes Solide
ſchließt jedes andre von dem Ort aus, in wel-
chem es iſt. Ein Raum kann daher nicht mehr
als bis zur voͤlligen Continuitaͤt ausgefuͤllt
werden. Das Solide hat die drey Dimenſio-
nen des Raumes. (§. 82.) Die Poſtulata hinge-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/527>, abgerufen am 22.11.2024.
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