tes wahres einerley sey, erhellet allerdings daraus, daß auch selbst die einfachen Begriffe aus einem solchen Jrrthume wegbleiben müßten, folglich mit denselben auch alle daraus richtig oder unrichtig zusammenge- setzte Begriffe. Denn ohne die einfachen Begriffe sind wir, was Blinde in Absicht auf die Farben.
§. 196.
Die Sache kommt demnach darauf an, daß so- fern jemand etwas irriges denkt, sofern denkt er in der That nichts, oder soviel als nichts. Denn wo das Jrrige anfängt, da fängt auch das Gedenkbare an zu fehlen, man mag sich dessen be- wußt seyn oder nicht. Hingegen, wenn man gar nichts denkt, so folgt allerdings noch nicht, daß man etwas irriges gedenke. Dieser Satz will nun eben das sagen, als: es sey in jedem irri- gen etwas gedenkbares, oder etwas mit einge- mengtes wahres.
§. 197.
Das Nichtsgedenken, oder das Wegseyn al- ler Vorstellungen, ist demnach das 0 oder der ge- meinsame Anfang des Wahren und des Jrrigen. Näm- lich sobald man anfängt zu denken, fängt auch das Wahre oder das Jrrige an. Hingegen sind Ver- schiedenheiten dabey, die wir noch anzeigen wollen.
§. 198.
Einmal das Wahre fängt vor dem Jrrigen an, in sofern ein einzelner einfacher Begriff näher an dieses 0 gränzt, als ein zusammengesetzter, ungefehr wie in dem Zahlengebäude 1 näher an 0 gränzt, als 2, 3, 4 etc. Jn diesem Verstande nehmen wir hier das Wort anfangen. Denn da das Jrrige nur in der Verbindung oder Zusammensetzung einfacher Begriffe vorkommt, in so fern diese nicht angeht, so werden zum Jrrigen wenigstens zwey einfache Begriffe erfordert. Hin-
gegen,
IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
tes wahres einerley ſey, erhellet allerdings daraus, daß auch ſelbſt die einfachen Begriffe aus einem ſolchen Jrrthume wegbleiben muͤßten, folglich mit denſelben auch alle daraus richtig oder unrichtig zuſammenge- ſetzte Begriffe. Denn ohne die einfachen Begriffe ſind wir, was Blinde in Abſicht auf die Farben.
§. 196.
Die Sache kommt demnach darauf an, daß ſo- fern jemand etwas irriges denkt, ſofern denkt er in der That nichts, oder ſoviel als nichts. Denn wo das Jrrige anfaͤngt, da faͤngt auch das Gedenkbare an zu fehlen, man mag ſich deſſen be- wußt ſeyn oder nicht. Hingegen, wenn man gar nichts denkt, ſo folgt allerdings noch nicht, daß man etwas irriges gedenke. Dieſer Satz will nun eben das ſagen, als: es ſey in jedem irri- gen etwas gedenkbares, oder etwas mit einge- mengtes wahres.
§. 197.
Das Nichtsgedenken, oder das Wegſeyn al- ler Vorſtellungen, iſt demnach das 0 oder der ge- meinſame Anfang des Wahren und des Jrrigen. Naͤm- lich ſobald man anfaͤngt zu denken, faͤngt auch das Wahre oder das Jrrige an. Hingegen ſind Ver- ſchiedenheiten dabey, die wir noch anzeigen wollen.
§. 198.
Einmal das Wahre faͤngt vor dem Jrrigen an, in ſofern ein einzelner einfacher Begriff naͤher an dieſes 0 graͤnzt, als ein zuſammengeſetzter, ungefehr wie in dem Zahlengebaͤude 1 naͤher an 0 graͤnzt, als 2, 3, 4 ꝛc. Jn dieſem Verſtande nehmen wir hier das Wort anfangen. Denn da das Jrrige nur in der Verbindung oder Zuſammenſetzung einfacher Begriffe vorkommt, in ſo fern dieſe nicht angeht, ſo werden zum Jrrigen wenigſtens zwey einfache Begriffe erfordert. Hin-
gegen,
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[554/0576]
IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
tes wahres einerley ſey, erhellet allerdings daraus,
daß auch ſelbſt die einfachen Begriffe aus einem ſolchen
Jrrthume wegbleiben muͤßten, folglich mit denſelben
auch alle daraus richtig oder unrichtig zuſammenge-
ſetzte Begriffe. Denn ohne die einfachen Begriffe
ſind wir, was Blinde in Abſicht auf die Farben.
§. 196.
Die Sache kommt demnach darauf an, daß ſo-
fern jemand etwas irriges denkt, ſofern denkt
er in der That nichts, oder ſoviel als nichts.
Denn wo das Jrrige anfaͤngt, da faͤngt auch das
Gedenkbare an zu fehlen, man mag ſich deſſen be-
wußt ſeyn oder nicht. Hingegen, wenn man gar
nichts denkt, ſo folgt allerdings noch nicht,
daß man etwas irriges gedenke. Dieſer Satz
will nun eben das ſagen, als: es ſey in jedem irri-
gen etwas gedenkbares, oder etwas mit einge-
mengtes wahres.
§. 197.
Das Nichtsgedenken, oder das Wegſeyn al-
ler Vorſtellungen, iſt demnach das 0 oder der ge-
meinſame Anfang des Wahren und des Jrrigen. Naͤm-
lich ſobald man anfaͤngt zu denken, faͤngt auch das
Wahre oder das Jrrige an. Hingegen ſind Ver-
ſchiedenheiten dabey, die wir noch anzeigen wollen.
§. 198.
Einmal das Wahre faͤngt vor dem Jrrigen an,
in ſofern ein einzelner einfacher Begriff naͤher an dieſes
0 graͤnzt, als ein zuſammengeſetzter, ungefehr wie in
dem Zahlengebaͤude 1 naͤher an 0 graͤnzt, als 2, 3, 4
ꝛc. Jn dieſem Verſtande nehmen wir hier das Wort
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in ſo fern dieſe nicht angeht, ſo werden zum Jrrigen
wenigſtens zwey einfache Begriffe erfordert. Hin-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/576>, abgerufen am 22.11.2024.
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